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einen Artikel über den algerischen Unabhängigkeitskampf zu schreiben.
Brahimi hatte zuvor die algerische Nationale Befreiungsfront in Tunis und andernorts repräsentiert. Neben seinem Botschafterposten war er Untergeneralsekretär der Arabischen Liga für kulturelle Angelegenheiten. Später wurde er Botschafter in London und arbeitete für die UNO-Friedenssicherung. Schließlich wurde er algerischer Außenminister und beendete seine Karriere mit dem Versuch, zwischen den syrischen Kriegsparteien Friedensgespräche zu etablieren. Im Laufe der Jahre wurden wir enge Freunde.
Ich lernte das Feshawi kennen, das berühmteste Tee- und Kaffeehaus in Chan el-Chalili, dem Suk in der Kairoer Altstadt. Das Feshawi, 1773 eröffnet, war ein Lieblingsort von Journalisten, Schriftstellern und Akademikern, die in ihren Wasserpfeifen Haschisch rauchten und bei Tee über Politik diskutierten.
Godfreys Freund Khaled Muhieddine holte mich in seinem schwarzen Fiat im Omar-Khayyam-Hotel ab; auf der Seite des Autos prangten zwei Sterne, ein Zeichen, dass er dem revolutionären Komitee der Freien Offiziere angehörte. Um sicherzugehen, dass wir nicht abgehört wurden, unterhielten wir uns bei einem Spaziergang auf dem Gelände des Gezira Clubs. Als ich später vor dem Hotel aus dem Auto stieg, salutierte der Portier.
Beirut, Libanon, 1965/66
Wenngleich Godfreys Rolle als Chefredakteur eigentlich eine ehrenamtliche sein sollte, kam er regelmäßig ins Büro des Middle East Forum, zwei Zimmerchen, nachträglich auf das Dach der Alumni-Vereinigung der American University of Beirut (AUB) gebaut, gleich neben dem Universitätsspital. Die Räume, im Sommer glühend heiß und im Winter eiskalt, teilten wir uns mit einer fröhlichen, kräftigen jungen Sekretärin namens Alice, die in ihrem Job ein ziemlich hoffnungsloser Fall war. Godfrey nannte mich in variierend gebieterischem Tonfall weiterhin »Miss F.«, am Telefon wie auch persönlich. Ich fand das etwas einschüchternd, bis ich merkte, dass er einfach so war; Er wollte gar nicht brüsk oder herrisch sein.
Als es Sommer wurde, tauchte Godfrey in einem kurzärmligen Safarihemd und goldfarben bestickten Schnabelschuhen aus Rajasthan auf. Alice kicherte. Als er zu einer Party auf meiner großen Terrasse kam, sprang mein Pudel Nana an ihm hoch und hinterließ auf seinem weißen Achkan staubige Pfotenabdrücke. Es schien ihm nichts auszumachen. Nana, anfangs eifersüchtig, mochte ihn irgendwann und blieb über Weihnachten bei ihm, als ich wieder nach Kairo fuhr, abermals auf Autorensuche.
Bis etwa um Ostern herum dachte keiner von uns beiden an die Möglichkeit einer Beziehung; danach konnten wir uns nicht mehr vorstellen, voneinander getrennt zu sein.
Araya, Libanon, Frühjahr 1966
Im Haus von Prue und Ian Seymour kam ihre Tochter Liza, zwei Jahre alt, hellblond, die Treppe heruntergesaust und schlang ihre Arme um Godfreys Knie. Mit ihrem »Goffey, Goffey!« schuf sie den liebevollen Spitznamen »Gof«. Godfrey mochte ihn lieber als seinen Geburtsnamen; in seinen Augen hatten seine Eltern bei allen fünf Kindern ein Faible für unpassende Namen gehabt: Albert, Eunice, Elaine und Daphne, genannt D, hießen seine vier Geschwister. Zwei waren hellhäutig – Eunice und Elaine –, drei der Kinder dunkel, wenngleich sie nur zu einem Viertel indischstämmig waren. Ihr Vater stammte aus einer der jahrhundertealten europäischen Familien des indischen Subkontinents, die als »ansässige Europäer« galten, während ihre Mutter anglo-indischer Herkunft war, der Gemeinschaft entstammte, der in Indien letztlich die gesamte Familie zugerechnet wurde. Elaine wanderte nach Großbritannien aus, wo sie als zurückgekehrte Engländerin durchging.
Tabarja und Antelias, Libanon, 13. April 1975
Ich weiß nicht mehr, warum John und Peggy Carswell ihr Ostermahl in diesem Jahr laut orthodoxem Kalender eine Woche zu früh veranstalteten. Wir kamen in Tabarja unter einem schiefergrauen Himmel zusammen. Das alte libanesische Haus mit seinen hohen Decken war recht karg, außer dem alten, ausgestopften Babyelefanten im Salon. Es gab Lammbraten mit Reis, der blau, rosa und gelb gefärbt war, nach einem mittelalterlichen Rezept, das John in einem uralten Buch im British Museum gefunden hatte. »Ich habe das Schaf aus Aleppo geholt. Beim Gottesdienst habe ich mich in die erste Reihe gesetzt«, witzelte John und sein borstiger Schnurrbart zuckte über seinem feinen Lächeln. Zum Abschluss des Mahls gab es reichlich Gorgonzola, Birnen und Rotwein. Ein feiner Regen setzte ein.
