Seewölfe Paket 30. Roy Palmer

Seewölfe Paket 30 - Roy Palmer


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biß die Zähne zusammen und rannte in absoluter Dunkelheit dahin. Er sah nichts, nicht einmal einen Streifen Dämmerlicht.

      Nach einer Weile begann er schneller zu atmen und dann zu keuchen, weil er als Seemann das Laufen nicht gewohnt war. Schweiß perlte auf seiner Stirn und sickerte in die Augenbinde.

      Dann zuckte er wieder zusammen, wenn ihn unerwartet die Peitschenschnur traf und einen Striemen auf seiner Haut hinterließ. Jedesmal war dann das Lachen zu hören.

      „Seht mal unseren Laufburschen an“, hörte er die höhnischen Bemerkungen der Soldaten hinter sich. „Der rennt sogar schneller als die Gäule.“

      Wieder ein Peitschenhieb, der einen roten Strich auf seiner linken Wange hinterließ.

      Dann wurde die Kutsche hart nach rechts gerissen. Don Juan war darauf nicht vorbereitet, zudem sah er nichts. Der Ruck erfolgte so unerwartet und heftig, daß er strauchelte. Er fing sich noch einmal, dann hörte er die Räder wild über Steine rumpeln.

      Über einen dieser Brocken stolperte er und stürzte. Genau das hatte er unbedingt vermeiden wollen, denn jetzt begann eine entsetzliche Tortur. Erbarmungslos wurde sein Körper an den Ketten mitgeschleift und geschunden. Kurzes Strauchwerk zerkratzte ihm das Gesicht, Steine und Dreck rissen seine Haut auf. Unzählige Schrammen trug er innerhalb kürzester Zeit davon.

      Ein paar Minuten wurde er mitgeschleift und schrammte hart über den Boden. Dann hielt die Kutsche.

      Don Juan konnte sich nur sehr mühsam aufrichten. Er hatte das Gefühl, als sei jeder einzelne Knochen in seinem Leib gebrochen.

      Einer der Kerle nahm ihm die Augenbinde ab. Er blickte in Don Pedros kalte Fischaugen.

      „Ein beschwerlicher Weg nach Madrid“, sagte er höhnisch. „Aber dort wird man Sie schon wieder aufpäppeln. Schließlich sollen nur gesunde Männer dem Henker überstellt werden.“

      Don Juan hörte die Worte wie aus weiter Ferne. Sein Körper brannte und schmerzte höllisch. Von der Stirn sickerte ihm ein dünner Blutfaden in die Augen.

      Aus halbzusammengekniffenen Augen blickte er in den Himmel. Dann mußte er wieder in die Kutsche steigen und wurde angekettet.

      Don Juan lächelte sehr zum Ärger des Offiziers, denn er hatte etwas entdeckt, als man ihm für einen Augenblick die Augenbinde abgenommen hatte. Ganz sicher war das Don Pedro entgangen.

      Don Juan hatte sich in diesem winzigen Augenblick sehr schnell orientiert. Einen derart scharfen Blick hatte er erst bei den Seewölfen entwickelt. Früher wäre ihm das nicht aufgefallen.

      Die Sonne stand noch fast im Osten. Die Kutsche aber bewegte sich genau in westnordwestlicher Richtung. Hätte sie Kurs auf Madrid genommen, so folgerte Don Juan logisch weiter, dann müßte sie sich in nordnordwestlicher, fast nördlicher Richtung, bewegen. Das war aber nicht der Fall, wie er eindeutig erkannt hatte.

      Er grinste noch mehr. In westnordwestlicher Richtung lag einwandfrei Cádiz, aber nicht die Hauptstadt des Landes.

      Man hatte ihm also bewußt etwas Falsches mitgeteilt – und offenbar nur aus dem Grund, ihn zu verwirren.

      „Ihr überhebliches Grinsen wird Ihnen noch vergehen!“ brüllte Don Pedro, den die Ruhe und Gelassenheit mächtig aufregte. Er hätte Don Juan lieber winselnd auf den Knien vor sich gesehen. Aber der Kerl war unbeugsam und unglaublich hart.

      „Ich wüßte nicht, daß das Grinsen in unserem Land auch noch verboten ist“, sagte er. „Oder wird man deshalb vor das Inquisitionsgericht gestellt?“

      Am Nachmittag stoppte die Kutsche erneut. Sie hielt vor einer armselig aussehenden Herberge. Den Soldaten und Bewachern wurde Verpflegung, Wasser und Wein gebracht.

