Seewölfe Paket 30. Roy Palmer

Seewölfe Paket 30 - Roy Palmer


Скачать книгу
Stroh auseinander. Es schien schon wochenlang hier zu liegen und faulte langsam vor sich hin.

      Eine Stunde verging. Geräusche drangen nur sehr leise und gedämpft in das modrige Verlies. Erst nach einer Ewigkeit vernahm er wieder Schritte, die vor seiner Tür hielten.

      Zwei Soldaten öffneten vorsichtig. Einer hielt eine schußbereite Pistole in der Hand.

      „An die Wand treten“, schnarrte der Mann. Don Juan gehorchte und trat an die kühle Quaderwand.

      Eine Kumme mit einer undefinierbaren Brühe wurde auf den Boden gestellt. Ein steinharter Kanten Brot schwamm darin. Der Mann stellte noch einen Krug mit Wasser auf den Boden. Die beiden verschwanden, so wortlos, wie sie erschienen waren.

      Der schlanke große Spanier zuckte zusammen, als er nach dem Krug mit Wasser griff.

      Er hörte klatschende Schläge und dann eine Stimme, die in höchster Angst laut und gellend schrie: „Neiiin! Ich will nicht sterben, laßt mich leben!“

      Die Stimme brach ab, ein Winseln war zu hören, weitere klatschende Schläge. Anscheinend schleiften sie den Mann, der geschrien hatte, jetzt aus seiner Zelle. Don Juan glaubte zu wissen, daß seine Hinrichtung unmittelbar bevorstand. Denn so schrie nur jemand, der genau wußte, daß er jetzt sterben würde.

      Als es wieder ruhig war, trank er einen Schluck Wasser. Seine Kehle war wie ausgedörrt. Das Brot in der Wassersuppe war mittlerweile aufgeweicht. Er aß sehr langsam und mit Bedacht.

      Danach begann er in der Zelle umherzuwandern, und etwas später legte er sich auf den kalten Boden.

      So verging der erste Tag in der Festung.

       7.

      Zwei Tage später wurde sein Urteil verlesen. Der Prozeß fand in einem düsteren hohen Raum statt. Männer in dunklen Talaren saßen halbkreisförmig um eine Empore herum. Zwei Priester standen etwas abseits und hörten schweigend zu. Acht Gardisten befanden sich ebenfalls in dem Raum.

      Den Vorsitz führte das unscheinbare Männchen mit dem Namen de Almedo, das noch erhöhter als die anderen saß.

      „Im Namen Seiner Allerkatholischsten Majestät“, sagte de Almedo mit seiner tiefen Stimme, „ergeht das Urteil gegen Juan de Alcazar, ehemals Bevollmächtigter der spanischen Krone im Range eines Generalkapitäns, Sonderbeauftragter der Casa de la Contratación. Sie sind des Hochverrates, der Kollaboration, Verrates an der spanischen Krone, Renegatentum und Insubordination für schuldig befunden worden. Das Urteil ist beglaubigt und besiegelt. Es lautet: Tod durch die Garotte. Der Gefangene wird dem Henker überantwortet.“

      Einer der Priester sprach ein heuchlerisches Gebet.

      Don Juan stand hochaufgerichtet da. In seinem Gesicht regte sich kein Muskel. Die schiefergrauen Augen waren auf de Almedo gerichtet, der ein gesiegeltes Schreiben neben sich auf den Tisch legte.

      „Darf ich etwas zu meiner Verteidigung sagen?“ fragte er kühl.

      „Abgelehnt“, entschied de Almedo. „Ein Hochverräter, der mit englischen Piraten paktiert, hat nicht das Recht, sich zu verteidigen. Die Sitzung ist geschlossen. Das Inquisitionsgericht tritt in einer halben Stunde zusammen.“

      Das war alles. Das nächste Urteil würde gegen einen Ketzer ergehen, der sich wahrscheinlich auch nicht verteidigen durfte.

      Noch ehe Don Juan etwas sagen konnte, führten ihn die Gardisten wieder hinaus.

      Der Spanier schluckte hart – in der Annahme, daß man ihn sofort dem Henker ausliefern würde. Das war jedoch noch nicht der Fall. Wann seine Hinrichtung stattfinden sollte, wurde ihm nicht mitgeteilt.

      Sie brachten ihn wieder in das modrige Verlies zurück.

      Als die Bohlentür hinter ihm zuschlug, war er mit seinen Gedanken allein.

