Geschwistergeschichten. Arlette Schnyder
Verstehen und Liebe. Auch dieser Zögling blieb ihr anhänglich bis zu seinem frühen Fliegertod.»44 Erst 1943 kehrte die 68-Jährige in die Schweiz zurück. Sie wohnte mit ihrer jüngeren Schwester Hanna bis zu deren Tod in Zofingen, dann in Zürich mit ihren zwei jüngeren Halbschwestern Rosa und Martha. Dort starb sie 1954 im Alter von 79 Jahren an den Folgen von Diabetes.
6 Hedwig Schnyder, um 1920.
HANS SCHNYDER
Hans Schnyder kam 1877 in Fehraltorf zur Welt, ging in Zofingen zur Schule und zog, frisch konfirmiert, mit der Familie nach Bischofszell. Sechzehnjährig wurde er ins Welschland geschickt, wo er, nach einer Vorbereitungszeit, eine Lehre als Postbeamter antrat. Er schloss drei Jahre später in Lausanne ab, machte seine Aspirantenzeit im sankt-gallischen Buchs und wurde dann Postkommis in Rorschach. Nach dem Tod des Vaters 1901 liess sich Hans als Postbeamter nach Bischofszell wählen. Er heiratete 1903 Hedwig Häberli, die Tochter des früheren Postverwalters von Bischofszell, welche das Amt der Telegrafin auf der Poststelle Bischofszell bekleidete. Zwischen 1903 und 1916 kamen drei Töchter und ein Sohn zur Welt. Letzterer wurde nur drei Monate alt. 1923 wurde Hans Schnyder die Leitung des Postamtes übertragen. Nebst seinem Beruf hatte er eine Fülle von Aufgaben im Städtchen Bischofszell. Er war Mitglied der evangelischen Kirchenvorsteherschaft, wirkte 42 Jahre lang als Armenpfleger, sass im Synodal -und im Kirchenrat des Kantons Thurgau, war Mitglied und Aktuar der Primarschulvorsteherschaft und war – nebst unzähligen Mitgliedschaften – in den Vorständen der Bürgerheim-Kommission, der Schweizerischen Reformationsstiftung, im Hilfswerk der evangelischen Kirchen der Schweiz und im Sonntagsheiligungs-Verein. Hans Schnyder überlebte seine Frau um 10 Jahre und starb im Alter von 81 Jahren.
7 Hans und Hedwig Schnyder-Häberli mit ihren drei Töchtern, Bischofszell um 1932.
HANNA SCHNYDER
1878 brachte Luise Schnyder ihr fünftes Kind zur Welt. Hanna war zweijährig, als sie mit der schwangeren Mutter, dem Vater und ihren vier älteren Geschwistern nach Zofingen umzog, wo die Mutter wenige Monate später an der Geburt des sechsten Kindes starb. Hier wuchs Hanna mit ihren älteren Geschwistern, der «neuen Mutter»45 und den bald folgenden sechs kleineren Geschwistern auf. Mit 14 erlebte sie den Umzug der Familie nach Bischofszell, wo sie die Sekundarschule besuchte und konfirmiert wurde. Hanna wurde nach Morges in ein als Ecole Supérieure benanntes Mädcheninstitut geschickt. An der Neuen Mädchenschule in Bern absolvierte sie den Kurs für Kindergärtnerinnen. Dazwischen wohnte sie in Bischofszell, sorgte für die jüngeren Geschwister und half im Haushalt. 1898 begleitete sie ihren ältesten Bruder, den jungen Pfarrer, als Haushälterin während sieben Jahren in seiner ersten Gemeinde im St. Galler Oberland in Nesslau. In dieser Aufgabe musste sie nicht nur Sonntagsschule unterrichten, sondern auch andere Aufgaben einer Pfarrfrau übernehmen. 1906 trat sie auf eigenen Wunsch in das Diakonissenhaus Neumünster in Zürich ein, wurde aber noch im selben Jahr von ihrer Familie an das Sterbebett ihrer alten Tante nach Basel gerufen. Sie blieb nach deren Tod während 15 Jahren als Pflegerin bei ihrem hörbehinderten Onkel Gustav Peyer, bis dieser 1921 starb. Zwei Jahre arbeitete sie als Haushälterin ihres Vetters Hans Burckhardt-Burckhardt in Basel. Nach dessen Tod zog sie 1923 nach Zofingen, wo sie ihre Tante, Pauline Peyer, ebenfalls bis zu ihrem Tod als Gesellschafterin und Pflegerin begleitete. Sie blieb in Zofingen und wohnte dort mit ihrer Schwester Hedwig, bis sie 1949 an den Folgen von Diabetes 71-jährig starb.
