Seewölfe Paket 30. Roy Palmer

Seewölfe Paket 30 - Roy Palmer


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der Seewolf. „Dann behalten sie dich an seiner Stelle, und wir stehen wieder am Anfang.“

      „Ganz recht, Bruder, am Anfang schuf der Herr Himmel und Erde“, sagte der Kutscher salbungsvoll.

      Hasard sah aus den Augenwinkeln, daß der Prior und drei weitere Mönche das Refektorium betraten. Deshalb fing der Kutscher auch gleich wieder mit seinem Rosenkranz an und wechselte sofort das heikle Thema.

      „Ein vorzügliches Mahl nach all den Entbehrungen“, lobte Hasard, als die vier sich an dem Tisch niederließen.

      Der Prior nickte wohlgefällig und sah in die eisblauen Augen des breitschultrigen Bruders Pancrazius.

      „Ich möchte euch Padre Antonio vorstellen“, sagte er. „Er war hellauf entzückt, zu erfahren, daß ihr aus Sevilla stammt. Sein Bruder war früher lange Jahre im Kloster de la Merced. Er möchte ein wenig darüber mit euch plauschen, denn er hat es einmal besucht.“

      Hasard verschluckte eine Qualle, aber das war schon eher eine portugiesische Riesengaleere, die ihm im Hals hing. Auch das noch! Er hatte ja geahnt, daß sie mit ihren frommen Sprüchen bald an der nächsten Wand landen würden.

      Der Kutscher hingegen blieb die Ruhe in Person. Spontan streckte er dem dicklichen Padre Antonio die Hand hin.

      „Es ist mir eine besondere Freude, mit dir darüber zu plaudern, Bruder Antonio“, sagte er herzlich.

      Der Bruder Antonio kroch dem Kutscher genauso auf den Leim wie alle anderen auch. Dann begann er zu erzählen, von der Schönheit der gotischen Kathedrale, die man an der Stelle der maurischen Hauptmoschee errichtet hatte, vom Innern mit den Königsgräbern und dem Grabdenkmal des Christoph Columbus.

      Sehr gebannt lauschten die frommen Männer den Ausführungen des Kutschers, der sich in Sevilla besser auszukeimen schien als in seiner englischen Heimat.

      „Lebt denn Bruder Astasio noch?“ wollte der Padre wissen. „Er war schon sehr alt, müßt ihr wissen. Mein Bruder sprach viel von ihm.“

      Dem Kutscher genügte ein einziger Blick, um zu erkennen, daß der Padre nichts im Schilde führte und sie vielleicht nur aushorchen wollte. Er war ein hervorragender Menschenkenner, und er war sich ganz sicher, daß sie nichts gemerkt hatten.

      „Ich kannte ihn nicht persönlich“, sagte er bedauernd, „aber sie reden noch heute sehr viel über ihn und über das Gute, was er getan hat. Es existiert leider nur noch das schlichte Grab mit seinem Namen. Der Herr hat ihn zu sich gerufen in seinem unerfindlichen Ratschluß, obwohl Bruder Astasio noch viel Gutes hätte tun können und sicherlich auch getan hätte. Gott sei seiner armen Seele gnädig.“

      Das Ableben des armen Bruders Astasio wurde lebhaft bedauert. Der Prior sprach ein Gebet für ihn, der nur Gutes getan hatte, dem sich die anderen anschlossen.

      Mann, o Mann, dachte Hasard, als der Kutscher weiter von Sevilla und dem ehrwürdigen Kloster erzählte. Wenn das nur gutgeht!

      Der Kutscher war hier eindeutig die dominierende Persönlichkeit, zumal er mit sein Latein brillierte, was die anderen sehr beeindruckte. Er geriet nie in Verlegenheit und benahm sich so, als sei er sein Leben lang in einem Kloster aufgewachsen.

      „Übermorgen“, sagte der Prior, „werden wieder ein paar arme Sünder hingerichtet. Der Comandante gab mir eine Liste. Es sind etliche Sünder dabei, die eine Beichte ablegen möchten, und so werden wir ihnen auf ihrem schwersten Weg den christlichen Beistand auch nicht versagen und ihnen Absolution sowie die letzte Ölung erteilen. Ich werde euch morgen in aller Frühe hinführen, damit ihr gegenüber dem ehrwürdigen Vater von Sevilla euren Pflichten nachkommen könnt. Die Namen werden euch nichts sagen, denn ihr seid fremd hier. Aber ich werde euch einmal die Liste zeigen. Der Comandante bringt uns jede Woche eine neue Sünderliste.“

      Die Liste wurde gebracht. Es war eine Abschrift in krakeliger Schrift auf Pergament. Sie enthielt die Namen jener, die auch an der Mauer der Festung aushingen.