      „Ausgerechnet an einem Freitag“, sagte Old O’Flynn düster. „Das ist sicherlich kein gutes Zeichen. Wir hätten erst morgen Cádiz anliegen sollen.“

      „Für Juan kann jeder Tag der letzte sein“, erwiderte Hasard. „Da soll man sich nicht mit Aberglauben befassen.“

      „Das gefällt mir trotzdem nicht“, sagte der Alte. „Freitag war schon immer ein Unglückstag.“

      Sie befanden sich mit der Schebecke auf der Höhe von Cádiz. Die Küste war nur ein feiner dunstiger Strich am östlichen Horizont. Der Hafen ließ sich bestenfalls erahnen.

      Die Dünung war lang und gleichmäßig. Die Schebecke wurde sanft angehoben und in das nächste Wellental gesetzt. Der Himmel war von kühler, hellblauer Färbung, die Sonne blaß und kraftlos.

      Die Jolle war abgefiert worden und dümpelte in der Dünung. In ihr befand sich alles, was Hasard und der Kutscher für ihren Landgang brauchten.

      „Es bleibt alles wie besprochen“, sagte der Seewolf zu Ben Brighton. „Du hast während unserer Abwesenheit das Kommando. Ihr haltet euch nördlich von Rota auf und verschwindet sofort, wenn spanische Schiffe auftauchen. Laßt euch auf keine Scharmützel ein, lauft in einem solchen Fall sofort nach Westen ab.“

      „Aye, Sir“, sagte Ben. „Ich werde jeden Kontakt mit den Dons vermeiden. Hast du eine ungefähre Vorstellung, wie lange ihr brauchen werdet?“

      „Nicht die geringste Ahnung. Es wird kein Spaziergang werden, denn wir müssen uns nach den besonderen Umständen der jeweiligen Situation richten.“

      „Ja, natürlich. Dann bleibt nur noch, euch Mast- und Schotbruch zu wünschen. Hoffentlich ist es noch nicht zu spät.“

      Es war eine sehr riskante Sache, die sie vorhatten, das wußte Hasard. Aber er sah keine andere Möglichkeit. Gewalt schied in jedem Falle aus, sie war in der gut bewachten Hafenstadt Cádiz nicht anwendbar. Sie hätten schon mit einer kleinen Flotte angreifen müssen.

      Hasard und der Kutscher waren wie die spanischen Fischer gekleidet. Sie trugen grobe Leinenhemden und ebensolche Hosen. Später würden sie die Plünnen gegen die Kutten tauschen.

      „Wir drücken euch die Daumen“, sagte Carberry. „Und wenn ihr in zwei bis drei Tagen nicht zurück seid, dann krempeln wir den lausigen Hafen um und stapeln die Rübenschweine übereinander.“

      Hasard hob die Hand und grinste seinen Arwenacks verwegen zu.

      „Wir werden den Dons schon was vorflunkern“, sagte er.

      „Mundus vult decipi – ergo decipiatur“, verkündete der Kutscher, als er in die Jolle abenterte.

      „Willst du das den Betbrüdern verklaren?“ fragte Carberry. „Was heißt das eigentlich?“

      „Die Welt will getäuscht sein, also werde sie getäuscht“, erwiderte der Kutscher grinsend.

      „Der Bursche hat immer was auf Lager“, murmelte der Profos. „Der bringt es sogar fertig, eine alte Nonne vom Nachttopf zu schubsen.“

      Die Arwenacks grinsten bis an die Ohren. Der Profos hatte mitunter recht seltsame Vergleiche.

      Der Kutscher heißte das Segel vor, während der Seewolf die Ruderpinne übernahm. Dann lösten sie die Leine.

      Die Jolle legte ab und nahm Fahrt auf. Ein letztes Winken der Arwenacks. Hasard und der Kutscher segelten der fernen Küste entgegen.

      Achteraus wurde die Schebecke schnell kleiner. Als Hasard einen Blick über die Schulter warf, sah er, daß die Segel wieder gesetzt wurden und das Schiff Fahrt aufnahm. Ben Brighton ging auf nördlichen Kurs.

      „Zunächst werden wir uns im Fischereihafen ein paar kleine Netze zulegen“, sagte der Seewolf. „Damit unsere Identität als Fischer gewahrt bleibt. Dann sehen wir uns in Cádiz um und peilen die Lage. Später ziehen wir uns um und lustwandeln als fromme Betbrüder.“

      „Wer von uns spielt den Padre espiritual?“ fragte der Kutscher.

      „Den


Скачать книгу