8 Hanna Schnyder, um 1930.
SOPHIE HABLÜTZEL-SCHNYDER
Als erstes Kind der Caroline Schnyder-Wyttenbach und des Johannes Schnyder kam Sophie in Zofingen zur Welt, wo sie die Primarschule besuchte. Nach dem Umzug nach Bischofszell und dem Wegzug aller grösseren Geschwister schien Sophie am neuen Ort Probleme zu haben. Die Eltern schickten die begabte Schülerin 1895, mit 13 Jahren, in ein christliches Internat im deutschen Willhelmsdorf. Die Ferien verbrachte sie in Augsburg bei der Schwester der Mutter. Zur Konfirmation kehrte Sophie 1899 nach Bischofszell zurück. Bis 1902 besuchte sie das Lehrerinnenseminar an der Neuen Mädchenschule in Bern, dazwischen wohnte sie bei einer Pfarrersfamilie in Avenches. Nach dem Seminar unterrichtete Sophie während drei Jahren an der «Schule für schwachbegabte Kinder» in Mauren im Kanton Thurgau. 1905–1907 hielt sie sich in New Jersey, USA, als Erzieherin bei einer Familie, auf. Sie kehrte zurück und wurde 1909 als Lehrerin ins Frauenfelder Langdorf-Schulhaus gewählt. 1916 kündigte Sophie ihre Stelle und reiste mit Walter Hablützel nach Aachen, wo sie den um zehn Jahre jüngeren Mechaniker ohne das Wissen ihrer Familie heiratete. Sie kehrte 1920 nach Basel zurück, ihr Mann war seit längerem wieder in der Schweiz, die Ehe zerrüttet. In Basel arbeitete Sophie bei einer jüdischen Familie als Erzieherin, besuchte dank finanzieller Unterstützung eines Onkels 1923/24 eine Handelsschule und trat danach die Stelle einer Sekretärin in der Basler Mission an. Sie arbeitete bis 1932 für den Direktor und den Präsidenten der Basler Mission und war vor allem für Übersetzungen sowie Korrespondenzen zuständig. 1932 nahm sie sich das Leben.
9 Sophie Schnyder, Zürich 1910.
ROSA SCHNYDER
Rosa Schnyder, 1885, war das dritte Kind Caroline Schnyders. Ihr ein Jahr älterer Bruder Paul starb mit zwei Jahren an einer Lungenentzündung. Rosa besuchte die Primarund Sekundarschule in Bischofszell, kam, wie ihre Schwester Hanna, in Pension nach Morges, verbrachte ein Haushaltlehrjahr zu Hause bei der Mutter und wurde dann nach Augsburg zur Schwester der Mutter geschickt, wo sie das Sprachlehrdiplom an der Höheren Mädchenschule absolvierte. 1905–1911 lehrte Rosa am Töchterinstitut Lindau Englisch und Französisch. Nach der Auflösung einer Verlobung reiste sie nach England, wo sie Lehrerin und Erzieherin einer Kapitänstochter war. Sie kehrte knapp vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs an ihre alte Stelle in Lindau, auf der deutschen Seite des Bodensees, zurück. Dort unterrichtete sie, bis sie 1917 die Stelle einer Sprachlehrerin am Evangelischen Töchterinstitut in Horgen antreten konnte. Im Winter 1919/20 bildete sich Rosa in Florenz als Sprachlehrerin für Italienisch weiter. Von 1920 bis 1950 wirkte sie als Lehrerin in Horgen und wohnte mit ihrer Schwester Martha im Töchterinstitut. Nach der Pensionierung verbrachte sie einen Winter im Piemont und betreute alte Waldenser,46 dann zog sie nach Zürich, wo ihre jüngere Schwester Martha ihr gemeinsames Heim eingerichtet hatte. Die Lehrerin verdiente weiterhin ihren Lebensunterhalt mit Privatstunden, da die Altersvorsorge der Schwestern nicht ausreichte. Sie starb 1972, 87-jährig, unerwartet an den Folgen eines Katarrhs in ihrer Wohnung bei ihrer Schwester.
10 Rosa Schnyder, um 1930.
MARTHA SCHNYDER
1987 gebar Caroline ihre dritte Tochter, Martha. Mit ihrer eineinhalb Jahre älteren Schwester Rosa verband Martha nicht nur eine enge Freundschaft seit ihrer Kindheit. Auch ihre Biografie ist ähnlich. Beide Schwestern wurden – trotz Altersunterschied – gemeinsam konfirmiert, sie galten als «Zwillinge». Nur gerade ein Jahr nach Rosa kam Martha nach Morges, dann folgte das obligate Haushaltlehrjahr