Staatshaftungsrecht. Michael Ahrens
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B wird in diesem Fall nicht vom Schutzbereich der Amtspflicht erfasst, denn diese bezieht sich nur auf die jeweils einzelnen Grundstücke, die unmittelbar betroffen sind. Die Amtspflicht ist also objektbezogen. Das Grundstück des B ist selbst aber unbelastet. Eine nur mittelbare Auswirkung einer Amtspflichtverletzung reicht nicht aus. B hat keinen Amtshaftungsanspruch.
JURIQ-Klausurtipp
Behalten Sie für die Klausurbearbeitung in Erinnerung: Grundsätzlich gibt es keine Amtshaftung für normatives Unrecht. Ausnahme und damit klausurrelevant ist der Bebauungsplan. Hier können drittbezogene Amtspflichten bestehen, die aber genau eingegrenzt und festgestellt werden müssen. Also keine allgemeinen Floskeln verwenden. Auch wenn dieser Punkt in der Rechtsprechung nicht weiter erörtert wird, will der Fallsteller von Ihnen die Herleitung der Drittbezogenheit der Amtspflicht wissen.
Dabei benutzen Sie die drei Schritte, um den Drittbezug zu ermitteln:
• | generelle Drittbezogenheit der konkreten Amtspflicht, |
• | fällt der Anspruchsteller in den persönlichen Anspruchsbereich der Amtspflicht und |
• | will die Amtspflicht den Anspruchsteller gerade vor dem eingetretenen Schaden bewahren. |
3. Sonderfall: Hoheitsträger als Dritter i.S.d. Amtshaftung
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Eine Amtspflichtverletzung kann nicht nur Private, also Bürger und juristische Personen des Privatrechts schädigen. Denkbar ist auch, dass ein anderer Verwaltungsträger, also eine juristische Person des öffentlichen Rechts betroffen ist.
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Voraussetzung ist, dass die verletzte Amtspflicht auch dem Schutz der Interessen des geschädigten Verwaltungsträgers dient. Weiterhin muss der Amtswalter dem Verwaltungsträger in gleicher Weise gegenüberstehen wie einem Bürger. Das bedeutet, dass zwischen den Beteiligten gegenläufige Interessen bestehen müssen. Eine derartige Konstellation ist im Bereich des Selbstverwaltungsrechts möglich, wenn sich Selbstverwaltungskörperschaft und Staatsaufsicht gegenüber stehen.[98]
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Handeln die beteiligten Verwaltungsträger jedoch, um eine gemeinsame Aufgabe zu erfüllen, fehlt es an diesem Interessengegensatz, der für die Amtshaftung notwendige Voraussetzung ist.[99]
Beispiel
Die Bezirksregierung/Regierungspräsidium genehmigt als Kommunalaufsichtsbehörde die Finanzierung einer städtischen Sporthalle der kreisfreien Stadt K nach dem Leasingmodell, obwohl eine Kreditfinanzierung günstiger gewesen wäre. Eine Überprüfung des Landesrechnungshofs stellt diesen Sachverhalt fest. Nunmehr verlangt die Stadt K die durch das Leasingmodell entstandenen Mehrkosten als Schadensersatz aus Amtshaftung.[100]
Die rechtmäßige Ausübung der Kommunalaufsicht ist zunächst im öffentlichen Interesse. Allerdings umfasst sie auch die Pflicht, die Gemeinde vor rechtsfehlerhaftem Handeln zu bewahren. Eine Selbstschädigung der Gemeinde soll vermieden werden. Dazu zählt die Wahrung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Gemeinde verbunden mit dem sparsamen Umgang der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel, vgl. z.B. § 75 Abs. 1 GO NRW, § 77 Abs. 2 GemO BW. Damit besteht eine generelle Drittbezogenheit der Amtspflicht.
Die Stadt K fällt auch in den persönlichen Anwendungsbereich der Amtspflicht und der eingetretene Schaden der höheren Finanzierungskosten sollte durch die Ausübung der Amtspflicht gerade verhindert werden. Damit wird der Schaden vom Schutzzweck der Amtspflicht erfasst.
Im Ergebnis liegt eine drittbezogene Amtspflichtverletzung vor und der Amtshaftungsanspruch ist bis dahin gegeben.
2. Teil Amtshaftung, § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG › B. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen › V. Verschulden
V. Verschulden
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Die Amtshaftung nach § 839 BGB verlangt, dass der Amtswalter die drittbezogene Amtspflicht vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat. Amtshaftung ist also Verschuldenshaftung und unterscheidet sich durch dieses Merkmal grundsätzlich von den Ansprüchen auf Entschädigung und Wiederherstellung.
Hinweis
Erinnern Sie sich an die Differenzierung der Staatshaftung nach den vier großen Bereichen, s.o. Rn. 3.
1. Verschuldensmaßstab
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Das Prinzip der Verschuldenshaftung beruht auf der Konstruktion des Amtshaftungsanspruches als deliktischer Tatbestand, da an die deliktische Eigenhaftung des Amtswalters angeknüpft wird. Art. 34 GG erwähnt zwar kein Verschuldenserfordernis lässt es deshalb aber nicht entfallen. Art. 34 GG leitet den gegen den Amtswalter gerichteten Anspruch nur auf den Staat über.
Die Feststellung des Verschuldens erfolgt nach den Regeln des BGB. Sie muss konkret bezogen auf die Schuldform Vorsatz oder Fahrlässigkeit erfolgen, da sie sich auf die Anwendbarkeit der Haftungsbegrenzungen aus § 839 Abs. 1 S. 2 BGB – nur im Falle der Fahrlässigkeit – und § 839 Abs. 2 BGB – nur bei Vorsatz – auswirkt.
Anknüpfungspunkt ist die drittbezogene Amtspflichtverletzung, nicht der Schadenseintritt.[101]
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Vorsatz bedeutet, dass sich der Amtswalter bewusst ist oder mindestens mit der Möglichkeit rechnet, dass er sich über eine Amtspflicht hinwegsetzt.[102] Der Amtswalter muss dabei das Bewusstsein haben, gegen eine Amtspflicht zu verstoßen. Irrt sich der Amtswalter, so entfällt das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit und damit zugleich der Vorsatz.[103]
Hinweis
Eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung ist in der Praxis wie in der Klausur äußerst selten und dann ohne weiteres festzustellen.
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Fahrlässig handelt der Amtswalter, der die übliche Sorgfalt nicht beachtet, § 276 Abs. 2 BGB. Maßstab ist dabei ein pflichtgetreuer Durchschnittsbeamter. Auf individuelle subjektive Kenntnisse und Fähigkeiten kommt es dabei nicht an.[104] Dieser Verschuldensmaßstab kann durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeengt werden, z.B. auf grobe Fahrlässigkeit. Das ergibt sich aus Art. 34 S. 1 GG, wenn es heißt, dass der Staat grundsätzlich die Haftung bei einer Amtspflichtverletzung übernimmt. Damit wird nur eine Mindestgarantie der Amtshaftung vorgegeben, die eine inhaltliche Begrenzung dieses Instituts zulässt. Das Erfordernis eines förmlichen Gesetzes als Grundlage, um den Verschuldensmaßstab zu begrenzen, entspringt dem Prinzip des Gesetzesvorbehalts, Art. 20 Abs. 3 GG.
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Eine kommunale Satzung aufgrund des allgemeinen Satzungsrechts der Gemeinden erfüllt diese Voraussetzung nicht. Das Staatshaftungsrecht liegt außerhalb dieser Satzungsautonomie. [105]
Hinweis
Vorsicht! Verwechseln Sie die Frage nach einer