Die Katholizität der Kirche. Dominik Schultheis

Die Katholizität der Kirche - Dominik Schultheis


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diese sowohl bei den von der (römisch-)katholischen Kirche getrennten Mitchristen als auch in der (römisch-)katholischen Kirche selbst nicht zur voll Entfaltung kommt, solange die Spaltung der christlichen Kirchen aufrecht erhalten bleibt:

      „Solange die Spaltungen der Kirche andauern, [kann es] nicht zu einer vollen Aktualisierung der Katholizität der Kirche kommen […], und zwar von zwei Seiten her. Einmal ist dies deshalb nicht möglich, weil die Trennung verhindert, dass alle für die Kirche Christi konstitutiven institutionellen Heilsmittel, die als ‚salutarium mediorum plenitudo’ der katholischen Kirche geschenkt sind (vgl. Artikel 3), bei den getrennten Christen, die doch durch die Taufe auf diese Fülle hingeordnet sind, wirksam werden können. Diese Aussage ergibt sich ohne weiteres aus dem früher Gesagten. Eine Wende gegenüber dem früheren katholischen Denken hingegen zeigt die zweite Aussage an, dass es nämlich infolge der Spaltungen auch der katholischen Kirche selbst kaum möglich sei, alle Aspekte der Katholizität der Kirche in ihrem Leben zu aktualisieren. Sie anerkennt zwar jetzt grundsätzlich, dass zur echten Katholizität eine Vielfalt christlicher Lebensformen, der christlichen Spiritualität, der liturgischen Formen, der kirchlichen Disziplin, des theologischen Denkens und der Lehrweisen gehören, und zweifellos wird sich in Zukunft in der katholischen Kirche in mancher Hinsicht eine größere Mannigfaltigkeit entwickeln. Aber solange große Teile der Christenheit mit ihrer ausgeprägten Eigenart von der katholischen Kirche getrennt sind, werden sich innerhalb des katholischen Raumes kaum alle jene berechtigten Ausprägungen des Christlichen und jene Kirchentypen (im Sinne von Einzelkirchen) voll ausformen können, die erst die volle Katholizität der Kirche ‚in der Wirklichkeit des Lebens’ zur Erscheinung brächten.“305

      Feiner stellt hier unmissverständlich heraus, dass zur Verwirklichung der qualitativen Fülle der der Kirche gegebenen Katholizität die ekklesiale Einheit nicht nur nach innen, sondern auch und vor allem nach außen, sprich die kirchliche Einheit aller christlichen Konfessionen zwingend erforderlich ist. Damit ist und bleibt der interkonfessionelle Dialog sowie der ökumenische Prozess – der in UR 4,11 allen katholischen Gläubigen („fidelium catholicorum“, „katholisch“ hier konfessionell gebraucht) und Bischöfen überall auf der Erde ausdrücklich empfohlen wird („episcopis ubique terrarum commendat“) – von innen her notwendige, ihrem Wesen entsprechende Aufgabe von Kirche. Von hier aus drängt sich auch das in LG 8 bemühte „subsistit in“ gleichsam notwendig auf, da die (römisch-)katholische Kirche aus „katholischer“ Sicht, d.h. aus dem Blickwinkel ihrer zuteil werdenden Katholizität, niemals ganz identisch mit der Kirche Jesu Christi sein kann (im Sinne von „est“), da die zu dieser absoluten Identität notwendig erforderliche vollkommene Fülle der qualitativen Katholizität der Kirche solange nicht voll in ihr verwirklicht sein wird und sein kann, wie die christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften nicht dauerhaft geeint sind.

      In UR 8 verwenden die Konzilsväter dreimal das Substantiv „catholici“ (UR 8,2) zur konfessionellen Bezeichnung der Katholiken.

      In UR 9 findet man – jeweils im konfessionellen Gebrauch – einmal das Substantiv „catholici“ (UR 9,1) sowie einmal das Adjektiv „catholicus“ (UR 9,1) zur Bezeichnung der „Lage“ oder „Situation“ („condicio“) – gemeint sein könnte damit die „Lehre“306 und noch mehr der „innere[…] Zustand, […][die] Beschaffenheit und gesamte Verfasstheit“307 – der (römisch-)katholischen Kirche.

      UR 10 weist wiederum einmal das Adjektiv „catholicus“ (UR 10,2) sowie einmal das Substantiv „catholici“ (UR 10,4) auf, die beide Male konfessionell verwendet werden.

      In UR 11 zählt man fünfmal das Adjektiv „catholicus“ (zweimal in UR 11,1; einmal in UR 11,2; zweimal in UR 11,3), das ausschließlich zur Bezeichnung des (römisch-)katholischen Glaubens, seiner Lehren sowie seiner Theologen, also im Sinne der Denominationsbezeichnung „katholisch“, fungiert.

