Die Katholizität der Kirche. Dominik Schultheis

Die Katholizität der Kirche - Dominik Schultheis


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eine, heilige, katholische und apostolische Kirche versammelt wird“ („una, sancta, catholica et apostolica Ecclesia“) (LG 26,1). Theologisch wird hier der Schlüssel geliefert, wie das in LG 23,1 angeklungene „in quibus et ex quibus“, also das spannungsreiche Verhältnis zwischen Universalkirche und Ortskirchenn, zu verstehen ist. „Catholica“ wird hier in seiner qualitativen Bedeutung verwendet und verweist auf das dritte der vier notae ecclesiae.

      Artikel 28 behandelt im Kontext des dreistufigen Weiheamtes der Kirche das der Priester und erläutert neben deren Aufgaben deren besondere Beziehung zu Christus und zu den Bischöfen. LG 28,4 mahnt die Priester zu einem Habitus und einer Fürsorge, die „für Gläubige und Ungläubige, Katholiken und Nichtkatholiken das Antlitz eines wahrhaft priesterlichen und hirtenmäßigen Dienstes zeigen“ („fidelibus et infidelibus, catholicis et non catholicis, faciem ministerii vere sacerdotalis et pastoralis exhibere“); ferner sind sie aufgerufen, „als gute Hirten auch jene [zu] suchen […], die sich, obwohl sie in der katholischen Kirche getauft sind, von der Praxis der Sakramente oder gar vom Glauben entfernt haben“ („ut boni pastores illos quoque quaerere […], qui baptizati quidem in Ecclesia catholica a praxi sacramentorum, vel imo a fide defecerunt“). „Catholici“ bzw. „noncatholici“ bezeichnen hier analog zu „fideles“ und „infideles“ die Katholiken bzw. Nichtkatholiken; „Ecclesia catholica“ meint die katholische Kirche im konfessionellen Sinne.

      Im achten und letzten Kapitel der Kirchenkonstitution widmen sich die Konzilsväter der Mariologie und ihrer ekklesiologischen Bedeutung. Dreimal wird das Adjektiv „catholicus“ verwendet – jeweils im konfessionellen Sinn. In LG 53,1 ist von der „Catholica Ecclesia“ die Rede, wobei „katholisch“ wieder groß geschrieben ist. Ob dieser Befund zu vernachlässigen ist oder im Kontext der Änderung des ursprünglichen Titels gesehen werden muss („Über die selige Jungfrau Maria, die Mutter Gottes und die Mutter der Menschen“ wurde im Zuge der zweiten Sitzungsperiode in „Über die selige Jungfrau Maria, die Mutter der Kirche“ verändert), bleibt offen. Otto Semmelroth weist in seinem Kommentar darauf hin, dass der geänderte Titel in: „Maria, die Mutter der Kirche“ zwar „theologisch korrekt verstanden werden kann, […] [je]doch die Frage [offen bleibt], ob hier ‚Kirche’ so gesehen wird, wie es dem katholischen Kirchenbegriff entspricht.“273 So würde ein tatsächlich weiterer Kirchenbegriff in LG 53,1 im Sinne von „Catholica“ als Kirche Jesu Christi die Mariologie auch den nichtkatholischen Christen als ekklesiologisch bedeutsam vorstellen, was für die meisten aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen so nicht gilt. Also ist davon auszugehen, dass trotz Großschreibung hier von der katholischen Kirche im Sinne der Konfession die Rede ist, so wie auch in LG 54,1 von den katholischen Schulen („scholis catholicis“) und in LG 67,1 von der katholischen Lehre („catholicam doctrinam“) im konfessionellen Sinne gesprochen wird.

       1.4Die Verwendung in OE

      Im ebenfalls am 21.11.1964 verabschiedeten Dekret über die katholischen Ostkirchen lässt sich insgesamt neunzehnmal das Adjektiv bzw. Substantiv „catholicus“ (vgl. Titel; OE 1; 2; 4; Fußnote 7 zu OE 6; 18; 25; Fußnote 29 zu OE 24; 26; 27; 28; 30,1) finden.

      Bereits die Überschrift des Dekrets „Decretum de ecclesiis orientalibus catholicis“ beinhaltet das Adjektiv „catholicus“; dieses wurde gegenüber der ursprünglichen Fassung aufgrund von über 100 Eingaben eingefügt274. Bernd Jochen Hilberath weist in seinem Kommentar darauf hin, dass der Begriff „catholicus“ hier weiter zu verstehen ist als die reine Denominationsbezeichnung „katholisch“ im Sinne von „römisch-katholisch“, da diejenigen Kirchen inkludiert seien, die „ursprünglich und im Wesentlichen im Osten (des Römischen Reiches) beheimatet […] [, wohl aber] mit der römisch-katholischen Kirche verbunden sind. […] Insofern diese Kirchen das Papsttum anerkennen, sind sie ‚römisch-katholisch’; insofern sie ihre eigene Liturgie, ihr eigenes Kirchenrecht haben, sind sie ‚bloß’ katholisch, spiegeln sie die katholische Vielfalt (quantitative Katholizität) innerhalb der römisch-katholischen Kirche.“275 Nach Hilberath kommt dem Begriff „katholisch“ hier also eine „weitere“ konfessionelle Bedeutung zu, so dass die „Enge“ eines rein „Römisch“-Katholischen in der „Weite“ der Katholizität aufgeht.

