Brandsätze (eBook). Steph Cha

Brandsätze (eBook) - Steph Cha


Скачать книгу
sagte er und ging.

      »Was war das denn?«, fragte Grace, als er sich allein an einen Ecktisch setzte und ein rotes Moleskine-Notizbuch aus seiner Tasche zog.

      »Nichts. Sorry. Ich wollte einfach nicht, dass er mit dir redet.«

      Grace hatte nichts Unheimliches an ihm wahrgenommen, jedenfalls nicht in sexueller Hinsicht. Der Typ war noch älter als Blake.

      »Wer ist das?«

      »Bloß ein Autor, den ich kenne.«

      Blake kam mit Graces Cocktail und zwei weiteren japanischen Whiskys für sich und Miriam an den Tisch zurück. Grace bedankte sich und trank. Der Screwdriver ging runter wie Saft. Da Miriam den Autor nicht mehr erwähnte, sagte auch Grace nichts. Sie nippten an ihren Getränken, und Blake und Grace erkundigten sich nach den Jobs des jeweils anderen – in erster Linie, um Miriam einen Gefallen zu erweisen, aber es war nett von Blake, so zu tun, als würde er sich für die Apotheke interessieren. Grace holte die nächste Runde und fühlte sich langsam ein kleines bisschen euphorisch. Sie begann sogar, sich für Blake zu erwärmen. Ganz offensichtlich betete er ihre Schwester an, und außerdem nervte er eigentlich nur etwa zehn Prozent der Zeit. Vielleicht sogar nur fünf Prozent.

      »Das kann ja wohl nicht wahr sein«, sagte er und schreckte Grace aus ihrer beschwipsten Trance auf.

      Sie schaute hoch. Kam etwa dieser Autor zurück? Doch der saß immer noch an seinem Ecktisch, hatte den Blick auf den Eingang der Bar gerichtet und sah, was Blake sah: ein halbes Dutzend Western Boys drängte grinsend herein, die Gesichter fleckig, rosa und schweißnass, die Uniformen zerknitterter als vorhin bei der Gedenkfeier, aber immer noch erkennbar. In diesem Hipsterlokal stachen sie heraus wie Pinguine in der Savanne – was genau ihre Absicht zu sein schien.

      Sie plusterten sich auf und sahen sich um. Köpfe drehten sich, Gespräche brachen ab – sie wussten, dass das ganze Lokal sie beobachtete. Einer trat vor und ging zur Bar, die anderen folgten ihm wie Entenküken. Der Anführer der Truppe war etwa dreißig Jahre alt, hatte einen kantigen, fleischigen Kopf und dicke Bizepse, über die sich die Ärmel des Polohemdes spannten.

      Miriam schüttelte den Kopf. Sie hatte gerade auf ihrem Handy etwas gelesen. »Das ist geplant und abgesprochen«, sagte sie und hielt Grace und Blake eine Facebookseite hin. »Die machen eine ›Zeckenkneipensauftour‹.«

      Grace sah wieder zu dem seltsamen Autor hinüber, der die Szene aus seiner Ecke heraus mit gezücktem Stift und Notizbuch beobachtete. Er hatte gewusst, dass die Western Boys herkommen würden. Wenn Miriam ihn nicht abgewimmelt hätte, hätte er sie wahrscheinlich eingeweiht.

      »Am liebsten würde ich denen die Fresse einschlagen«, sagte Blake.

      »Allen?«, fragte Grace.

      »Die haben echt Nerven.«

      »Wer sind die eigentlich genau?«

      »Rechte Versager«, erwiderte Miriam. »Die meinen, dass Amerikaner weiß sein müssen und Frauen in die Küche gehören – du verstehst schon.«

      »Was hatten die auf der Gedenkfeier zu suchen?« Grace war selbst nur gezwungenermaßen hingegangen, dabei hielt sie den Tod des Jungen durchaus für eine Tragödie. Wie konnte man beim Tod eines Teenagers kein Mitleid empfinden? Wie konnte man losziehen, um Trauernde zu belästigen? Die Western Boys erinnerten sie an diese irren Gott hasst Schwule-Typen – diese wütenden, dummen weißen Menschen, die Beerdigungen von Homosexuellen heimsuchten.

      »Weil das zu ihren Versagertaktiken gehört. Die kreuzen überall auf, wo sie denken, Linke provozieren zu können. Das reicht ihnen schon.« Miriam trank ihr Glas aus und stand auf. »Ich sage dem Türsteher Bescheid.«

      Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch sah Grace ihrer Schwester nach. »Warte«, sagte sie. »Ich komme mit.« Sie sprang auf und ließ Blake mit seiner Wut allein am Tisch zurück.

