Rising Skye (Bd. 2). Lina Frisch

Rising Skye (Bd. 2) - Lina Frisch


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Trotz ihrer freundlichen Worte ist Amandas Stimme schneidend wie ein Messer. »Vor allem darüber, dass wir Skye nun ja sofort ins Krankenhaus bringen können. Es war leichtsinnig von dir, Hunter, das Leben deiner Freundin für so eine Nichtigkeit wie einen Streit mit ihrer Mutter zu riskieren. Reka kann Skye nicht länger in einer unsterilen Umgebung ohne richtige Ausrüstung behandeln, das ist eine Farce! Ihr Fall muss vernünftig registriert werden.«

      »Nein!« Ich springe auf. »Nein, Amanda, das geht nicht. Wenn –«

       Wenn Skyes Patientendaten in irgendwelchen Krankenhausakten auftauchen, dann werden die Kristallisierer uns finden. Oder Beth wird uns finden …

      Yana legt den Kopf schief. Was verschweigst du mir?, bedeutet das. Wir erzählen uns alles. Wir kennen einander seit dem Tag unserer Geburt, als unsere Mütter nebeneinander im Krankenhaus lagen. Wir lügen einander nicht an.

      Manuel erhebt sich und stellt sich neben mich. »Ich verstehe, dass Skye und du nicht gefunden werden wollt, Junge. Aber ihre Gesundheit muss jetzt an erster Stelle stehen. Natürlich könnt ihr bleiben, aber denk zumindest über das Krankenhaus nach.« Er zwinkert mir zu. »Und glaub mir, wenn du sie ernsthaft liebst, werdet ihr in fünfzig Jahren zusammen auf eurer Veranda sitzen und die Probleme eurer Jugend belächeln.«

      Amanda wirft ihrem Mann einen tadelnden Blick zu. »Die Lage ist zu ernst, um lange nachzudenken! Nach allem, was ich gehört habe, ist Skye sehr schwach, Hunter.«

      Eine schrille Version von Nirvanas Smells like Teen Spirit unterbricht Amandas Vorhaltungen. Yana zieht ihr Handy aus der Hosentasche und nimmt den Anruf entgegen. »Ja?«

      Ich muss Zeit schinden. Ich brauche irgendeinen plausiblen Grund, warum Skye das Reservat nicht verlassen kann …

      »Wirklich? Das ist großartig, Ma!«

      Ich schaue auf. Reka ist am Telefon? »Warte, ich stelle dich auf Lautsprecher.« Yana nimmt ihr Handy vom Ohr.

      »Hunter?« Reka klingt ernst, wie immer, aber der sorgenvolle Ton der letzten Tage ist verschwunden.

      Ich reiße Yana das Handy aus der Hand. »Ja! Ja, ich höre dich!« Mein Herz schlägt mir bis zum Hals.

      »Skye ist wach. Es geht ihr gut. Sie zeigt keine Anzeichen von mangelnder Sauerstoffversorgung mehr. Keine Kopfschmerzen, kein Gefühl von Atemnot.«

      Skye ist wach. Es dauert einen Moment, bis die Worte bei mir ankommen. Dann lache ich vor Erleichterung laut auf. All die Angst und die Anspannung der letzten Tage fallen von mir ab. Sie ist wach! Jetzt wird alles gut.

      »Reka? Ich mache mich auf den Weg. Richte Skye aus, dass ich in zehn Minuten da bin!«

      Reka sagt etwas über eine Transfusion und darüber, dass Skye Ruhe braucht, aber ich höre nicht mehr richtig zu.

      »Bei allem Respekt, Amanda.« Ich deute auf das Handy in meiner Hand. »Skye für schwach zu halten, ist ein gefährlicher Irrglaube.«

      Damit drehe ich mich um und verlasse das Cottage so schnell, wie meine Beine mich tragen.

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      »Ich bin nicht blöd, weißt du?«, keucht Yana, als sie mich auf Höhe von Monas Café einholt. »Ihr seid doch nicht aus dem Zentrum abgehauen, um vor Beth zu fliehen! Was ist hier los, Hunter? Woher stammen Skyes Verbrennungen wirklich?«

      »Nicht mitten auf der Straße«, zische ich, als uns eine Horde Jugendlicher entgegenkommt, die auf das Café zusteuert.

