Rising Skye (Bd. 2). Lina Frisch

Rising Skye (Bd. 2) - Lina Frisch


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Bett saß, wenn ich Fieber hatte. Die Frau, die ich bewundert habe. Bis ich herausgefunden habe, wer sie wirklich ist.

      »Nicht alles am Ring ist schlecht, weißt du? Wir haben schon einige Leute erfolgreich aus den Gläsernen Nationen gebracht, denen sonst keine allzu rosige Zukunft bevorgestanden hätte.« Yana hebt das Kinn. »Beth gibt ihr Bestes. Sie verdient deine Verachtung nicht.«

      »Hunter hat mir eine andere Geschichte erzählt.«

      »Hunter sollte endlich lernen, stolz auf das zu sein, was er leistet.«

      »Aber eure Fluchtrouten sind nicht sicher!«, platzt es aus mir heraus. »Wie viele R-Traitmarks wurden an der Grenze schon als Fälschung entlarvt, hm? Ohne Transmitter in der Tinte halten sie keinem Scan stand, das habt ihr selbst gesagt!«

      »Das ist das Risiko, das man eingehen muss«, zischt Yana. »Zumindest jetzt noch.«

      Ich schüttle den Kopf. »Es ist zu hoch. Hunter redet nicht darüber, aber ich weiß, dass er unter jedem einzelnen Flüchtling leidet, der unter seiner Aufsicht erwischt worden ist. Jeder mit einem Herz würde das.«

      Leidet Mum? Die Frage schleicht sich ohne Erlaubnis in meinen Kopf. Ich will glauben, dass sie es tut. Alles andere wäre unerträglich.

      »Jeder mit einem Herz würde das.« Yana äfft meinen Tonfall nach. »Du glaubst, du kennst Hunter. Du glaubst zu wissen, was leiden bedeutet, aber du hast nicht die geringste Ahnung! Und trotzdem liegst du hier in meinem Bett und sagst … was eigentlich genau? Dass ich ein schlechter Mensch bin, nur weil ich zu meiner Arbeit stehe, ohne Nervenzusammenbrüche zu bekommen?«

      »Ich …«

      »Pass mal auf. Du bist aus dem Zentrum abgehauen, okay. Ich weiß nicht, warum es dir da plötzlich nicht mehr gefiel. Aber bis dahin hast du in deiner rosa Blümchenwelt gelebt, in der es nur darum ging, wer es an die Cremonte-Uni schafft und wer wen küsst. Ich sehe seit Jahren, was in den Nationen vor sich geht. Und ich habe mich entschieden, etwas dagegen zu tun.«

      »Indem du den Kristallisierungsgegnern eine Chance von wie viel Prozent gibst? Zwanzig? Dreißig?«

      »Du hast doch keine Ahnung, wovon du sprichst!« Yana funkelt mich an. Dann beugt sie sich nach vorn. »Ich glaube Hunter kein Wort von seiner Geschichte mit den Gardinen, die aus Versehen Feuer gefangen haben. Aus irgendeinem Grund wollen die Kristallisierer dich umbringen – und wenn sie entdecken, wie viel er dir bedeutet, landet er gleich mit auf der Liste.«

      Ein kurzes, unvernünftiges Triumphgefühl durchfährt mich. Hunter hat Yana nichts von ReNatura erzählt. Nichts davon, dass der Kristall hinter uns beiden her ist. Also vertraut er ihr nicht vollständig. Ganz egal, was für eine Vergangenheit die beiden zusammenschweißt.

      »Du weißt, dass dieser Idiot sein Leben für dich riskieren wird, sobald ihm jemand die Gelegenheit dazu gibt«, raunt Yana mir zu. »Denk darüber nach, ob du die Verantwortung dafür tragen kannst.« Sie steht auf. »Denn wenn nicht, gibt es in New York jemanden, der auf dich wartet.«

      Bevor ich etwas erwidern kann, geht Yana ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer und lässt mich mit ihrer Drohung zurück.

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      Etwas Feuchtes berührt meine Wange.

      »Chief, aus!«

      Blinzelnd öffne ich die Augen. Jemand zerrt einen schwanzwedelnden Mischlingshund vom Kopfende meines Bettes fort, doch es ist weder Hunter noch Yana. Ein Junge in einem schwarzen Kapuzenpullover nimmt sich die Kopfhörer aus den Ohren, wickelt das dünne Kabel auf und legt einen altmodischen MP3-Player auf den Nachttisch.

      »Entschuldige, eigentlich ist Yanas Hund eher scheu.«

      Ich wische mir über die Wange. Vor dem Fenster über meinem Bett gehen schon die Straßenlaternen an.