      Faktisch war den Konzilsvätern damals die Chance geboten, Vertreter der mit Rom unierten Kirchen kennen zu lernen und so – im gegenseitigen Austausch und Ringen um Kompromisse – ein Stück „inner-römisch-katholischer Ökumene“ zu leben. Diese Form der Ökumene „nach innen“ als Ausdruck einer wohl verstandenen Katholizität „im Innern“ (Vielfalt in Einheit) kann als „Lernprozess“276 verstanden werden, dem sich die Konzilsväter stellten und den die Genese des kurzen, aber theologisch und ekklesiologisch bedeutsamen Dekrets widerspiegelt.277 Vor allem das Verhältnis von Universalkirche und Ortskirche war in den Beratungen um das Konzilsdokument immer wieder virulent, so dass das Schlussdokument sowie die vorbereitenden Beratungen für die bis heute aktuelle Diskussion wertvolle Impulse liefern und zu Recht als „Test der Katholizität“278 angesehen werden können. In diesem Zusammenhang sei der berechtigte Hinweis Hoecks betont, dass „es seine unleugbaren Vorteile und Vorzüge gehabt“ hätte, „die Abschnitte über die Partikularkirchen und die Patriarchalstruktur der Gesamtkirche […] in die dogmatische Konstitution über die Kirche und in das Dekret über das Bischofsamt einzubauen, um auf diese Weise eindeutig zum Ausdruck zu bringen, dass es sich hierbei […] um ur- und gesamtkirchliche Einrichtungen handelt“279.

      Das im Vorwort des Dekrets verwendete „Ecclesia catholica“ (OE 1) ist konfessionell, also im Sinne von „römisch-katholischer Kirche“ bzw. „lateinischer Kirche“ zu verstehen. Hoeck kritisiert die hier evozierte Gegenüberstellung bzw. Asymmetrie von „Orientalium Ecclesiarum“ und „Ecclesia catholica“ als zu „paternalistisch“280, bestätige dies doch die von den Melkiten und anderen Konzilsvätern geäußerte Befürchtung, „dass die katholische Kirche über die orientalischen Kirchen wie über von ihr getrennte Entitäten spreche“281. Die mit Rom unierten Ostkirchen verstehen sich aber gerade nicht als „Gegenüber“ zur römisch-katholischen Kirche und schon gar nicht als Gegenüber zur Catholica, sondern als ein Teil von ihr. Hier klingt die bleibende Herausforderung der Kirche an, das Verhältnis von Ortskirche und Universalkirche als perichoretisch zu begreifen, als eine Einheit in Vielfalt und eine Vielfalt in Einheit, wobei dieses Verhältnis nicht nur theoretisch und sprachlich korrekt beschrieben, sondern auch in kirchlichen Strukturen konkret erfahrbar werden muss, soll es nicht bloßes Ideal sein.282

      Artikel 2 nimmt zu Beginn die Universalkirche in den Blick, wenn sie von der „sancta et catholica Ecclesia“ spricht, die der „corpus Christi mysticum“ sei, bestehend „aus den Gläubigen, die durch denselben Glauben, dieselben Sakramente und dieselbe Leitung im Heiligen Geist organisch geeint werden und die […] Teilkirchen bzw. Riten bilden“ (OE 2). Hier klingen beide Dimensionen der Katholizität an: ihre intensive, in der Sakramentalität der Kirche fußende Fülle, sowie ihre extensive, in der in und aus vielen Ortskirchen existierenden Weite der Universalkirche.

      Der erste Satz geht auf einen Gegenvorschlag des melkitischen Bischofs Edelby, Mitglied der vorbereitenden Kommission und der späteren Konzilskommission, zum Schema „De Ritibus in Ecclesia“ zurück, der mit seinem Gegenentwurf die Ekklesiologie der unierten Kirchen entfaltet. Edelby kommentiert den Beginn des Dekrets wie folgt:

      „Von den ersten Zeilen an wendet unser Dekret eine Ekklesiologie der Universalkirche an, die diese beschreibt als eine Ekklesiologie der communio, der Präsenz des Mysteriums. Die Grundlagen sind: zuerst die Eucharistie als das gemeinsame Gut der ganzen Ortskirche; die Liebe, der Frieden, die Eintracht zwischen den Teilkirchen; die Liebe, die das gemeinsame Gut innerhalb der Universalkirche ist; die Kollegialität des Episkopats, unter dem Vorsitz der Koordination und Leitung durch den Primat des Bischofs von Rom. – So verstanden kann die Universalkirche als eine Gemeinschaft von Ortskirchen definiert werden, deren Einheit, ausgedrückt durch die Liebe und eingewurzelt in der Eucharistie, aufrecht erhalten wird durch das Kollegium der Bischöfe unter dem Primat des Papstes.“283

      Der


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