Seewölfe Paket 30. Roy Palmer

Seewölfe Paket 30 - Roy Palmer


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fieberhaft. Das bedeutete, daß er direkt dem Hof überstellt wurde, und das bedeutete gleichzeitig, daß die Arwenacks davon sicherlich nichts wußten. Sie würden ihn in Cádiz vermuten und warten – sehr lange warten und dabei doch nur ins Leere vorstoßen.

      Was war da nur passiert?

      Sie stießen ihn vorwärts, und er sah aus den Augenwinkeln noch, wie der Erste Offizier von einem der Beamten zur Seite genommen wurde. Was sie sprachen, konnte er leider nicht hören, aber es hätte ihn sehr erleichtert, wenn er es gewußt hätte.

      „Es war doch vereinbart worden, daß der Mann nach Cádiz gebracht werden soll“, sagte der Beamte erstaunt. „Warum wurde das buchstäblich in letzter Minute geändert?“

      Don Pedros Lippen waren so dünn wie die Seite eines Messers, sein flüchtiges Lächeln kalt wie Gletschereis. Seine Augen lachten nicht mit, es war ein bloßes Verziehen seiner Mundwinkel.

      „Es ist nichts geändert worden, Señor Batista. Natürlich wird der Verräter nach Cádiz überstellt. Ich lasse ihn absichtlich im unklaren, damit er nicht weiß, wo er sich befindet. Er soll ruhig annehmen, er sei auf dem Wege nach Madrid. Bei einem unvorhergesehenen Zwischenfall dürfte ihn das sehr verwirren.“

      „Ah, ich verstehe“, sagte der Mann von der Casa. „Sie wollen ihm natürlich nicht die hauchdünne Chance einer Möglichkeit geben. Sehr vernünftig, Don Pedro.“

      „Nicht einem Vaterlandsverräter wie ihm“, sagte Don Pedro. „Er gehört an den Galgen, zur öffentlichen Inaugenscheinnahme. Seine Leiche soll im Wind schaukeln, und alle sollen ihn verhöhnen. Die Garotte ist zu schade für den Kerl.“

      „Aber sein Tod dauert länger.“

      „Es gibt Henker, die das Hängen sehr in die Länge ziehen können.“

      „Bei der Garotte auch“, sagte der Mann von der Casa genüßlich. „Ich bin sicher, daß er an den richtigen Mann gerät.“

      „Ich werde dazu jedenfalls tun, was ich kann.“

      Davon war der Beamte der Casa überzeugt. Er grüßte knapp und ging zu der Kutsche hinüber, vor der sich ein Dutzend bewaffnete Männer aufhielten.

      „Laufen müßte der Kerl“, sagte einer der Soldaten erbost. „Aber nein, die adligen Herrschaften werden gefahren oder getragen, obwohl sie dem eigenen Land den Krieg erklärt haben.“

      Don Juan ließ die Bemerkungen gleichgültig über sich ergehen. Was wußten die Kerle schon von ihm und seinem Handeln? Sie hatten nicht die geringste Ahnung, um was es eigentlich ging. Seine Motive waren für sie ein Buch mit sieben Siegeln, und sie hatten es auch nie im Leben begriffen.

      Der Spanier blinzelte in das helle Sonnenlicht. Er lauschte aufmerksam den Gesprächen der Offiziere, um herauszuhören, was mit den Arwenacks geschehen war. Er vernahm jedoch kein Sterbenswörtchen darüber. Niemand erwähnte die Männer von der Schebecke. Das bedrückte ihn sehr, und er sann darüber nach, was wohl passiert sein mochte. Die Arwenacks waren jedenfalls losgesegelt, das stand fest. Oder hatten seine Landsleute die Schebecke in eine andere Bucht verholt? Auch das konnte er nicht herausfinden, denn jetzt forderte ihn eine barsche Stimme zum Einsteigen auf.

      Bevor er einstieg, sah er noch, daß mehr als ein Dutzend Soldaten der Kutsche Geleit gaben. Vierzehn Bewacher waren es insgesamt, außer Don Pedro und den beiden Kutschern. Sie alle waren beritten. Sechs Soldaten setzten sich vor die zweispännige Kutsche, der Rest ritt hinterher.

      Don Juan stieg ein und erhielt von Don Pedro einen Tritt.

      Wuterfüllt fuhr er unglaublich schnell herum. Die Arme mit den Ketten hoben sich blitzschnell. Der Erste Offizier wich erschrocken einen Schritt zurück und richtete die Pistole auf ihn.

      „Schließt den Kerl an den Querholm der Kutsche“, befahl er mit bleichem Gesicht. „Der ist ja gefährlicher als tausend Nattern.“

      „Tun Sie das nicht noch einmal“, sagte Juan de Alcazar drohend.