      UR 13 verwendet das Adjektiv „catholicus“ (UR 13,3) zur Bezeichnung der „katholischen Überlieferungen“ („structurae catholicae“), die in den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften in unterschiedlicher Weise erhalten geblieben seien. Den nachfolgenden Ausführungen zufolge, den diese einleitenden Ausführungen ankündigen, und gemäß der Überschrift des durch diesen Artikel eröffneten dritten Kapitels des Ökumenedekretes („De Ecclesiis et de Communitatibus ecclesialibus a Sede Apostolica Romana seiunctis“ – „Die vom Römischen Apostolischen Stuhl getrennten Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften“) wird das Adjektiv „catholicus“ im Sinne von (römisch-)katholisch, also im Sinne der Denominationsbezeichnung „katholisch“, gebraucht.

      In UR 14 wird man einmal fündig, und zwar in UR 14,4, wo von der „katholischen Kirche“ („Ecclesiam catholicam“) im Unterschied zu den östlichen (i.e. orthodoxen) Kirchen („Ecclesias orientales“) die Rede ist und „catholicus“ somit im konfessionellen Sinne Verwendung findet.

      Gleichermaßen wird in UR 15 das Substantiv „catholici“ (UR 15,4) gebraucht, ebenfalls im konfessionellen Sinne.

      In UR 17, wo in UR 17,2 zunächst von der katholischen Kirche („Ecclesiae catholicae“) im Sinne der Konfession „römisch-katholisch“ die Rede ist, wird im gleichen Abschnitt auf die qualitative „volle Katholizität“ („plenam catholicitatem“) und Apostolizität der Kirche Jesu Christi verwiesen, die sich im vielfältigen geistlichen, liturgischen, disziplinären und theologischen Erbe der Kirche in ihren je konfessionell verschiedenen (und legitimen) Überlieferungen konkretisieren. UR 17 wiederholt die Auffassung, die schon in UR 4 zum Ausdruck kam, dass nicht in einer gesuchten Uniformität die Fülle der qualitativen Katholizität der Kirche gesucht werden kann, sondern in der Anerkennung und Bejahung einer legitimen Vielfalt und konfessionellen Verschiedenheit. Diese droht nicht die kirchliche Einheit aufzusprengen, sondern ermöglicht erst, das Wesen von Kirche und damit das ihrer qualitativen Katholizität voll und ganz zur Entfaltung zu bringen.308 Damit ist der durchgängigen Überzeugung von UR Gewicht verliehen, dass „die Erkenntnis des ‚Göttlichen’ bzw. des ‚geoffenbarten Mysteriums’ nicht uniform sein kann“309 und „bestimmte Gesichtspunkte des geoffenbarten Mysteriums bisweilen von dem einen [i.e. Konfession im hier behandelten Gegenüber von Orthodoxen und Katholiken] angemessener erfasst und in ein besseres Licht gestellt werden als vom anderen, so dass man dann sagen muss, dass jene vielfältigen theologischen Formulierungen sich nicht selten eher untereinander ergänzen, als dass sie einander entgegensetzt sind.“ (UR 17,1):

      „Die Integration des ganzen geistlichen und liturgischen, disziplinären und theologischen Erbes der orientalischen Kirchen mit seinen verschiedenen Traditionen für die Katholizität und Apostolizität der Kirche [ist] wesentlich […]. Es geht also nicht um die Zulassung einiger exotischer Randerscheinungen, sondern um die Realisierung einer volleren Katholizität und Apostolizität der Kirche: Die katholische Kirche muss katholischer und apostolischer werden.“310

      Bleibende Aufgabe von Kirche muss es also auch heute sein, die Vielfalt kirchlichen Lebens und Seins als Realisierung ihrer vollen qualitativen Katholizität zu erkennen und sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis anzuerkennen und zu fördern.

      In UR 18, einer Art Conclusio der vorangehenden Betrachtung des ökumenischen Miteinanders zwischen orthodoxen und katholischen Christen, findet man das Adjektiv „catholica“ zur Bezeichnung der (römisch-)katholischen Kirche („Ecclesiae catholicae“), das hier im konfessionellen Sinne Verwendung findet. Diese macht sich in diesem „Schlussartikel“311 die Bestimmung des Apostelkonzils und darin den ökumenischen Grundsatz zueigen, „keine weitere Last aufzuerlegen als diese notwendigen Dinge“ (Apg 15,28), wenngleich offen bleibt – und bis heute offen und umstritten ist –, was diese „notwendigen Dinge“ sind, die für eine kirchliche Einheit erforderlich sind. Die Hirten und Gläubigen der (römisch-)katholischen Kirche werden aufgerufen, den ökumenischen Prozess weiter voranzubringen, dies nicht nur im gemeinsamen Gebet und im theologisch-wissenschaftlichen Diskurs, sondern auch und vor allem im Hinblick auf die „drängenderen Bedürfnisse […] der pastoralen Aufgabe unserer Zeit“ (UR 18). Besonders legen die Bischöfe das Augenmerk auf die in den Westen emigrierten orthodoxen Christen, die nicht einem Proselytismus


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