Als es dämmerte, fuhren wir auf der Küstenstraße in Richtung Süden nach Beirut. Hinter Antelias mussten wir immer wieder anhalten. Kontrollpunkte. Soldaten. Raue bewaffnete Männer in Zivil. Godfrey schaltete das Autoradio ein und wir hörten gerade noch das Ende einer Nachrichtenmeldung. »Dreißig Palästinenser und mindestens vier Christen wurden getötet, in Ain-el-Remmaneh sind Unruhen ausgebrochen …« Der Moderator zählte die betroffenen Viertel auf, als handele es sich um den Wetterbericht.
Das Massaker von Ain-el-Remmaneh war der Höhepunkt monatelanger Spannungen und gewaltsamer Zwischenfälle, die mit Streiks einhergingen. Im Dezember 1974 hatte das Fischereiunternehmen des ehemaligen Präsidenten Camille Chamoun versucht, vor der Küste von Sidon ein Monopol zu errichten, was zu Fischerprotesten im Süden von Beirut geführt hatte, die sich bis in den Norden ausbreiteten. Am 26. Februar 1975 organisierte der charismatische Abgeordnete Marouf Saad in Sidon Massenproteste. Als Saad in der ersten Reihe der Demonstration mitmarschierte, wurde er angeschossen – es hieß, von einem Armeescharfschützen – und starb eine knappe Woche später. Seine Beisetzung am 7. März brachte das sunnitisch geprägte Sidon und Saads Verbündete in den nahegelegenen palästinensischen Flüchtlingslagern gegen die maronitisch dominierte Oberschicht auf.
Am Tag, als Maryas Schule geschlossen wurde, schickte Godfrey seinen ersten Bürgerkriegsbericht an den Economist.
Beirut, Libanon, Februar 1976
»Lass uns bei Brahim vorbeischauen, wenn wir in der Stadt sind«, sagte Godfrey, als wir auf der Schnellstraße nach Beirut fuhren. Wir stellten das Auto vor dem Farid-el-Atrache-Nachtclub in Raouché ab und gingen in die Lobby des schäbigen Wohnblocks. Bevor wir die Treppe zu Brahims Wohnung hätten hinaufgehen können, hielt uns der Concierge an. »Ustad* Brahim ist im Universitätsspital.« Seit wann? »Seit drei Tagen.«
Auf dem Fußboden vor seinem Krankenzimmer stand ein großer Blumenstrauß. Im Bett saß ein Mann mit verbranntem, verquollenem Gesicht, die Hände verbunden, den Körper mit einem leichten Tuch bedeckt. Er krächzte eine Begrüßung. »Das wussten wir nicht«, sagte Godfrey. Marya wich entsetzt zurück, ich sagte nichts. Er war nicht wiederzuerkennen.
Jemand, ich weiß nicht mehr, wer, erzählte uns, Brahim sei in die Zeitungsredaktion der irakischen Baath-Partei gegangen, eben in jener Nacht, als die Syrer zuschlugen. Als der Chefredakteur an seinem Schreibtisch umgebracht wurde, war Brahim schon in den Keller gegangen, um sich die arbeitenden Druckerpressen anzusehen. Er liebte den Geruch der Druckertinte, das Zischen und Klappern der Pressen. »Die Syrer haben über eine Rampe Benzinfässer in den Keller gerollt. Jeder, der fliehen wollte, wurde erschossen. Brahim hat sich auf dem Boden zusammengekauert, unter dem Rauch, bis er sich wieder hinaustraute. Die Blumen sind vom syrischen Informationsminister.«
Wir fuhren mindestens jeden zweiten Tag nach Beirut. Brahim erholte sich allmählich, sein entzündetes Gesicht nahm wieder seine normale Größe und Form an; den verbrannten Körper wuschen wir ihm mit kaltem Wasser. Christianne, seine Frau, kam aus Kairo, ebenso Jacqueline, seine zweite Ehefrau. Seine Lebensgeister kehrten zurück, aber das Krankenhausessen konnte er nicht ausstehen. Ich kochte Rahmspinat und machte Götterspeise aus frischgepresstem Orangensaft, weiche Speisen, die nach etwas schmeckten. Brahim wurde stärker und machte wieder Witze. Er redete mit Godfrey über den Krieg. Gerade, als er zu genesen schien, fanden wir ihn eines Tages auf der Intensivstation, an Maschinen angeschlossen; er atmete röchelnd. Godfrey setzte sich zu ihm und hielt seine Hand, bis er starb. Der Arzt sagte, wenn er kein Raucher gewesen wäre, hätte er vielleicht überlebt.
Brahim war einer von Godfreys ältesten und engsten Freunden. Sie hatten sich in Kairo kennengelernt, während Godfreys erster Entsendung als Presseattaché in der ersten ägyptischen Vertretung des unabhängigen Indiens. Wie Muhammad Sid Ahmad – und