Seewölfe Paket 30. Roy Palmer
waren. Die anderen hatten bei dem Überfall offenbar den Tod gefunden.
Das Blöken von Schafen war zu hören, ein paar Stimmen.
Juan döste weiter vor sich hin. Sie vergaßen ihn völlig. Er erhielt weder etwas zu essen noch etwas zu trinken. Kein Mensch kümmerte sich um ihn. Das war wohl die ganz persönliche Rache des Ersten Offiziers, der ihn quälen wollte.
Er meldete sich auch nicht, dazu war er zu stolz, als daß er bei Don Pedro um einen Schluck Wasser gebettelt hätte. Seine Kehle war ausgetrocknet, vor seinem geistigen Auge erschien ständig ein Krug, der mit frischem kühlem Wasser gefüllt war.
Die Nacht verbrachte er wiederum schwer angekettet in der Kutsche und bewacht von den Soldaten.
„Hunger, Durst?“ fragte Don Pedro höhnisch, bevor er die Kutsche verließ.
Don Juan würdigte ihn keiner Antwort.
„Wenn Sie höflich darum bitten, lasse ich Ihnen etwas bringen“, sagte Don Pedro. „Sie brauchen nur untertänigst zu bitten.“
„Bastard“, erwiderte Don Juan grinsend.
Der Offizier schlug ihm dafür zweimal ins Gesicht.
Am späten Abend des dritten Tages erreichten sie Cádiz.
An Bord der Schebecke wurde spanisch gegessen, nämlich alles das, was der Kutscher und Mac auf dem Versorgungsboot eingekauft hatten.
Das Mittagessen begann mit einer Sopa de ajo, einer deftig gewürzten Knoblauchsuppe, die zwar nach den Worten des Profos den ganzen Atlantik einschließlich Mittelmeer total verpestete, nichtsdestoweniger aber hervorragend schmeckte.
Danach gab es die landesübliche Paella mit Reis, Olivenöl, magerem Schweinefleisch, Schinken, Flußkrebsen, weißen und grünen Bohnen, Artischocken, Pfefferschoten, Knoblauch, Zwiebeln und Schnecken.
Ganz besonders die Schnecken belauerte der Profos sehr mißtrauisch. Er drehte sie hin und her und peilte in das Innere.
„Was sind das für Dinger?“ fragte er den Kutscher. „Hast du die auch auf dem Bumboot gekauft?“
„Ja, natürlich. Es sind Schnecken.“
„Ich bin doch kein spanischer Schneckenfresser“, empörte sich Carberry. „Die mampfen Kastanien und Schnecken, ich aber nicht.“
„Es zwingt dich niemand dazu, sie zu essen“, erwiderte der Kutscher spitz. „An Bord ist ja ohnehin hinlänglich bekannt, daß du in solchen Dingen ein mäkeliger Kerl bist, ein Freßbanause, wenn man das mal so ausdrücken will. Beim Saufen bist du nicht so mäkelig, da darf’s auch ruhig mal ein übler Fusel sein.“
„Schnecken sind jedenfalls nichts für mich“, erklärte der Profos. „Da weiß man nie, was in den Gehäusen drin ist.“
„Du brauchst ja nur nachzusehen.“
Paddy Roger, anerkannter Vielfraß an Bord, erbot sich, dem Profos die Schnecken abzunehmen. Er hatte noch nie welche gegessen.
Der Profos schob ihm mit dem Löffel die Schnecken aus seiner Kumme hinüber.
Paddy schaufelte sich genußvoll einen Löffel voll und schob ihn in den Mund. Als er draufbiß, krachte es zum Entsetzen des Kutschers erschreckend laut.
„Mein Gott“, sagte der Kutscher leise. „Das darf doch nicht wahr sein. Schmeckt es denn?“ fragte er anzüglich.
Paddy nickte mampfend.
„Sehr gut, Mister Kutscher“, sagte er treuherzig. „Sie sind offenbar noch nicht ganz gar, aber wenn man sie länger im Wasser läßt, denn werden sie … Habe ich was Falsches gesagt?“ fragte er irritiert.
„Nein, nein“, sagte der Kutscher ergeben. „Manche essen die Schnecken nur ohne Gehäuse. Das gleiche gilt für Krebse.“
„Dann ist aber nicht mehr viel dran“, meinte Paddy.