      Natürlich fiel ihnen sofort der Name Don Juans ins Auge, aber keiner der beiden ließ sich etwas anmerken.

      Der Kutscher schien nur flüchtig auf den Namen zu blicken, und auch der Blick aus Hasards eisblauen Augen verriet kein Erkennen.

      „Alle diese Leute werden übermorgen hingerichtet?“ fragte Hasard. „Was haben sie denn Schreckliches verbrochen?“

      „Viele sind Ketzer, Bruder. Sie haben sich von der heiligen Institution der Kirche losgesagt oder Gott gelästert. Es sind aber auch Zauberer, Hexen und Schwerverbrecher dabei, die den Tod hundertfach verdient haben. Aber wir sind so gnädig, sie von ihren Sünden zu erlösen und ihre Seelen zu befreien. Etliche wird das Feuer läutern, sie werden verbrannt.“

      Der Prior schien es ganz normal zu finden, daß Hexen und Zauberer, was immer er sich auch darunter vorstellen mochte – verbrannt wurden, um sie zu „läutern“.

      Hasard hätte dem weltfremden Mönchlein einiges sagen können, doch das wäre auf keinen fruchtbaren Boden gefallen und hätte ihren Plan nur vereitelt. So enthielt er sich jeden Kommentars und nickte lediglich wie zustimmend.

      Mittlerweile fanden sich im Kloster immer mehr Mönche ein und bald wimmelte es nur so von ihnen.

      Die Abendandacht begann. In der großen Kapelle und der sich anschließenden Kirche wurde gebetet.

      Über Cádiz senkte sich die Nacht. Glockengeläut von der großen Kathedrale drang herüber.

      Auch für Don Juan begann die vorletzte Nacht. Daran mußte Hasard immer wieder denken.

      „Wir stehen sehr früh auf“, ließ Padre Antonio sie wissen, „aber dafür geben wir uns auch früh dem Schlaf hin. Das erste Gebet beginnt bei uns morgen um sechs, es wird durch Glockenschläge angekündigt. Ich werde euch nun eure Schlafstätte zeigen.“

      Der Prior verabschiedete sich von ihnen für den heutigen Tag. Er wolle sich noch ein paar Augenblicke in stiller Andacht dem mitgebrachten Geschenk widmen, verkündete er.

      Hoffentlich fällt ihm nichts auf, dachte Hasard wieder.

      Padre Antonio begleitete sie in das Dormitorium hinüber, wo sich einfache und schlichte Schlafstellen auf dem Boden befanden. Ein paar Fackeln in Eisenhalterungen an den Wänden erhellten den großen Saal nur spärlich.

      Die Mönche waren recht schweigsam. Hasard und der Kutscher konnten sich ebenfalls nicht unterhalten. Der Seewolf hätte mit dem Kutscher gern noch ein paar Worte gewechselt, denn was der vorhatte, behagte ihm nicht so recht.

      Doch daran war nicht zu denken. Im großen Schlafsaal wurden nach und nach die Fackeln gelöscht, und so war jeder mit seinen Gedanken allein in dieser Nacht.

      Es dauerte jedoch sehr lange, bis Hasard endlich einschlief, und auch der Kutscher war noch lange wach. Er fieberte dem neuen Tag entgegen.

       8.

      Glockengeläut aus der Kapelle weckte sie.

      Der Seewolf erwachte und brauchte eine ganze Weile, um sich zurechtzufinden. Es war noch stockfinster.

      Zuerst begann die Morgenandacht, dann folgte die Wäsche an einem eiskalten Brunnen.

      Die Mönche gingen schweigsam ins Refektorium hinüber, wo sie ihr karges Frühstück einnahmen.

      Etwas später erschien auch der ehrwürdige Vater und nickte ihnen wohlwollend zu.

      „Ich hoffe, ihr habt gut geschlafen, Brüder im Herrn“, begrüßte er sie.

      „Wunderbar“, erwiderte Hasard. „Wir sind Euch zu großem Dank verpflichtet, ehrwürdiger Vater.“

      Mittlerweile war es draußen dämmrig geworden. Nicht mehr lange, und es würde hell sein.

      „Habt ihr keine Bibeln?“ fragte der Prior.

      „Nein, ehrwürdiger Vater“, entgegnete der Kutscher. „Jene Strolche,


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