      Yana verdreht die Augen. »Du tust so, als würdest du Staatsgeheimnisse hüten! Und was sollte deine oscarreife Darstellung des besorgten Sohnes vorhin? Wenn die Trennung von deinem Dad Sol so hart getroffen hat, warum hast du dir dann in den zwei Jahren, die ich beim Ring bin, kein einziges Mal Urlaub genommen, um nach Hause zu gehen und sie zu besuchen? Weiß Sol überhaupt noch, wie du aussiehst?«

      Wie angewurzelt bleibe ich stehen. »Ich habe kein Zuhause!«, platzt es aus mir heraus. Die Gruppe Jugendlicher sieht zu uns herüber und ich senke die Stimme. »Ich habe kein Zuhause mehr, seitdem meine Mutter vor vier Jahren erschossen wurde. Deshalb bin ich beim Ring. Deshalb konnte ich nicht hierher zurückkehren.«

      Yana lässt die Zigarette fallen, die sie gerade aus der Schachtel gezogen hatte. »Sol ist tot?«, flüstert sie ungläubig.

      Ich nicke.

      »Dann war ihr Brief an Manuel –«

      »Eine Fälschung.«

      »Was sie geschrieben hat … dass sie Abstand zu uns brauchte, weil Las Almas sie nach der Trennung zu sehr an Matteo erinnert, das –«

      »Das habe ich geschrieben.«

      »Und als wir Sol letzten Winter nicht besuchen konnten, weil sie im Urlaub war?«

      »Habe ich gelogen. Und auch, als sie Grippe hatte.«

      Yana geht stumm neben mir her.

      »Wenn du sagst, dass sie erschossen wurde«, beginnt sie dann zögerlich. »Heißt das –«

      »Dass du es niemandem erzählen darfst. Nicht deiner Mutter, nicht Manuel und auf keinen Fall Amanda.«

      »Aber weshalb?«

      Weil sie sich fragen würden, warum meine Mutter zum Schweigen gebracht wurde. Weil sie herausfinden würden, dass wir auf verschiedenen Seiten stehen.

      Wir biegen in die Straße ein, in der Rekas Bungalow liegt. Für einen Moment werde ich von einem gleißenden Sonnenstrahl geblendet. Im nächsten traue ich meinen Augen kaum.

      Skye.

      »Bitte tu es einfach«, sage ich, ohne meinen Blick von dem Mädchen abzuwenden, das ich mehr liebe als mein Leben. »Ich erkläre es dir später.«

      Skye hält sich am Türrahmen fest. Mit wenigen Schritten bin ich bei ihr. Sie streckt mir lächelnd die Hand entgegen, ich presse ihre Finger an meine Lippen. Und für einen Moment glaube ich an Manuels Worte: Wenn ich Skye nur genug liebe, dann kann alles gut werden. Ihre Hand fühlt sich warm an, nicht mehr eiskalt, und zum ersten Mal seit Tagen kann ich wieder lächeln.

      »Du bist wach«, stottere ich, während Yana sich diskret an uns vorbei ins Haus schiebt.

      »Ich hatte die Nase voll von Albträumen«, sagt Skye, und ich bin so unendlich dankbar für den Klang ihrer Stimme, weil ich Angst hatte, sie nie wieder zu hören. »Bewusstlosigkeit ist nicht so friedlich, wie sie vermutlich aussieht.«

      Ich will einen Witz machen, aber meine Stimme bricht im ersten Satz. »Es tut mir leid, es ist nur –« Ich wende den Kopf ab. Verdammt, soll Skye mich nach allem, was sie durchgemacht hat, jetzt auch noch weinen sehen?

      Ihre Lippen berühren meine Wange, bevor sie nah an meinem Ohr flüstern: »Du bist mein Freund, Hunter. Das bedeutet nicht, dass du gleichzeitig immer der taffe Superheld sein musst.«

      Ich warte einen Moment, bis das Kribbeln hinter meinen Augen nachlässt. »Aber die Klamotten würden mir stehen.«

      Skye boxt mir gegen den Arm. Die rasche Bewegung lässt sie zurücktaumeln, als sei ihr schwindelig. Unter dem Kragen ihres Schlafanzugs ziehen sich ihre Verbrennungen wie rote Blüten bis in ihren Nacken, doch ihre blauen Augen funkeln voller Leben. Die Farbe auf ihren Wangen, die vor zwei Stunden noch totenblass gewesen sind, erscheint mir wie das größte Wunder unserer Zeit.

      »Alles in Ordnung? Du hättest besser liegen bleiben sollen.« Ich lege meinen Arm stützend um ihre Taille, nur um einen erneuten, wenn auch sanfteren Schlag zu kassieren.

      »Wegen des kleinen Komas bin ich noch lange nicht zur adligen Lady mutiert, die alle zwei Sekunden mit Riechsalz wiederbelebt werden muss.«

      Ich grinse. »Also weder Superman noch Mr. Darcy. Weitere Regieanweisungen für die Rolle als Skye Andersons offizieller Freund?«

      »Nein.« Sie


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