„Sag ich doch die ganze Zeit“, knurrte der Profos. „Mit dem Gehäuse knirschen sie so unangenehm, aber ohne Gehäuse sieht man von den Dingern kaum etwas in der Kumme. Gibt’s das noch öfter?“
„Nein, zum Glück sind sie alle. Ich habe auch nicht viel eingekauft, und ich werde auch nie mehr welche kaufen. Euch Brüdern sollte man Seegurken in Algenbrei servieren – oder Seeigelpudding, aber auch da freßt ihr sicher noch die Stacheln mit.“
„War trotzdem ganz gut“, sagte Carberry, um den Kutscher nicht zu verärgern. „Du hast dir jedenfalls eine Menge Mühe gegeben.“
Nach dem Essen wurde der restliche Wein in den Kisten inspiziert, die „Don Alonso“ großzügig zur Verfügung stellte. Diesmal war Carberry am eifrigsten bei der Sache.
„So ein Fläschchen Wein ersetzt ein ganzes Essen“, sagte er grinsend. „Und dann hat man noch immer nichts getrunken.“
Seine Logik war wieder mal durchschlagend.
Es waren alles ausgesuchte und ganz spezielle Weine, wie sie nie einer vorm Mast zu sehen, geschweige denn zu trinken kriegte.
Ein paar Flaschen Jeréz waren dabei, dann ein würziger Manzanilla, süßer dunkelroter Malaga, und ein paar Rotweine aus dem Tal des Rio Oja. In einer weiteren Kiste lagerten Valdepeñas-Weine aus der La Mancha, und die letzte Kiste enthielt ein Sortiment roter und weißer Weine aus der katalonischen Provinz Tarragona.
„Wirklich nur das Allerfeinste“, sagte der Kutscher begeistert. „Die Señores wissen schon, was gut ist.“
„Bißchen labbrig, das Zeug“, meinte Carberry nach einem Probeschluck. „Wie wär’s denn, wenn wir die ganze Brühe zusammenkippen und sie mit etwas Rum vermischen?“
Der Kutscher und ein paar andere Mannen sahen ihn an, als sei er soeben vom Mond gefallen.
„War natürlich nur ein Scherz vom lieben Ed“, sagte der Seewolf.
„Aber natürlich“, versicherte der Profos scheinheilig. „Wer würde denn so was Gutes zusammenpanschen?“
Zu diesem Zeitpunkt ließen sie das Mittelmeer hinter sich und segelten in den Atlantik. Damit änderte sich auch gleich einiges.
Der Wind wehte aus westlicher Richtung auflandig auf die spanische Westküste zu. Sie mußten jetzt, auf Steuerbordbug liegend, mit Backbordhalsen segeln. Die Dünung wurde beträchtlich höher, und schon bald tauchte die Schebecke tief ein und nahm Wasser über.
Auf und ab ging es in einem ständig stärker werdenden Rhythmus. Der Wind war frisch, kühl und von salzigem Geruch. Aber ein Hauch voller wilder Freiheit wehte herüber, wie die Arwenacks meinten. Hier konnte man wieder tief Luft holen. Hier gab es keine Enge, keine Bedrückung. Hier war die unendliche Weite der See.
Der Segelmacher Will Thorne ließ sich auf dem Achterdeck melden. Er betrat es nie ohne Aufforderung, obwohl es bei den Arwenacks durchaus üblich war, sich dort aufzuhalten, wo es jedem paßte. Aber der Segelmacher war einer von der ganz alten Garde, ein Mann, der für die Crew einfach unersetzlich war. Er hielt sich immer an bestimmte Traditionen, und davon wich er auch diesmal nicht ab.
„Mir ist da etwas eingefallen, Sir“, begann er verlegen, wie er meist war, wenn er etwas vorzubringen hatte. „Es wurde doch kürzlich der Vorschlag unterbreitet und erörtert, wie man Don Juan in Cádiz befreien könne. Dabei war auch von einem Kloster die Rede, das in der Nähe der Hafenfestung liegt, nicht wahr?“
„Das ist richtig, Will“, sagte Hasard. „Wir sprachen allerdings nicht sehr ausführlich darüber.“
„Ich habe mir erlaubt, den Gedanken ein wenig weiter auszuspinnen“, sagte Will leise, „hauptsächlich, was die Mönche betrifft. Ich nehme an, Sir, daß du zusammen mit dem Kutscher als Mönch auftreten willst, um unerkannt und sicher in die Festung zu gelangen. Deshalb habe ich mir erlaubt – auf Freiwache natürlich – zwei passende Kutten zu schneidern. Auch die dazugehörigen Sandalen habe ich angefertigt. Ich wollte das einmal zu deiner Inaugenscheinnahme