Aerial Passion Trainerguide. Nadine Rebel
Aufgrund der vielen Gemeinsamkeiten, sowohl der Sportart Poledance als auch der Sportart Aerial Hoop, dient dieses Buch Trainern beider Sportarten als Nachschlagewerk und Anleitung für die Gestaltung von Kursstunden.
Trainerrolle
Die meisten Kursstunden geben einem Trainer genau das, was er von seinem Job erwartet: Glückselige Gesichter; Teilnehmer, die über sich hinauswachsen; Zeit, die verfliegt; Figuren und Tricks, die aufgrund der richtigen Erklärung auf einmal klappen; Personen, die sich mit der Hilfestellung des Trainers trauen, etwas zu wagen, was sie sich alleine nicht zutrauen würden und eine Gruppe von Kunden, die zufrieden und mit guter Laune das Studio wieder verlässt.
Die Anforderungen an Trainer sind vielfältig, wollen diese kompetent lehren und unterrichten.
Und dann gibt es noch die anderen Kursstunden, die genauso normal sind und durch die ein Trainer auch durch muss: Teilnehmer, die nicht ganz so konzentriert bei der Sache sind; Moves und Tricks, die auch nach der gefühlten 100sten anders gewählten Erklärung seitens des Trainers oder der Tainerin dem Kunden oder der Kundin wie ein Buch mit sieben Siegeln erscheinen; eine Stimmung, die wie das in die Köpfe gezogene Novemberwetter erscheint und die sich niemand so richtig erklären kann.
Oder aber man hat es als Trainer selbst nicht ganz einfach, weil es einem nur schwer gelingt, den beruflichen und familiären Alltag vor der Studiotür zu lassen, um ganz für seine Kunden und Kundinnen da zu sein. Die To-Do-Liste der Dinge, die nach den Kursstunden noch erledigt werden sollen, ploppt immer wieder auf, die Sorgen und Gedanken sind wie dumpf wimmernde Stimmen, die ihren Tribut zollen.
Für derartige Divenanwandlungen ist kein Platz in einer Kursstunde. Ein Trainer ist Dienstleister, seine Aufgabe ist es zu dienen und zu leisten und für die Zeit des Kurses oder der Kurse komplett in der doch meist freiwillig gewählten Aufgabe aufzugehen.
Normale Kollateralschäden, die einen Trainer eben auch betreffen, gilt es auszublenden. Man kann keine schlechtere Leistung bringen, nur weil einem von der letzten Fortbildung noch alles weh tut, im Bauch eine Messerstecherei herrscht oder man müde ist und sich der Körper gerade überlegt, ob er eine Erkältung ausbrüten soll oder nicht.
Die Gründe, die eine Person dazu bewegen, Trainer zu werden, oder Trainer sein zu wollen, sind unterschiedlich. In vielen Fällen geht diesem Beruf eine Berufung voran. Es ist der Wunsch, das was man selbst als wertvoll erachtet, auch an andere weitergeben zu wollen.
Die positiven Empfindungen, die man selbst in der Ausübung der Sportart erlebt, möchte man auch anderen zukommen lassen, um und dabei zusehen zu können, wie diese Personen wachsen, über sich hinaus wachsen, eigene Denkzäune einreißen, die eigenen Grenzen überwinden und immer besser werden.
Die in diesem Falle einsetzende Dankbarkeit dem Trainer oder der Trainerin gegenüber nimmt man dabei natürlich gerne mit.
Dabei sind die anfänglichen Vorstellungen oftmals romantisch verzerrt. Trainer sein bedeutet viel mehr als eine Handvoll Moves und Tricks, Spins und Haltefiguren erklären zu können und soweit wie möglich sicherzustellen, dass alle Teilnehmer den Kursraum ohne größere Schäden an Leib und Seele wieder verlassen.
Seit Mitte Oktober 2017 gilt Poledance als anerkannte Sportart. Aerial Hoop, Silks (Tuchakrobatik) und andere Luftsportarten folgen vielleicht in den nächsten Jahren oder hatten nie das Problem, welches Poledance hatte, da man letztere immer schon eher mit Zirkusakrobatik als mit irgendetwas anderem assoziiert hatte.
Somit wachsen auch die Anforderungen an den Trainer. Bisher waren viele Personen der Meinung, es reiche aus, sich einen Raum zu mieten, ein bis x Stangen dort aufzustellen, sich Trainer zu nennen und Kunden zu bekommen. Mit der wachsenden Anerkennung wachsen die Aufgaben und auch die Ansprüche, die an Trainer dieser Sportarten gestellt werden.
Etwas selbst zu können bedeutet nicht gleichermaßen, es einer anderen Person auch vermitteln oder lehren zu können. Empathie, didaktische Grundkenntnisse, soziologisches Wissen sind fundamentale Bestandteile eines Trainerdaseins und werden häufig vernachlässigt oder in vielen Fällen gar nicht als notwendig angesehen.
Neben sportlichen Fähigkeiten sind auch didaktische und psychologische Kenntnisse notwendig.
Immer wieder fällt auf, dass die Kompetenz, einen Move auszuführen oder einen Spin besonders lange zu halten, mit der Fähigkeit dieses Können als Wissen weitergeben zu können gleichgesetzt oder verwechselt wird.
Die Rolle eines Trainers ist dabei vielschichtig. In vielen Fällen ist der Trainer auch Koordinator oder gar Studioinhaber. Seine Aufgaben umfassen nicht nur die Betreuung der Teilnehmer in einer Kursstunde.
In der Rolle eines Trainers ist man Zuhörer, Motivator, Kümmerer, Empath, Tröster, Diskjockey, Choreograph, Teammanager und manchmal ein bisschen Psychotherapeut.
Das Trainerdasein auf das Fundament der eigenen sportlichen Fähigkeiten aufzubauen, reicht nicht aus.
Ein Trainer ist Förderer und Forderer, Entertainer und Mädchen für alles. Wer bereit ist, die eigenen sportlichen Fortschritte zugunsten des Fortschritts der Kursteilnehmer in den Hintergrund zu stellen und die Vielschichtigkeit des Trainerdaseins als gegeben hinzunehmen, der hat gute Voraussetzungen, mehr als ein paar Monate in diesem Beruf tätig sein zu können.
Sind die Grundvoraussetzungen gegeben, kann das Fachwissen jederzeit erworben werden.
Fehlen die Grundvoraussetzungen, die klare Linie, die Bereitschaft zu einem klaren »Ja« zum Beruf, aber auch die Fähigkeit an den richtigen Punkten »Nein« sagen