Seewölfe Paket 30. Roy Palmer
daneben.“
„Mönche haben oft Zutritt zu den Gefangenen oder zu jenen, die zum Tode verurteilt sind. Es ist bei den Dons Brauch, daß die Todeskandidaten vor ihrer Hinrichtung eine Beichte ablegen. Das verwehrt man aus Glaubensgründen selbst dem ärgsten Feind nicht.“
„Stimmt“, erwiderte Old Donegal verblüfft. Seine Fahne duftete immer noch meilenweit. „Aber, was willst du damit sagen?“
„Gibst du eine Runde von dem köstlichen Wein aus, Donegal?“ fragte der Seewolf.
„Sicher“, murmelte der Alte verblüfft. „Ich dachte nur, er sei euch zu süß.“
„Ach was“, meinte der Profos, „süß oder nicht. Wir haben jedenfalls etliche schwerwiegende Gründe, einen zu lenzen. Außerdem stinkt deine Fahne meilenweit bis in den Atlantik. Wenn wir aber auch einen schlucken, dann fällt das nicht so auf. Das ist wie bei Knoblauch – alle oder keiner.“
Das war natürlich ein guter Grund. Edwin Carberry war um solche Begründungen noch nie verlegen, und so ging er auch gleich mit Feuereifer daran, eine der Kisten aufzuhebeln. Wann kriegte man schon so ein edles, adliges Tröpfchen, was, wie?
„Am besten schluckt jeder gleich eine Buddel“, schlug der Profos vor. „Dann besteht auch keine Gefahr der Ansteckung, wenn jeder aus seiner eigenen Buddel, gluckert.“
„Von wegen!“ zeterte Old O’Flynn los. „Das Zeug wird nicht gesoffen, sondern genossen. Das trinken wir aus unseren besten Humpen, die wir an Bord haben. Und von wegen Ansteckung, mein Lieber! Das ist nur wieder eine faule Ausrede. Schließlich haben wir nicht die Pest an Bord.“
So wurden also die besten Humpen und Gläser geholt. Der dunkelrote Wein roch schwer und süßlich. Es war allerbeste Qualität, wie sie nur den ganz hohen Chargen vorbehalten war.
Dann wurde einer gelenzt, und gleich noch einer auf das Wohl des ehrenwerten Don Alonso Alvarez de Toledo, den durchlauchten Sohn des Herzogs von Alba, der sich sicherlich im Grab umgedreht hätte, würde er von Old O’Flynns Auftritt gewußt haben.
„Wir werden also List und Tücke anwenden und auf unseren reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen“, sagte Hasard zwischen zwei kleinen Schlucken. „Die Einzelheiten besprechen wir noch, und zwar ausführlich. Es muß alles gut vorbereitet werden. Wir können nicht die Festung in Cádiz stürmen, Don Juan heraushauen und davonsegeln. Das wäre zu einfach.“
„Dann wird dich also nur ein Mann begleiten“, sagte Dan nachdenklich. „Denn daß du dabeisein wirst, steht wohl außer Frage.“
Hasard setzte den Humpen vorsichtig ab. Er nickte flüchtig.
„Ja, zwei Mann, der Kutscher und ich“, erwiderte er zur Verblüffung der anderen.
Der Profos hatte schon einen leuchtenden Blick drauf, doch der erlosch recht schnell.
„Der Kutscher?“ fragte er langgezogen. „Ich dachte da an mich.“
„Nimm es mir nicht übel, Ed, aber der Kutscher ist nun mal der geeignetere Mann, ohne deine Leistungen zu schmälern. Du gibst keinen überzeugenden Padre oder Mönch ab. Der Kutscher hat noch einen weiteren Vorteil: Er spricht ein sehr gepflegtes Spanisch und beherrscht außerdem Latein, was uns sehr helfen wird.“
„Hm, das sehe ich ein“, murmelte der Profos, ohne beleidigt zu sein. Er zog auch keinen Flunsch, wie das sonst üblich war, denn hier ging es um ein Menschenleben, um einen guten Freund, der jetzt nicht mehr unter ihnen Weilte, und dem neben einer grausamen Folter auch noch der sichere Tod bevorstand.
„Und wie soll das vor sich gehen?“ fragte Dan begierig.
„Ich weiß es noch nicht genau. Zunächst werden der Kutscher und ich als Fischer getarnt nach Cádiz gehen, damit wir nicht auffallen. Fischer gibt es sehr viele, und das erforderliche Rüstzeug werden wir uns schon besorgen. Was weiter geschieht, muß zunächst einmal die Lage der Dinge ergeben, das hängt von den besonderen Umständen ab.“
An Steuerbord wurden die Kalkfelsen jetzt flacher.
