Seewölfe Paket 30. Roy Palmer

Seewölfe Paket 30 - Roy Palmer


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hatte sie bei ihrem Tun beobachtet.

      In einem Geschäft besorgten sie sich bei einem Händler ein sündhaft teures Geschenk. Es war die perfekte Nachbildung eines hölzernen Gnadenbildes der Nuestra Señora de la Esperanza, das reich verziert und geschmückt war. Das Original wurde in der Semana Santa, der heiligen Woche, in der Prozession von Sevilla mitgeführt.

      Hasard und der Kutscher hatten sich einen glaubwürdig-frommen Blick zugelegt und führten Rosenkränze mit sich. Der Kutscher ließ den Rosenkranz ständig durch seine Finger gleiten und murmelte dabei lateinische Sprüche. Er schien ein sehr frommer Mann zu sein.

      Das fand auch der Prior des Klosters, als die beiden Padres bei ihm untertänigst vorstellig wurden, und um ein Gespräch mit dem ehrwürdigen Vorsteher baten.

      Der Prior war ein feister Mann mit Hängebacken und dem Gesicht eines zufriedenen Posaunenengels. Seine Augen blickten listig auf das Paket, das Hasard unter dem Arm trug.

      „Pax est tranquillitas ordinis“, tönte der Kutscher, was so viel bedeutete, daß Friede die Ruhe der Ordnung sei.

      Das fand der ehrwürdige Prior auch und schielte wieder recht neugierig auf das Paket.

      „Der Herr hat zwei gottesfürchtige Brüder nach Cádiz gesandt“, erklärte der Kutscher, „damit sie Buße tun und als reuige Sünder heil nach Sevilla zurückkehren mögen.“

      „Willkommen, Brüder im Herrn“, sagte der Prior, „ihr seid also aus Sevilla, wie ich vernehme.“

      Hasard ließ den Kutscher reden, denn der konnte so herrlich überzeugend mit lateinischen Brocken herumwerfen, daß der Prior regelrecht entzückt war.

      „Aus dem ehrwürdigen Kloster de le Merced“, sagte der Kutscher. „Der ehrwürdige Prior bittet um die Entgegennahme einer kleinen Aufmerksamkeit durch den ehrwürdigen Vorstand des hiesigen Klosters.“

      Der Prior war begeistert und umarmte die beiden schnell.

      Hasard überreichte ihm das Geschenk und hoffte inständig, daß dem ehrwürdigen Prior nichts auffiel.

      „Sicher werdet ihr hungrig und durstig sein, Brüder. Ich werde euch sofort nach der anstrengenden Reise etwas herrichten lassen.“

      So gelangten sie in das Kloster, und von dort aus weiter in das Heiligtum des gottesfürchtigen Priors, der auch weltliche Dinge nicht unbedingt verschmähte.

      Bevor die Brüder im Herrn gespeist wurden, wickelte der Prior das Paket aus und blickte ungläubig auf den Pasos, die Heiligengestalt der Nuestra Señora de la Esperanza.

      „Es möge einem guten Zweck dienen“, sagte der Kutscher doppeldeutig. Dann ließ er wieder seinen Rosenkranz murmelnd durch die Finger gleiten.

      „Wie lange bleibt ihr in Cádiz?“ wollte der Posaunenengel wissen, nachdem er sich überschwenglich bedankt hatte.

      „Wir sind vom ehrwürdigen Prior angehalten, etwa vierzehn Tage in Cádiz zu verbringen, die wir der Seelsorge widmen. Auch sollen wir uns um die Verurteilten kümmern, ihnen Trost spenden und die Beichte abnehmen, so haben wir es dem ehrwürdigen Vater versprochen.“

      „Ja ja, es gibt viel zu tun.“ Der Dicke seufzte ergeben. „Ich werde euch den nötigen Zutritt verschaffen, damit ihr missionieren könnt. Selbstverständlich findet ihr im Kloster Aufnahme. Ich werde euch später ein Empfehlungsschreiben mitgeben. Habt ihr keines?“

      Hasard hielt die Luft an, aber der Kutscher lächelte traurig und hatte die Lage fest im Griff.

      „Wir hatten natürlich eines und auch ein wenig Zehrgeld, verehrter Vater“, sagte er traurig. „Aber in Dos Hermanas überfielen uns Räuber – der Herr möge ihren Frevel verzeihen – und plünderten uns aus. Bruder Pancrazius gelang es gerade noch, die Madonna zu verbergen. Alles andere haben sie uns abgenommen, das karge Zehrgeld, das Schreiben des ehrwürdigen Vaters und auch ein Bildnis der Heiligen Katerina. Nur der Pasos ist uns geblieben und unser bescheidenes Leben. O tempora, o mores“, fügte der Kutscher klagend hinzu.

