Parodontologie von A bis Z. Peter Eickholz
Ataxie, Verlust der Sensorik, Nystagmus), Albinismus der Augen und der Haut sowie Blutungsneigung aufgrund einer Thrombozytenfunktionsstörung gekennzeichnet ist. Dem CHS liegen Mutationen des LYST(lysosomal trafficking regulator)-Gens zugrunde, das ein Protein kodiert, das in die Regulation der Lysosomen eingebunden ist. Typisch sind sehr große Einschlusskörper in nahezu allen granulierten Zellen (z. B. Granulozyten, Histiozyten, Mastzellen, Thrombozyten, Melanozyten, Schwann-Zellen, Neurone), die durch Fusion zytoplasmatischer Granula entstehen. Im Falle der Myelozyten erfolgt dies in frühen Reifungsstadien und führt zum Absterben von myeloischen Vorläuferzellen und damit zu moderater Neutropenie9.
Als Symptome zeigen sich mit Manifestation im Kindesalter eine Disposition zu rezidivierenden Infektionen, eine allgemeine Hypopigmentation, ein partieller Albinismus und ein Albinismus fundi occuli, eine Hepatosplenomegalie und eine Lymphadenopathie. Typischerweise geht diese Erkrankung mit einer früh beginnenden und sehr rasch verlaufenden Parodontitis einher.
Bei der Diagnostik zeigen sich im peripheren Blutbild eine Granulationsanomalie der Granulozyten und Lymphozyten (Riesengranula) und plasmatische Einschlusskörperchen in den myeloischen Zellen im Knochenmark. Pränatal sind eine fetale Blutuntersuchung und eine Haut-Haar-Biopsie möglich.
Die Therapie besteht in einer Knochenmarkstransplantation. Die Prognose ist aufgrund der Disposition zu septischen Prozessen im Kindesalter ungünstig. Die meisten Kinder sterben vor Erreichen des zehnten Lebensjahres an Infekten oder malignen Tumoren.
Kostmann-Syndrom
Das Kostmann-Syndrom (Infantile genetische Agranulozytose; ORPHA99749/ICD-10: D70.0) ist die häufigste angeborene, sich früh manifestierende, hochgradige Granulozytenfunktionsstörung mit Auftreten akuter, lebensbedrohlicher bakterieller (Staphylococcus aureus, Klebsiellen) und mykotischer (Aspergillus) Infektionen (schwere und langanhaltende Pyodermien, Dermatitiden im Nasen-Mund-Bereich, ekzematöse Läsionen, Lymphknotenvereiterungen und septische Bakterienabsiedelungen in Knochen, Darm, Leber und Lunge). Der Erkrankung liegt eine Mutation des HAXI(HCLS1-associated X1)-Gens zugrunde. Das mitochondriale HAXI-Protein schützt myeloische Zellen vor Apoptose. Defekte HAXI-Proteine resultieren in vermehrter Apoptose, was zur Reduktion der PMNs im Blut führt. Orale Manifestationen sind chronische Ulzerationen des harten Gaumens und der Alveolarmukosa, Gingivitiden und in der Pubertät beginnende, sehr rasch verlaufende Parodontitiden.
Die Therapie besteht aus einer lebenslangen Substitution mit gentechnisch hergestelltem Granulozyten-Wachstumsfaktor (G-CSF). Bei Patienten, die nicht auf G-CSF reagieren, bleibt nur die Knochenmarkstransplantation10.
Störungen des Zellstoffwechsels
Glykogenspeicher-Syndrome
Die Glykogenspeicher-Syndrome (GSD, Glykogenosen) sind autosomal-rezessiv vererbte Erkrankungen des Glykogenabbaus bzw. der Glykogensynthese mit pathologisch gesteigerter Glykogenspeicherung in vielen Organen (Leber, Nieren, Herz, Muskulatur, ZNS). Es gibt je nach vorhandenem Enzymdefekt verschiedene Formen bzw. Typen. GSD Typ 1b (ORPHA364/ICD-10: E74.0) wird durch einen Defekt der Glukose-6-Phosphat-Translokase verursacht.
Die Symptome von GSD 1b umfassen Hepatomegalie, Minderwuchs, Hypoglykämie, Neutropenie und Fehlfunktionen der PMNs. Eine pränatale Diagnostik ist nicht bei allen Formen möglich. Bei Glykogenspeicher-Syndrom 1b, das häufig mit einer Neutropenie einhergeht, werden auch starke Entzündungen der Gingiva und Parodontitis beschrieben11.