      Der Türsteher hatte braune Haut, war Latino oder vielleicht Filipino und so muskelbepackt, dass er beinahe fett aussah. Bei Miriams Anblick leuchteten seine Augen auf.

      »Was geht?«, fragte er, als würden sie sich kennen. Grace fiel ein, dass es schon beim Einlass ein bisschen Geflirte gegeben hatte. Wahrscheinlich war er verknallt in sie.

      »Hey«, sagte Miriam. »Die Typen, die gerade reingekommen sind – ist dir klar, wer das ist?«

      »Ich habe die Mützen gesehen«, sagte er achselzuckend. »Aber wegen Mützen kann ich niemanden abweisen.«

      »Das ist eine Hassgruppe. Das Southern Poverty Law Center hat sie auf der schwarzen Liste.«

      »Das Southern was?«

      Grace berührte Miriams Arm. Ihre Schwester würde den Türsteher nicht überreden können, zahlende Gäste rauszuwerfen, nur weil sie auf einer Liste standen, von der noch niemand gehört hatte.

      Miriam machte trotzdem weiter. »Die sind nicht bloß zum Trinken hier, verstehst du? Die wollen Ärger machen. Das ist schon die dritte Bar auf ihrer Tour.«

      »Sie scheinen mir aber nur Drinks zu bestellen und dabei alberne Uniformen zu tragen.« Er klang inzwischen ein wenig sauer. Das passierte Miriam öfter. Sie verhielt sich weniger niedlich, als sie aussah, und diese Diskrepanz war für andere irritierend.

      »Kann ich den Manager sprechen?«

      »Um ihm was zu sagen?«

      »Ich finde, er sollte wissen, dass Nazis in der Bar sind. Was er dann macht, ist seine Sache.«

      Er seufzte. »Mann, lass die doch einfach ihr kleines Treffen abhalten.«

      »Ihr Nazitreffen.«

      Sie sahen sich herausfordernd an. Dann schweifte der Blick des Türstehers ab. »Gehen Sie zu Ihren Freunden zurück«, sagte er.

      Der Anführer der Western Boys stand auf einmal so dicht hinter Grace, dass sie einen Satz machte, als er zu reden begann. »Gibt es ein Problem?« Seine hoffnungsvolle Miene war widerwärtig.

      Grace flehte ihre Schwester im Stillen an, den Mund zu halten.

      Miriam zögerte keine Sekunde. »Ich bin nicht hergekommen, um mit der Simi-Valley-Hitlerjugend zu trinken.«

      »Wir sind keine Nazis.« Sein Ton ließ Grace vermuten, dass er diesen Vorwurf häufiger abwehren musste.

      »Ich hab noch nie klarstellen müssen, dass ich kein Nazi bin«, sagte Miriam.

      »Halten Sie uns, wofür Sie wollen. Wir trinken hier nur was. Und Sie wollen uns rausschmeißen lassen.« Er schüttelte lächelnd den Kopf. »Tja, es ist nicht lange her, da wurden Leute wie Sie an der Tür abgewiesen. Da waren keine Schwarzen, keine Juden, keine Chinesen erlaubt.«

      Sie schnaubte höhnisch. »Ihre Mütze können Sie ablegen, die Hautfarbe nicht. Sie sind sicher nach der vierten Klasse abgegangen, oder?«

      »Ich habe in Berkeley studiert«, sagte er und verschränkte die Arme.

      Grace spürte Miriams Überraschung. So etwas flößte ihr Respekt ein.

      Der Türsteher mischte sich ein. »Genug jetzt. Sie«, sagte er zu dem Anführer, »geben Sie mir bloß keinen Grund, hier durchzugreifen.«

      »Ich verteidige mich doch nur.« Er hob die Hände und wich mit übertriebener Ehrerbietung zurück.

      »Du gibst denen genau, was sie wollen«, sagte der Türsteher zu Miriam. »Eine Frau wie du würde solche Typen sonst doch nicht mal anschauen.«

      Sie ignorierte das Friedensangebot. »Der Manager sollte Bescheid wissen. Glaub mir. Der Typ ist nicht hergekommen, um in Ruhe was zu trinken.«

      Als sie wieder am Tisch saßen, begann Blake sofort auf sie einzureden. Er ratterte geradezu manisch los und zeigte ihnen auf dem Handy einen Tweet mit einem körnigen Video der Western Boys, die an der Bar saßen und lachten. Im @TheCrookedTail mit @MiriamMPark, und wer kommt rein? Diese Faschisten. Gerade eben. Kommt her und macht denen klar, dass sie in unserem LA nicht erwünscht sind. #WesternBoysNightOut


Скачать книгу