Die Katholizität der Kirche. Dominik Schultheis

Die Katholizität der Kirche - Dominik Schultheis


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UR 1; 3,1.2.4.5; 4,1.3.4.5.6.7.8.10.11; 8,2.3; 9; 10,2.; 11,1.2.3; 13,3; 14,4; 15,4; 17,2; 18; 19,1.3; 20; 21,3; 23,3; 24,1.2).

      Das erst in der letzten Fassung ergänzte Vorwort des Dekrets benennt die unmittelbare Förderung und langfristige Wiederherstellung der Einheit der Christen als wesentliche Hauptziele des Konzils (vgl. UR 1,1), deren innerer Motor in der von Christus gewollten Einheit und Einzigkeit des Christentums liegt.291 Die ökumenische Bewegung wird im zweiten Absatz als Werk des Hl. Geistes qualifiziert und als solche ausdrücklich gewürdigt als das vielfältige Bemühen vieler Christen um die „eine[…] und sichtbare[…] Kirche Gottes“ (UR 1,2). In UR 1,3 drücken die Konzilsväter ihre Freude über die ökumenische Bewegung aus; sie geben ihre Ausführungen „allen Katholiken“ („Catholicis omnibus“) – „catholici“ wird hier im Sinne der Denominationsbezeichnung „römisch-katholisch“ verwendet292 – als „Hilfen, Wege und Weisen“ (UR 1,3) an die Hand, damit diese sich ihrer Berufung zur Einheit hin bewusst werden und ihr öffnen.

      Die folgende Überschrift des ersten Kapitels des Dekrets: „Die katholischen Grundsätze des Ökumenismsus“ („De catholicis oecumenismi principiis“) beinhaltet ebenfalls das Adjektiv „catholicus“; auch hier wird „katholisch“ im Sinne der Konfession „(römisch-)katholisch“ verwendet. Betrachtet man die lange Genese293 des Dekrets, fällt auf, dass im ersten Schema „De Oecumenismo“ vom 23.4.1963 gegenüber dem zweiten Schema vom 24.4.1964 und dem endgültigen Text die Überschrift des ersten Kapitels noch anders lautete, nämlich: „Die Grundsätze des katholischen Ökumenismus“ („De Oecumenismi catholici principiis“)294. Mag die formale Änderung auch marginal wirken, so ist mit ihr doch dasjenige untermauert, was inhaltlich bereits im Prooemium zum Ausdruck gebracht wird, dass nämlich das Konzil keinen „(römisch-)katholischen Alleingang“ in der Ökumene beschreitet, sondern die außerhalb ihrer selbst initiierte Ökumenische Bewegung, auch ohne Mitglied im Weltkirchenrat (ÖRK) zu sein, anerkennt und ausdrücklich begrüßt.295

      In UR 2 ist nicht expressis verbis von der (römisch-)katholischen Kirche die Rede; zumindest sucht man in diesem Artikel das Adjektiv „catholicus“ vergeblich. Und doch ist davon auszugehen, dass die Konzilsväter die Auffassung vertreten, dass die hier beschriebene Kirche Jesu Christi in der (römisch-)katholischen Kirche subsistiert (vgl. LG 8). Im Zusammenhang mit der vom Schreiben der Glaubenskongregation: „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten“ (2007) wieder angestoßenen Diskussion um das „subsistit in“296 ist mit Feiner zu sagen:

      „Da aber der Text deutlich sagt, dass die Kirche in der von Christus gewollten, insbesondere auch durch die Nachfolger Petri gewährleisteten Einheit durch die Zeiten schreite, lässt er auch keinen Zweifel, dass nach katholischem Glaube die Kirche Christi eben in der katholischen Kirche verwirklicht ist, die auch die erwähnten sichtbaren Elemente der Einheit aufweist. Trotzdem ist es für die folgende Darlegung entscheidend, dass hier Kirche Christi und katholische Kirche nicht einfach identifiziert werden und dass anstatt ‚Kirche Christi’ nicht einfach ‚katholische Kirche’ gesagt wird. Damit bleibt die Frage offen (die im folgenden Text beantwortet wird), ob die Kirche Christi nicht auch in anderen christlichen Glaubensgemeinschaften auf irgendeine Weise gegenwärtig sei. Wenn die Kirche, wie es in diesem Artikel geschieht, als Communio gesehen wird, d.h. als komplexe Gemeinschaftswirklichkeit, deren Einheit durch zahlreiche und verschiedenartige Faktoren bewirkt wird, so bleibt die Möglichkeit offen, dass sich auch in christlichen Glaubensgemeinschaften außerhalb der katholischen Kirche kirchenbildende Elemente vorfinden, die diesen Gemeinschaften kirchlichen Charakter verleihen. Die eine Kirche Christi kann also auch außerhalb der katholischen Kirche gegenwärtig sein, und sie wird insoweit präsent sein – und zwar auch sichtbar –, als einheit- und damit kircheschaffende Faktoren und Elemente wirksam sind. Würde die Kirche nur vom juristischen Begriff der Societas (perfecta) her beschrieben, […] so würde die Kirche an den Grenzen der katholischen Glaubensgemeinschaft aufhören und außerhalb deren gäbe es nur ‚Nichtkirche’. Wird die Kirche hingegen als Communio gesehen, zu deren Einheit verschiedene Faktoren zusammenwirken, so kann auch von dem, der die volle (wenn auch unvollkommene) Verwirklichung der Kirche Christi in der katholischen Kirche im Glauben festhält, die kirchliche Wirklichkeit außerhalb der katholischen Kirche erfasst werden. Diese Sicht entspricht dem ‚subsistit’ in der Kirchenkonstitution, das an die Stelle des früheren ‚est’ gesetzt wurde […]. Diese Formulierung der Kirchenkonstitution, die eine schlechthinnige Identifizierung von Kirche Christi und katholischer Kirche vermeidet, ermöglicht die Anerkennung des kirchlichen Charakters der nichtkatholischen christlichen Glaubensgemeinschaften.“297