      »Yana musste weg, deshalb hat sie mich geholt. Tante Reka ist noch auf der Arbeit, aber sie hat vor ein paar Minuten angerufen und gesagt, dass ich dir Schmerztabletten geben soll, wenn du welche willst.«

      »Nein, danke.« Ich setze mich auf und bemühe mich, nicht zu stöhnen, als der Stoff meines Schlafanzugs über meine Verbrennungen scheuert. »Du musst nicht weiter den Babysitter spielen«, sage ich und greife nach der Salbe, die neben dem Verbandszeug auf dem Nachttisch steht. »Mir geht es gut.«

      Mein neuer Hang dazu, die Dame in Nöten zu geben, gefällt mir überhaupt nicht. Aber der Junge mit dem schmalen Gesicht und einer blond gefärbten Strähne in seinem ansonsten pechschwarzen Haar lächelt bloß freundlich.

      »Es macht mir nichts aus. Dank dir konnte ich hier ungestört zeichnen, ohne wie daheim alle fünf Minuten zu irgendeiner Hausarbeit verdonnert zu werden. Außerdem würde meine liebe Cousine mich umbringen, wenn ich nicht tue, was sie mir sagt.« Er klappt das Skizzenbuch auf seinem Schoß zu. »Mein Name ist übrigens Ocean.«

      »Ocean, hm?«, lächle ich und betrachte seine Augen, die zweifellos zu diesem Namen geführt haben. Sie sind weder blau noch grau, sondern irgendetwas dazwischen – der Farbton von Wellen im Sturm.

      »Sollte eine Skye wirklich die Nase über außergewöhnliche Namen rümpfen?«

      Ich grinse. »Wahrscheinlich nicht.« Hunters Warnung vor dem Auslieferungpakt klingelt in meinen Ohren. Ich sollte vorsichtig sein. Doch mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich Ocean vertrauen kann. »Hast du eine Ahnung, wo Hunter ist?«

      »Er war hier. Aber dann hat Grandpa ihn abgeholt. Hunter hat in der letzten Woche jede Nacht hier neben dir verbracht, und Reka meinte, so geht es nicht weiter. Er bräuchte seinen Schlaf und auf der Couch im Wohnzimmer übernachtet schon Yana, also schläft Hunter ab jetzt im Cottage.« Ocean greift hinter sich und nimmt eine Papiertüte mit dem bunten Logo eines Cafés vom Schreibtisch. »Aber die hier hat er dir dagelassen.«

      Ich nehme die Tüte entgegen und muss lachen, als ich eineinhalb Doughnuts mit Schokoglasur sehe. Das ist nicht bloß Gebäck, das ist eine Botschaft! Ein warmes Gefühl durchfährt mich, als ich verstehe, was Hunter mir mitteilen will. Bald sind wir nur noch wir. Das habe ich auf der Promenade der Seaview Hills zu ihm gesagt, nachdem wir uns seinen Doughnut geteilt haben. Also hat er einen Plan, wie wir ReNatura an die Öffentlichkeit bringen können! Einen Plan, der es uns erlauben wird, bald nur noch Skye und Hunter zu sein, nicht mehr die Untreuen auf der Flucht. Ich spüre, wie eine Last von mir abfällt.

      »Möchtest du etwas?«

      Ocean schüttelt den Kopf und deutet auf die leere Chipstüte zu seinen Füßen. »Zeichnen macht mich immer hungrig. Was nicht besonders vorteilhaft ist – auf der Hälfte meiner Bilder ist mindestens ein fettiger Fingerabdruck.«

      Ich zwinkere ihm zu. »Wenn du irgendwann berühmt bist, könnte das eine sehr exzentrische Art der Künstlersignatur werden.«

      »Ich glaube kaum, dass jemand anders als meine Mutter meine Bilder jemals aufhängen wird«, erwidert Ocean.

      Ich lege meinen angebissenen Doughnut zur Seite und wische mir sorgfältig die Finger an der Serviette ab. »Kann ich mal sehen?«

      Ocean reicht mir sein Skizzenbuch. »Warte!«, sagt er, als ich es aufschlagen will. Er nimmt den MP3-Player vom Nachttisch und reicht ihn mir. »Du musst sie mit der Musik anschauen, zu der ich sie gezeichnet habe.«

      Ich stecke mir die Kopfhörer in die Ohren und brauche einen Moment, bis ich mich daran gewöhnt habe, ein Gerät ohne Touchscreen zu bedienen. »Ist der aus einem Vintageshop?«, frage ich belustigt.

      »Nee«, antwortet Ocean verlegen. »Ich hab mir zum letzten Geburtstag eins der neuesten Smartphones gewünscht. War jeden Tag im TechMania-Laden in Greenhill, um es mir anzusehen.« Er zuckt mit den Schultern. »Aber ich hab’s nicht bekommen, meine Mutter sagt, dafür haben wir kein Geld. Also hat Yana mich mit in den Keller des Bungalows genommen. Ich durfte mir was von ihren alten Sachen aussuchen, Tischtennisschläger, DVDs – alles, was ich wollte. In einer Kiste habe ich dann das Ding hier gefunden.« Er


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