50 Jahre Speech-Acts. Группа авторов
vs. dass-VL-Imperativsatz oder w-Eklamativsatz vs. dass-VL-Exklamativsatz). Im Bereich der Sprechakte referiert d’Avis knapp die fünf Searle’schen Illokutionsklassen und kommt dann zum Zusammenhang zwischen beidem, was nicht nur schuldidaktische, sondern auch ganz allgemein spracherwerbsrelevante Aspekte hat:
Das Ziel des Spracherwerbs können wir in diesem Zusammenhang also so formulieren, dass Sprachlerner lernen, welche Satztypen zur Realisierung eines bestimmten Sprechaktes geeignet sind. Eine Defaultbeziehung können wir damit auch dadurch beschreiben, dass wir uns fragen, welchen Satztyp man typischerweise wählt, um einen bestimmten Sprechakt zu vollziehen. (d’Avis 2019, S. 32)
Dabei kommt er dann zu folgenden Zusammenhängen: assertive Illokution und Deklarativsatz (und erfragend Interrogativsatz), direktive Illokution und Imperativsatz, Expressiv und Optativsatz sowie Exklamativsatz. Schauen wir uns die Beschreibungen zu den letzten beiden Typen etwas genauer an (die zu den Assertiva und Direktiva funktionieren genauso):
Abb. 5:
Scanzitat (mit handschriftlichen Markierungen) aus d’Avis (2019, S. 33)
Als SprechakttheoretikerIn ist man zunächst erstaunt über den Sprechakt des Wünschens. Man würde eher sagen wollen, dass wünschen wohl ‚einen Wunsch haben (und diesen evtl. auch äußern)‘ o.Ä. bedeutet, wobei Wünsche also ganz klar intentionale (= auf Weltsachverhalte oder Vorgänge/Handlungen usw. gerichtete) Zustände sind, die als solche Aufrichtigkeitsbedingungen für bestimmte Illokutionen sind (etwa für direktive). Aber ein Wunsch als solcher ist erstens keine Emotion (deswegen dürfte auch der Ausdruck eines Wunsches kein expressiver Sprechakt sein) und meines Erachtens dürfte es sich hier zweitens auch nicht um einen ausgedrückten Wunsch handeln, sondern eher um Bedauern, dass etwas nicht ist.2 Wenn man allerdings optativ übersetzt, landet man bei ‚einen Wunsch ausdrückend‘ und man sieht: Hier ist ein sehr eng gestellter Zirkel am Werk. Wunsch äußern = Benutzen von Optativsätzen und Benutzen von Optativsätzen = Vorliegen eines Sprechaktes des Wünschens. Während man beim Wünschen als einem potenziellen expressiven Sprechakt vielleicht noch an die (traditionell-grammatisch ja bereits gut erfassten) irrealen Verwendungen denken kann, scheint mir das bei dem noch kürzer gezirkelten Pärchen Sprechakt Exklamation und Exklamativsatz noch schwieriger zu sein – ich spare mir hier weitere Ausführungen und verweise nur ganz grundlegend auf die Figur der petitio principii.
Was hier an den Formulierungen des Typs Ein Sprechakt XY liegt vor, wenn Satztyp Z deutlich wird, das ist der theoretisch unbefangene (und auch wenig nützliche) Einbezug von Illokutionen (oder das, was man für solche hält). Die Beschreibungen der Sprechakttypen, für die dann typischerweise Satztypen verwendet werden (können), sind paradoxerweise gar nicht an den Beschreibungen von Sprechakttypen orientiert, sondern anders herum: sie gehen von Satztypen aus. Es gibt Imperativsätze und beim Vollzug direktiver Sprechakte bedient man sich typischerweise derer, es gibt Deklarativsätze und beim Vollzug assertiver Sprechakte bedient man sich typischerweise derer usw. Die Richtung ist also: Was haben Satztypen mit Illokutionen zu tun? (so geht d’Avis vor) und nicht: Was haben Illokutionen mit Satztypen zu tun? (so beschreibt d’Avis aber etwa das oben erwähnte und theoretisch zu rekonstruierende Ziel des Spracherwerbs). Beide Richtungen haben ihre Berechtigung, aber man muss sich klar darüber sein, welche man wofür einschlägt. Hier fällt man zudem hinter die gut etablierte Erkenntnis zurück, dass Satztypen ein und ein mal mehr und mal weniger guter Indikator für den Vollzug von Sprechakttypen sind – mehr nicht. Es ist kein definierendes Merkmal eines direktiven Sprechakts, dass man einen Imperativsatz äußert, und erst recht kein definierendes Merkmal eines assertiven Sprechakts, dass man einen Deklarativsatz äußert (so aber formuliert es d’Avis), sondern der Satztyp ist zum Vollzug eines illokutionären Aktes geeignet (aber nicht notwendig) und beim Vollzug eines illokutionären Aktes kann man sich des einen bedienen (muss es aber nicht). Auch hier steckt in den diesmal aber vergeblichen SAT-Beschreibungen also wenig SAT.