      Hasards Gesicht war so starr wie der Ausdruck der Madonnenstatue.

      Er sagte auch „Amen“, als der Kutscher und der Prior es sagten, und auch er vergaß nicht, seinen Rosenkranz durch die Finger gleiten zu lassen, wie der Kutscher es eifrig und mit Hingabe tat.

      Der Prior sprach ihnen nochmals seinen Dank aus und warf der Heiligen einen hingebungsvollen Blick zu.

      „Dieses unersetzliche Kleinod“, sagte er andächtig, „der Herr ist grenzenlos in seiner Güte.“

      „So ist es. Amen“, tönte der Kutscher.

      Der Prior winkte einen Padre herbei und stellte die beiden vor. Dann zeigte er ihnen selbst das Kloster, das dicht an den Kalkfelsen gebaut war. Sie sahen die prunkvolle Kapelle, an die sich der Kreuzgang anschloß. Darum gruppierten sich die eigentlichen Klausuren. Überall waren Mönche zu sehen. Hasard schätzte ihre Zahl auf weit über hundert, aber wahrscheinlich waren es noch mehr.

      „Das Dormitorium“, sagte der Prior und zeigte ihnen den riesigen Schlafsaal. „Dort werdet ihr nächtigen. Aber zunächst begeben wir uns ins Refektorium, denn ihr seid hungrig und durstig nach der langen Reise.“

      Der Speisesaal war karg und nüchtern eingerichtet und mit Heiligenbildern geschmückt. An einem der endlos langen Tische nahmen sie Platz.

      Zwei Mönche brachten verdünnten Rotwein, Brot, Käse und eine Schüssel voller Brei. Ein anderer brachte kalten gebratenen Fisch und dazu ein paar Oliven.

      „Greift zu, Brüder. Es ist nur ein bescheidenes Mahl, aber es kommt von ganzem Herzen“, sagte der Prior müde.

      Hasard hatte einen gesunden Appetit, denn allzuviel hatten sie heute noch nicht zu sich genommen. Er wollte zugreifen, doch der Kutscher räusperte sich sehr dezent und begann leise zu beten. Der Seewolf tat es ihm nach und bewunderte wieder mal den Einfallsreichtum des schmalen Mannes, der an alles dachte und nichts vergaß.

      „Wenn es von der Kathedrale schlägt, lasse ich euch abholen“, versprach der Posaunenengel. „Ich habe noch ein wenig zu tun.“

      „Vielen Dank, ehrwürdiger Vater.“

      Die beiden waren allein, beendeten ihr Gebet ziemlich rasch und begannen zu essen.

      „Hoffentlich hat er nichts gemerkt“, flüsterte der Seewolf. „Als er nach dem Empfehlungsschreiben fragte, hatte ich etwas Pudding in den Knien. Sag mal, Kutscher, gibt es dieses Kloster in Sevilla überhaupt? Oder existiert das nur in deiner Phantasie?“

      „Ich bin immer fürs Authentische“, erwiderte der Kutscher und schob sich von dem kalten Fisch etwas in den Mund. „Natürlich gibt es dieses Kloster, das weiß ich genau. Aber jetzt scheinen wir endlich am Ziel zu sein. Diese Mönche hier haben einen großen Einfluß in geistiger und religiöser Hinsicht, und das nicht nur auf die Bevölkerung, sondern auch auf die Obrigkeit. Dieser freundliche Betbruder wird uns Tür und Tor öffnen. Bedenke nur einmal dieses ungemein wertvolle Geschenk.“

      „Er hat sich sehr darüber gefreut“, murmelte Hasard. „Aber ich fühle mich in dieser Rolle absolut nicht wohl.“

      „Aber Padre Pancrazius“, sagte der Kutscher mit leisem Vorwurf. „Was tun wir denn? Ist es nicht gottesgefällig, das Leben eines armen Sünders zu retten, unter all den Scheinheiligen? Wir tun ein gutes Werk, und der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel.“

      „Du bist ein verdammtes Schlitzohr“, sagte Hasard lächelnd.

      „Zum Glück weißt nur du das, Bruder. Hast du dir schon mal Gedanken darüber bereitet, wie wir mit Juan verfahren, sobald wir in seiner Nähe sind? Damit, daß wir ihn sehen, ist es ja nicht getan.“

      „Ich weiß, daß das Schlimmste und Schwerste noch vor uns liegt. Ich möchte eine Entscheidung jedoch noch hinauszögern, bis ich mir einen genauen Überblick verschafft habe.“

      „Ich werde mit Juan die Rollen tauschen“, sagte der Kutscher. „Das


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