      UR 2 formuliert also, ohne ausdrücklich von der katholischen Kirche als sichtbarer Konkretion der wahren Kirche Jesu Christi zu sprechen, die Sichtweise der (römisch-)katholischen Kirche von der Kircheneinheit auf der Basis des von in LG 8 grundgelegten Selbstverständnisses und benennt diejenigen Faktoren, die aus ihrer Sicht zur kirchlichen Einheit notwendig sind. Von dieser so gelegten auf LG fußenden Grundlage her wird in den folgenden Artikeln sowohl das Verhältnis der getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zur (römisch-)katholischen Kirche umrissen (Artikel 3) als auch die ökumenische Bewegung näher erläutert, und es werden Verhaltens- und Handlungsanweisungen an die (römisch-)katholischen Gläubigen gegeben (Artikel 4).

      Artikel 3 verwendet insgesamt acht Mal das Adjektiv „catholicus“. Fünf Mal ist in UR 3,1 von der „katholischen Kirche“ („Ecclesia catholica“) die Rede und je einmal in UR 3,2 sowie UR 3,4; hier wird „catholicus“ jeweils im konfessionellen Sinne gebraucht.

      UR 3,5 bringt mit der um „Christus“ erweiterten und in der Wortstellung veränderten Formulierung „die katholische Kirche Christi“ („catholicam Christi Ecclesiam“) sodann die Bezeichnung „katholisch“ im Sinne der qualitativen Katholizität ins Spiel. Dürfte diese Bezeichnung hier zwar synonym für die (römisch-)katholische Kirche verwendet sein, so wird doch deutlich, dass sich die (römisch-)katholische Kirche als die sakramentale Konkretion der Kirche Jesu Christi versteht, wodurch sie – in sakramentaler Weise – qualifiziert ist, „allgemeine Hilfe zum Heil“ („generale auxilium salutis“) zu sein, da man durch sie und in ihr „die ganze Fülle („omnis salutarium mediorum plenitudo“) der Heilsmittel erlangen“ (UR 3,5) kann. Für unsere Untersuchung scheint bezeichnend zu sein, dass sich die (römisch-)katholische Kirche hier weniger von ihrer rein quantitativen Weite und Ausgedehntheit her versteht, auch wenn diese Sichtweise in der in UR 3,2 explizierten und in UR 3,5 wieder aufgegriffenen Rede von den „Elementen“ bzw. „Gütern“ („omnia bona“) noch anklingen mag; im Vordergrund steht vielmehr ihre sakramental vermittelte qualitative Fülle, die „von Christus herkommt und zu Ihm hinführt“ (UR 3,2). Diese innere, sakramental vermittelte Gnadenwirklichkeit der (römisch-)katholischen Kirche begründet ihre qualitative Katholizität, die am Ende von UR 3,5 eschatologisch geweitet wird: „Obwohl dieses Volk [i.e. die (römisch-)katholische Kirche], solange seine irdische Pilgerschaft andauert, in seinen Gliedern der Sünde verhaftet bleibt, wächst es in Christus und wird von Gott nach seinen verborgenen Ratschlüssen sanft geführt, bis es freudig zur ganzen Fülle der ewigen Herrlichkeit im himmlischen Jerusalem gelangt.“ (UR 3,5). Es ist von der qualitativen Katholizität die Rede, die der (rö-misch-)katholischen Kirche als reale Größe zugesprochen wird, wenn der Dekrettext „konstitutive […] Lebensvollzüge als Ausdruck der inneren Gnadenwirklichkeit betrachtet. Dies geschieht schon in Lumen gentium nicht in einem additiven [quantitativen] Verfahren, sondern in einer ganzheitlichen [qualitativen] Sicht. […] Quantifizierendes Aufrechnen passt nicht zu einem organischen, qualitativen Verständnis von ‚Fülle der Katholizität’.“298

      In Artikel 4 lässt sich acht Mal das Adjektiv „catholicus“ (UR 4,1.3.4.5.6), zwei Mal das Substantiv „catholici“ (UR 4,6.8) sowie drei Mal das Substantiv „catholicitas“ (UR 4,7.10) finden. Die Verwendung des Adjektivs „catholicus“ erfolgt zumeist im konfessionellen Sinne, wenn von den katholischen Gläubigen („fideles catholicos“, UR 4,1.5.11), der katholischen Kirche („Ecclesiae catholicae“, UR 4,3.6) oder der katholischen Familie („Familia catholica“, UR 4,5) die Rede ist.

      Sicher


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