Hasards Blick war nachdenklich auf das vorüberziehende Land gerichtet. Die Schebecke kämpfte gegen die Strömung des Atlantiks an, die kraftvoll ins Mittelmeer drückte.
Von den Magoten war keiner zu sehen, die sonst immer zwischen den Felsen turnten. Vielleicht hielten sie Siesta wie der Schimpanse Arwenack auch, der dösend unter dem Focksegel auf der Gräting des Stauraumes hockte.
Algeciras tauchte auf, ein verschlafen wirkender Ort. Die Bahia de Algeciras wurde noch vom abfallenden Gibraltarfelsen flankiert. Der Ort erweckte den Eindruck, als hielten sämtliche Einwohner ein Nickerchen. Außer ein paar kleinen Fischerbooten gab es in der Bucht nichts zu sehen.
Nur sehr langsam versank der Dschebel Al Tarik achteraus, und immer noch kämpften sie gegen die stärker werdende Oberflächenströmung an. Mitunter entstand der Eindruck, sie bewegten sich nicht vom Fleck.
Achteraus war alles „sauber“. Kein spanisches Schiff zeigte sich, niemand folgte ihnen.
Bald würde der Atlantik sie aufnehmen und der „Ententeich“, wie der Profos das Mittelmeer nannte, hinter ihnen liegen.
4.
Don Juan de Alcazar hatte sich stur gezeigt und verweigerte bei dem Verhör durch den Generalkapitän jede Aussage. Das brachte den hohen Herrn sehr in Harnisch, und er drohte dem Spanier ein paar Male die Peitsche und hochnotpeinliche Folter an.
Doch auch das ließ Don Juan unbeeindruckt. Er habe ihm nichts zu sagen, ließ er Don Miguel kühl wissen.
„Dann bringen Sie diesen verräterischen Bastard augenblicklich nach Cádiz, Don Pedro, wie es besprochen wurde. Sie haften mir persönlich für die Auslieferung, und Sie erhalten von mir einige Sondervollmachten, damit es keine Verzögerungen gibt.“
Don Pedro stand stramm. Er war der Erste Offizier an Bord, ein Mann von schlanker Statur mit einem dreieckigen Bart am Kinn, buschigen schwarzen Augenbrauen und einem grimmig und kalt wirkenden Gesicht. Die dunklen Augen über einer etwas gekrümmten Nase blickten eiskalt und durchdringend.
Don Pedro war ein Mann, der mit großer Härte durchgriff. Er war auch ein fanatischer Anhänger seines Königs, und so wußte der Generalkapitän Don Juan de Alcazar bei ihm in besten Händen. Sein Erster würde sich eher vierteilen lassen, als daß einem Kerl wie de Alcazar die Flucht gelang.
In Gibraltar hatte es sich bei Behörden und Militär längst herumgesprochen, wer der Obrigkeit da in die Hände gefallen war. Entsprechend waren die Sicherheitsmaßnahmen vorbereitet worden.
Zwei Beamte der Casa de la Diputación, ernste Männer, die einen Sitz in der Provinzregierung hatten, erschienen persönlich bei Don Miguel, um mit den Augen des Gesetzes über allem zu wachen.
Don Pedro erhielt mehrere versiegelte Schreiben, die ihm überall Tür und Tor öffnen würden.
In der Frühe des nächsten Morgens wurde der Gefangene aus dem finsteren Verlies der Vorpiek geholt.
Schwarze Bartschatten standen in Don Juans Gesicht. Als er ins Helle trat, kniff er die Augen zusammen, um sie an das Sonnenlicht zu gewöhnen.
Don Pedro musterte ihn kalt und verächtlich.
„Sie werden unter scharfer Bewachung nach Madrid gebracht“, erklärte er knapp. „Alles Weitere wird dort entschieden. Sollten Sie sich zu einem Fluchtversuch entschließen, wird man lediglich Ihre Leiche oder Ihren Kopf an den spanischen Hof bringen. Das ist alles.“
Don Juan traf es wie ein Hammerschlag, als er die Worte hörte. Er hatte fest damit gerechnet, nach Cádiz überstellt zu werden, wie Don Miguel das mit Old O’Flynn besprochen hatte. Da muß etwas schiefgegangen sein, überlegte er. Hatte man den Alten und seine Rolle als spanischer Edelmann durchschaut?
Er ließ sich nichts anmerken. Ruhig und gefaßt stand er da und ließ sich weitere