Hypophosphatasie
Die Hypophosphatasie (HPP; Phosphoethanolaminurie, Rathbun-Syndrom; ORPHA436/ICD-10: E83.30) ist eine eher seltene, vererbte Erkrankung, die mit Störungen der Knochenbildung (Kraniosynostose, Thoraxdeformitäten) und Zahnmineralisation einhergeht. Die Häufigkeit der schweren HPP-Formen wurde auf 1:100.000 Geburten geschätzt. Sie ist auf fehlende oder verringerte Aktivität der alkalischen Phosphatase (AP) im Serum und im Knochen zurückzuführen. Die Symptome sind je nach Erbgang und Mutation sehr variabel. Bisher wurden mehr als 190 Mutationen der nicht gewebespezifischen AP beschrieben.
Symptomatik: Aktuell werden 6 verschiedene Formen unterschieden (Tab. 1). Die klinischen Ausprägungen reichen von der Todgeburt ohne Mineralisation der Knochen bis zu spät im Erwachsenenalter auftretenden Symptomen. Je ausgeprägter die Funktionsstörung der AP, desto schwerer verläuft die Hypophosphatasie. Während es bei der letalen perinatalen HPP zum Tod in utero oder nach wenigen Tagen zum Tod durch respiratorische Komplikationen kommt, tritt bei der benignen pränatalen HPP eine spontane Verbesserung der skelettalen Symptome ein. Patienten mit infantiler HPP erscheinen bei Geburt normal, entwickeln aber während der ersten 6 Lebensmonate die Symptome der HPP. Kleine Statur und vorzeitiger Milchzahnverlust sind häufig. Die KindheitsHPP ist durch eine lange Schädelform (Dolichocephalie) bedingt durch vorzeitige Mineralisation der Sagittalnaht, vergrößerte Gelenke, verspätetes Laufenlernen, kleine Statur und Watschelgang gekennzeichnet. Häufig treten Frakturen und Knochenschmerzen auf. Auch hier sind kleine Statur und vorzeitiger Milchzahnverlust, der zumeist bei den Schneidezähnen anfängt, häufig (Abb. 2). Sekundäre metabolische Entzündung in den Knochen und Hyperprostaglandinismus sind verbreitet. Die Erwachsenenform der HPP wird erst im mittleren Lebensalter symptomatisch. Häufig sind Fußschmerzen durch Ermüdungsbrüche des Metatarsus (Mittelfuß) oder Oberschenkelschmerzen durch Pseudofrakturen des Femur die ersten Beschwerden. Bei genauer Erhebung der zahnärztlichen Anamnese stößt man häufig auf vorzeitigen Verlust der Milchzähne. Die Odontohypophosphatasie ist durch vorzeitigen Verlust der Milchzähne bei komplettem Erhalt der Wurzel, großen Pulpakammern und starker Karies gekennzeichnet (Tab. 1). Die biochemischen Marker dieser Patienten unterscheiden sich nicht von denen der Kindheits- bzw. Erwachsenenform.
Abb. 2a bis c 14-jähriger männlicher Patient mit Kindheits-Hypophosphatasie. Die Beweglichkeit der Schultergelenke ist eingeschränkt und der Patient ist von kleiner Statur. Anamnestisch ergibt sich ein vorzeitiger Verlust der Milchzähne: a) Röntgenstatus: Die Zähne 11, 31 und 46 fehlen, es finden sich zahlreiche Restaurationen (Kariesvorgeschichte) und große Pulpakammern. Bei den Ober- und Unterkieferschneidezähnen und bei 35 zeigt sich Knochenabbau bis ins mittlere Wurzeldrittel. Die Wurzeloberfläche von 35 erscheint unregelmäßig; b) klinische Ansicht; c) Zahn 35 nach Extraktion aufgrund eines Parodontalabszesses: unregelmäßige, atypische Wurzeloberfläche.
Tab. 1 Klinische Verlaufsformen der Hypophosphatasie12.
Diagnostik: Neben den klinischen und röntgenologischen Verfahren tragen molekularbiologische Methoden zur Diagnose bei. Bei HPP ist die Aktivität der Serum-AP deutlich reduziert, wie aber auch z. B. in der frühen Schwangerschaft, bei Schilddrüsenunterfunktion, Anämie oder Zöliakie. Bei HPP ist Phosphoethanolamin im Urin erhöht. Ein sensitiver Marker für HPP ist ein erhöhter Pyridoxal-5‘-Phosphat-Spiegel12.
Ehlers-Danlos-Syndrom
Das Ehlers-Danlos-Syndrom (Fibrodysplasia elastica generalisata congenita; ORPHA98249/ ICD-10: Q79.6) ist eine Bezeichnung für eine Gruppe erblicher Krankheitsbilder mit Kollagendysplasie, die sich nach biochemischen, genetischen und klinischen Kriterien in zehn verschiedene Typen aufgliedert (Tab. 2). Die Ätiologie ist je nach Typ ein autosomal-dominanter, -rezessiver oder X-chromosomaler Erbmodus. Es gibt entsprechend unterschiedliche pathochemische