      Zwei Mann schlossen ihn mit einer zusätzlichen Kette im Innern der Kutsche an. Er konnte sich nur noch sehr knapp bewegen.

      Don Pedro nahm in der geräumigen Kutsche ihm gegenüber Platz. Sein Gesicht war verkniffen, seine Augen blickten tückisch.

      „Losfahren!“ befahl der Erste.

      Die Kutsche ruckte an. Don Pedro stand auf und zog die Vorhänge vor die Scheiben, bis im Innern Dämmerlicht herrschte. Aus seiner Position konnte Don Juan draußen nichts sehen. Don Pedro hingegen hatte einen begrenzten Ausblick.

      Pferdegewieher war zu hören, ein paar Stimmen, das Klirren von Waffen. Etliche Spanier trugen Hellebarden und waren zusätzlich mit Musketen und Pistolen bewaffnet.

      Die beiden Männer in der Kutsche musterten sich feindlich. Don Juan dachte an Flucht, er dachte aber auch über die Aussichtslosigkeit eines solchen Versuches nach. Er war gefesselt und unbewaffnet, und er hatte mehr als ein Dutzend berittener Kerle gegen sich, die vor Waffen nur so starrten.

      Vorerst war jeder weitere Gedanke an eine Flucht zwecklos. Er lehnte sich in die Ecke zurück und war nach kurzer Zeit eingeschlafen, was Don Pedro maßlos ärgerte. Dieser Verräter schlief in aller Seelenruhe, und er selbst mußte bei der langweiligen Fahrt wach bleiben. Außerdem tat der Kerl so, als ginge ihn das alles nichts an. Der schien überhaupt keine Nerven zu haben, obwohl er genau wußte, was ihm in Kürze bevorstand.

      Während er die Pistole auf Don Juan richtete, stieß er ihn mit dem Stiefel an.

      Don Juan war sofort hellwach.

      „Hier wird nicht gepennt“, knurrte Don Pedro. „Sie befinden sich nicht auf einer Spazierfahrt.“

      „Das dachte ich mir fast“, sagte Don Juan, „deshalb brauche ich vermutlich keine Passage zu bezahlen.“

      Er lehnte sich wieder zurück und schloß die Augen, bis das Spiel sich wiederholte und Don Pedro ihn erneut ärgerlich anstieß.

      „Ich habe nur die Augen geschlossen, um Ihren Anblick nicht länger ertragen zu müssen“, sagte er ruhig.

      „Das können wir recht bald ändern“, erwiderte Don Pedro tückisch. „Ich werde Sie von dem Anblick befreien.“ Er lachte kurz und stoßartig auf.

      Etwas später gab er den Befehl zum Halten an den Kutscher. Der ganze Troß stoppte.

      Don Pedro stieg aus.

      „Nehmt ihm die Fußfesseln ab und verbindet ihm die Augen!“ befahl er einem Soldaten. „Dann schließt ihn mit einer weiteren Kette hinten an die Kutsche an. Der Kerl wird renitent und aufsässig. Das Laufen wird ihm guttun.“

      Don Juan sah gerade noch, bevor sie ihn aus der Kutsche zerrten, daß sie sich auf einem staubigen ausgefahrenen Weg in einem größeren Olivenhain befanden. Dann wurde es auch schon dunkel, als sie ihm die Augen verbanden.

      Don Pedro ließ seine Boshaftigkeit an dem Hilfslosen aus.

      „Jetzt können Sie weiterpennen, Sie Bastard. Und vergessen Sie nicht das Laufen. Es geht jetzt lustig über Stock und Stein.“

      Er hörte die Soldaten lachen. Sie freuten sich offenbar darüber, daß er ein bißchen gequält wurde.

      Gleich darauf wurde die Fahrt fortgesetzt. Don Juan fühlte plötzlich einen brennenden Schmerz am Kopf. Den Knall hörte er gleichzeitig. Im ersten Augenblick glaubte er, einer der sadistischen Kerle hätte auf ihn geschossen, dann erkannte er seinen Irrtum.

      Es war einer der beiden Kutscher, der anscheinend ebenfalls seine sadistische Ader entdeckt hatte oder auf Befehl Don Pedros so handelte.

      Er spielte „Glückstreffer“, wie die Kerle das höhnisch nannten. Hin und wieder schlug er mit der langen Peitsche vom Kutschbock aus nach hinten. Manchmal traf er, mitunter aber knallte die Lederschnur an die Wand der Kutsche. Wenn er traf, stieß er ein meckerndes Gelächter aus, in das der andere Kerl mit einfiel.

      Die Pferde liefen schneller. Don Juan wurden fast die


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