      Für Don Juan gab es auch Wasser – eine kleine Muck voll. Einer der Soldaten brachte es ihm. Als Don Juan danach greifen wollte, zog der Soldat die Hand zurück und goß ihm das Wasser ins Gesicht.

      „Kühlt doch schön, was?“ fragte er grinsend.

      „Du erbärmliche Ratte“, sagte Don Juan. „Du fühlst dich offenbar als ganz großer Held.“

      Sie brachten ihm nichts zu essen. Erst am späten Abend erhielt er einen Kanten Brot und einen Schluck Wasser.

      Er mußte die Nacht in der Kutsche verbringen, während die meisten Bewacher und Don Pedro in einer Finca übernachteten. Posten umstellten die Kutsche, ein Feuer wurde entzündet. An Flucht war überhaupt nicht zu denken.

       5.

      Am nächsten Tag wurde die Kutsche überfallen.

      „Übermorgen dürften wir wohl in Cádiz sein“, sagte Don Juan zu dem Ersten Offizier und amüsierte sich insgeheim, als der ihn irritiert anstarrte.

      „Wir fahren nach Madrid“, knurrte Don Pedro böse.

      „Dann sollten Sie den Kurs ändern lassen, mein Bester“, schlug der Spanier spöttisch vor. „Wir haben soeben einen Fluß überquert. Täusche ich mich, oder liegt auf der rechten Seite etwa nicht die Laguna de la Janda? Ein tückisches Sumpfgebiet übrigens.“

      „Das können Sie nicht wissen!“ schrie Don Pedro. „Außerdem entspricht es nicht den Tatsachen. Woher haben Sie diese Weisheit?“

      „Von den Soldaten“, log Juan ungerührt. „Die quatschen doch dauernd darüber.“

      Don Pedro war so erbost, daß er die Kutsche anhalten ließ. Mit hochrotem Kopf stieg er aus und stauchte die verdatterten Bewacher lautstark zusammen, die sich energisch gegen den Vorwurf wehrten, etwas Derartiges gesagt zu haben. Sie wüßten selbst nicht, wo sie sich überhaupt befänden. Nur die beiden Kutscher kannten den Weg, und die hätten absolut nichts gesagt.

      „Sie erbärmlicher Bastard“, fauchte Don Pedro. „Sie wollen mich wohl veralbern oder die Stimmung gegen mich aufheizen? Wir fahren nach Madrid – und damit basta!“

      „Dann sind offenbar während meiner Abwesenheit die Berge verschwunden. Oder hat man die auch vor die Inquisition gebracht? Nein, mein Bester, für Ihr Märchen müssen Sie sich einen Dümmeren aussuchen. Wir bewegen uns sozusagen auf ebenem Kiel. Hier ist überall flaches Land.“

      Don Pedro schluckte. Immer wenn dieser Kerl das Maul aufriß, lief ihm die Galle über. Er fragte sich verzweifelt, woher der Mann das alles wissen konnte. Er war gar nicht in der Lage, auch nur einen kleinen Blick aus der Kutsche zu werfen, und doch wußte er haargenau, wo er sich befand.

      „Ich kann Sie wieder laufen lassen“, drohte er.

      „Ist das Ihre ganze Argumentation?“

      Die beiden warfen sich einen feindlichen Blick zu. Dann schwiegen sie sich gründlich aus.

      Nach dem nun schon obligatorischen Halt am Mittag vor einer Finca, fuhr die Kutsche durch waldiges Gebiet.

      Juan döste vor sich hin. Insgeheim war er sehr erleichtert darüber, daß es nach Cádiz ging und nicht nach Madrid, wie Don Pedro das immer wieder befeuerte.

      Er hörte noch überdeutlich Hasards Worte.

      „Was auch immer geschieht“, hatte der Seewolf geflüstert, „wir lassen dich nicht im Stich, auch wenn wir augenblicklich hilflos sind. Denke immer daran, wir werden da sein.“

      Er schrak aus seinen innerlichen Betrachtungen, als Stimmen laut wurden. Die Kutsche fuhr langsamer. Er hörte die Soldaten brüllen, Pferdeschnauben, Waffengeklirr. Dann einen lauten Schrei, der in höchster Tonlage abrupt verstummte.

      Don Pedro griff nach seiner Pistole und riß die Vorhänge mit einem wilden Ruck zur Seite.

      „Was ist los?“ schrie er den Kutscher an.

      „Ein Überfall, Don Pedro. Im Wald haben sich ein paar Banditen versteckt. Sie sind …“

      Seine Stimme brach ab. Er seufzte schwer und kippte dann vom Bock.


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