Parodontologie von A bis Z. Peter Eickholz
Auch Vorhandensein und Ausmaß einer Furkationsbeteiligung verschlechtern die Prognose mehrwurzliger Zähne erheblich6.
Diese Risikofaktoren allein verursachen keine Parodontitis. Ist es aber durch oralen Biofilm zur Gingivitis gekommen, erhöhen sie die Wahrscheinlichkeit, dass sich aus der Gingivitis (angemessene Immunantwort) eine Parodontitis (unangemessene Immunantwort) entwickelt. Je mehr Risikofaktoren bei einer Person oder an einem Zahn zusammen kommen, desto höher ist das Risiko, dass sich eine Parodontitis entwickelt.
Literatur
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12. Kornmann KS, Page RC, Tonetti MS. The host response to the microbial challange in periodontitis: assembling the players. Periodontol 2000 1997;14:33–53 .
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Bettina Dannewitz, Peter Eickholz
Gingivawucherungen | 5 |
Einleitung
Eine Vergrößerung oder Wucherung der Gingiva kann unterschiedliche Ursachen haben. Neben einer entzündlichen Genese, die lokal oder systemisch modifiziert werden kann, spielen genetische Faktoren, Allgemeinerkrankungen und die Einnahme verschiedener Medikamente eine Rolle. Das Gewebe kann generalisiert oder lokalisiert auf Zahngruppen (häufig symmetrisch im Tuber- und Gaumenbereich der Molaren) vergrößert sein.
Gingivawucherungen/-vergrößerungen werden häufig als Gingivahyperplasien bezeichnet. Da aber die Vergrößerung der Gingiva nicht alleine durch eine Vermehrung der Fibroblasten, sondern auch durch die Zunahme der extrazellulären Matrix entsteht, ist der Begriff „Hyperplasie“ irreführend. In der gültigen internationalen Klassifikation von 20181,2 wird daher diese Erkrankung treffender als Gingivawucherung/-vergrößerung (z. B. vererbte Gingivafibromatose, medikamentös induzierte Gingivawucherungen) bezeichnet.
Die Einteilung der in diesem Glossar beschriebenen Wucherungen orientiert sich an dieser Klassifikation und unterteilt die beschriebenen Veränderungen in durch Plaque induzierte und nicht durch Plaque induzierte Gingivawucherungen.
Dabei beschränkt sich der Artikel auf gingivale Wucherungen, die fibrös oder entzündlich bedingt sind (Tab. 1). Daneben finden sich eine Reihe anderer Gewebevergößerungen (z. B. Exostosen in Form eines Torus mandibulae) sowie gutartige und bösartige Neoplasien, die sich an der Gingiva manifestieren können.
Tab. 1 Einteilung der Gingivawucherungen.
Plaqueinduzierte Gingivawucherungen | Nicht plaqueinduzierte Gingivawucherungen |
lokal modifiziert• Mundatmung | idiopathisch bedingt |
systemisch modifiziert• hormonelle Einflüsse• Allgemeinerkrankungen• medikamentös induziert |
Plaqueinduzierte Gingivavergrößerungen
Zu den plaqueinduzierten Gingivavergrößerungen gehören zum einen die allein entzündlich bedingten Wucherungen, die zusätzlich durch lokale (Mundatmung) oder systemische Faktoren (hormonelle Einflüsse, Medikamente) verstärkt (modifiziert) werden können.
Infolge der durch die bakterielle Plaque verursachten entzündlichen Reaktion kommt es im umliegenden parodontalen Gewebe zur gesteigerten Durchblutung, zum Austritt von Serum aus den Gefäßen und damit zu einer ödematösen Schwellung.
Zusätzlich können die gingivalen Fibroblasten mit einer verstärkten Synthese der extrazelluären Matrix auf den entzündlichen Reiz reagieren. Eine Wucherung der befestigten Gingiva bis über die klinischen Kronen, wie sie bei medikamentös induzierten Gingivawucherungen beobachtet werden kann, ist extrem selten und meist nur lokalisiert.
Begünstigt durch die Mundatmung und die damit verbundene Austrocknung der Schleimhaut kann es vor allem labial im Oberkieferfrontzahnbereich zu einer verstärkten Reaktion auf entzündliche Reize und zu einer ausgeprägten Gingivaverdickung in dieser Region kommen (Abb. 1).
Abb. 1 Plaqueinduzierte Gingivawucherung, die durch Mundatmung verstärkt wurde.
Durch systemische Faktoren verstärkte Gingivawucherungen
Eine durch mikrobielle Plaque und/oder lokale Reizfaktoren induzierte Gingivitis und dadurch bedingte Gingivawucherung kann durch hormonelle Einflüsse (Pubertät, Menstruationszyklus, Schwangerschaft) oder Allgemeinerkrankungen verstärkt werden.
Während der Schwangerschaft auftretende Gingivawucherungen
In der Schwangerschaft (überwiegend gegen Ende des ersten Trimenon) kann es – meist als Exazerbation einer schon vorher bestehenden Gingivitis oder Parodontitis – zu einer generalisierten oder gelegentlich auch lokalisierten Gingivawucherung kommen. Hohe Spiegel von Östrogen und Progesteron können bei längerfristiger Einwirkung am Schleimhautepithel zu einer Herabsetzung des Keratinisierungsgrades führen. In Verbindung mit einer gesteigerten Kapillarpermeabilität resultiert eine höhere Vulnerabilität des Gewebes. Die klinisch weiche, rötliche Gingivawucherung wird durch ein sehr gefäßreiches, überschießendes Granulationsgewebe hervorgerufen.
Lokalisierte, exophytische Wucherungen der marginalen Gingiva entstehen bevorzugt im Frontzahnbereich. Sie werden als Epulis