3.4 SAT in der Didaktik? Ein Anriss
Die Hallenser KollegInnen Matthias Ballod und Sarah Stumpf bringen die SAT an zwei zentralen didaktischen Punkten, dort allerdings lediglich programmatisch, ins Spiel:
Das Wissen, warum kommunikative Prozesse gelingen oder scheitern, kann aus einer sprechakttheoretischen Perspektive vermittelt werden. […]
Das besondere Potenzial der Pragmatik liegt darin, dass durch pragmatische Kerntheorien – wie z.B. die Sprechakttheorie – die Dichotomie zwischen Sprach- und Literaturdidaktik überwindbar wird und Deutschdidaktik eine einheitliche Zieldimension erfährt. (Ballod/Stumpf 2019, S. 84f.)
Doch bevor das gelingen kann, muss die SAT eines noch verstärkt unter Beweis stellen: ihre Nützlichkeit und Praktikabilität beim Analyseeinsatz. Darum muss es in der nächsten Zeit gehen: SAT fit machen für die adäquate Analyse natürlichsprachlicher Daten.
3.5 Alle Tiere sind schon da – ein kurzes Resümee
Vielleicht kann man zunächst zwei Dinge festhalten: Einerseits gibt es SAT-Einbezüge, ohne dass man sich klar darüber ist, hier SAT einzubeziehen (und es auch wohl ablehnen würde; so bei der GA und der IL), andererseits gibt es weit von SAT wegführende Weiterentwicklungen, bei denen die SAT im Grunde verlorengeht (so bei der FP), und SAT-Einbezüge, die keine sind (so bei den Satztypen des unter 3.3 rezipierten Ansatzes). Insbesondere hinsichtlich der unbemerkten oder/und ungewollten SAT-Einbezüge in der GA und IL1 möchte ich an dieser Stelle mittels der erneuten Wiedergabe eines Schaubildes aus Staffeldt (2014) dafür plädieren, hier keine sich ausschließenden alternativen Zugänge zur funktionalen Analyse zu sehen. Vielmehr scheint es mir vorrangig eine Frage des unterschiedlichen Startpunktes zu sein. Man kann aber beides auch als ineinandergreifend modellieren und erhält auf diese Weise eine kreislaufartige Spirale funktional orientierter Erkenntnisgewinnung (s. Abb 6). Etwas zugespitzt kann man die komplementären Zugänge auch so charakterisieren:
GA/IL(Ausgangspunkt: eher Formen) | SAT(Ausgangspunkt: eher Funktionen) |
Welche strukturell beschreibbaren Muster zeigen sich im Sprachgebrauch?Welche Funktionen können diesen zugeordnet werden?Grundfrage könnte sein: Was meinst du, wozu dient dieses Muster in der Interaktion? | Welche sprachlichen Handlungen können angenommen werden?Wie werden sprachliche Handlungen realisiert und in Realisierungen als diese indiziert?Grundfrage könnte sein: Was ist für dich alles ein xy und was nicht mehr? |
Tab. 1:
Grundlegende methodische Weichenstellungen für GA/IL und SAT (vergröbert)
Startpunkte für SAT und GA im spiralartigen Kreislauf einer letztlich vielleicht gemeinsamen Methode zur funktionalen Beschreibung von Sprachvorkommen – Scanzitat aus Staffeldt (2014, S. 112)
4 Dritter Akt: Die Schlange und der Drehwurm
Zum Abschluss sei – in aller Kürze, der Aufsatz ist bis hierher ja nun schon lang genug eigentlich – noch auf eine nicht nur wissenschaftsgeschichtliche Kuriosität eingegangen, die noch einmal, diesmal aber von ganz anderer Seite kommend deutlich macht, dass SAT-Einbezüge unbemerkte Wiedereinbezüge sein können, und auch, dass SAT-Orientierungen weder unnütz noch methodisch verstaubt oder gegenstandsunangemessen sein müssen.
Vor 44 Jahren haben Gerd Fritz und Franz Hundsnurscher einen Aufsatz veröffentlicht, in dem sie sich mit den verschiedenen Fortsetzungsmöglichkeiten nach einem VORWURF im ersten Zug in einer Interaktionssequenz befasst haben (was man in der GA wohl konditionale Relevanz genannt hat und nennen würde). Es war dies einer der ersten Schritte1 von einer einzelsprechaktbezogenen SAT hin zu einer Dialoganalyse, die sich mit Sequenzen von aufeinander bezogenen Sprechakten beschäftigt (vgl. Fritz/Hundsnurscher