Kein Mann für eine Nacht. Fae Clarke
schaue ich von einem zum anderen. Es liegen Welten zwischen ihnen, der Fremde ist gut und gern zehn Zentimeter kleiner, aber markanter. Der Schönling dreht sich um, schaut meinen Noch-Freund an und quetscht sich hernach an ihm vorbei nach draußen. Geht er jetzt womöglich wieder?
»Das soll ich dir geben«, sagt der ältere Barkeeper und schiebt mir einen Zettel zu. Nur mühsam senke ich meinen Blick gen Tresen. Wie in Trance versuche ich die Worte zu analysieren.
»Den nehme ich«, murmelt Alice, greift nach dem Papier und nimmt es an sich. Das ist auch gut so, denn schon tritt Pete neben mich und fordert einen Kuss. Nur noch ein paar Tage, schießt es mir durch den Kopf. Eigentlich will er gar nicht mit uns reden, doch er will zeigen, dass ich ihm gehöre und je mehr Publikum anwesend ist, desto besser.
Nach einigen endlos scheinenden Minuten verschwindet er endlich wieder, da er sich mit uns langweilt. Kaum ist er außer Sichtweite, steckt Alice mir den Zettel zu. »Lies schon. Ich passe auf«, flüstert sie.
Nervös pfriemle ich ihn auseinander. »Hallo Schöne. Ich würde mich freuen, wenn du mich kontaktieren würdest. Rob
PS: Es freut mich, dass du wieder da bist.« Darunter steht seine Handynummer.
Einerseits kommt es mir unheimlich abenteuerlich, andererseits wie eine billige Anmache vor. Aufseufzend schließe ich die Augen, stelle mir vor, wie es wäre, seine Lippen auf den meinen zu spüren. Fehler! Nein, Schluss damit!
»Was schreibt er denn?« Was solls, ich reiche der neugierigen Freundin das Briefchen. Grinsend liest sie.
»Willst du?«
»Was will ich?«
»Na ihn anschreiben«, bohrt sie weiter.
»Ich weiß nicht.«
Verdutzt gibt sie mir das Stück Papier zurück. »Warum denn nicht? Er sieht doch gut aus, scheint interessant zu sein und in ein paar Tagen kannst du eh machen, was immer du willst.«
»Ja, das schon, aber findest du das Ganze nicht etwas abgedroschen?«
Mit einem entsetzten Gesichtsausdruck dreht sie sich zu mir herum. »Was? Nein, überhaupt nicht. Wieso? Wie kommst du denn bloß darauf?«
»Ach ich weiß nicht.«
»Oh Abby, nun hab dich nicht so. Was soll er denn machen? Dir zu Füßen liegen? Dich etwa anquatschen und damit riskieren, dass Pete es bemerkt?«
Sie hat ja Recht. »Dann sag mir, was ich jetzt tun soll.«
»Na anschreiben natürlich, am besten sofort.«
Das hat sie jetzt nicht wirklich gesagt, oder? »Ich kann ihn doch jetzt nicht anschreiben?«, entgegne ich entsetzt.
»Warum denn nicht?«
»Na weil … Pete …« Mir fällt kein einleuchtender Grund ein, der auch nur annähernd überzeugend klingen würde und schiebe ausgerechnet meinen Typen vor.
»Das ist jetzt ein Witz, oder? Los, gib mir dein Handy!« Auffordernd hält sie ihre Hand auf.
»Bestimmt nicht! Hab es außerdem eh nicht bei mir.«
Lachend springt sie vom Barhocker und schlängelt sich durch den Menschenpulk zur Garderobe. Das kann jetzt nicht wahr sein! Sie wird doch nicht … doch wird sie, denn da geht sie auch schon mit meinem Smartphone winkend Richtung Ausgang. Hastig schnappe ich mir meine noch immer halbvolle Colaflasche, den Schluck Wein lasse ich stehen, und schiebe mich zwischen den Besuchern zum Eingangsbereich, nicht ohne mir vorher meine Jacke überzustreifen, um ihr auf der Stelle zu folgen. Wer weiß, was sie vorhat!
Draußen bleibe ich wie angewurzelt stehen; denn ebendieser Rob hält sich direkt neben der Tür auf und blickt auf sein Handy. Er hat mich noch nicht bemerkt, und da ich nicht weiß, wie ich mich verhalten soll, will ich unauffällig den Rückzug antreten und wieder hineingehen. Doch in dem Moment, als ich zur Türklinke greife, blickt er auf und lächelt mich an. Na gut, was solls! Da ich Alice nicht sofort ausmachen kann, will ich mir mit zittrigen Fingern eine Zigarette anzünden, doch er kommt mir zuvor und hält mir galant ein Feuer hin.
Da entdecke ich die Freundin auf der anderen Straßenseite, wie sie uns feixend beobachtet. Bevor ich zu ihr hinübereilen kann, meint er: »Du hast da was verloren.« Seine relativ tiefe Stimme, die so gar nicht zu seinen feinen Gesichtszügen passen will, lässt mich beinahe erzittern.
Rasch blicke ich auf den Boden und sehe den sorgsam zusammengefalteten Zettel zu meinen Füßen. Noch ehe ich mich hinunterbeugen kann, bückt er sich und hebt ihn für mich auf. Als er ihn mir reicht, berühren sich unsere Fingerspitzen. Können eigentlich Funken sprühen, wenn man die Haut eines anderen streift?
»Danke«, sage ich leise. »Entschuldige, aber ich muss mal eben zu meiner Freundin da drüben.«
»Klar, kein Problem.« Damit strahlt er mich an. Herrje, kann ich ihm das nicht einfach verbieten?
Hastig stopfe ich das Briefchen wieder in die Jackentasche zurück. Viel zu schnell überquere ich die schmale Straße, flüchte regelrecht vor ihm.
»Das zahl ich dir heim!«, zische ich Alice zu, doch sie grinst mich im Gegenzug an.
»Warum? Lief doch prima.«
Von wegen! »Hast du ihm schon geschrieben?«
»Wie denn? Du hast schließlich den Zettel mit seiner Nummer«, erwidert sie belustigt. Das war also nur ein Trick, um mich hier rauszulocken! Am liebsten würde ich ihr den Kopf waschen.
»Los schreib ihm!« Damit hält sie mir mein Smartphone entgegen.
»Nein, ich kann das nicht!«
Kaum habe ich den Satz ausgesprochen, nimmt sie den Zettel aus meiner Tasche und rennt kichernd weg. Nun wirds kindisch, denke ich und bleibe diesmal demonstrativ stehen. Als ich mich endlich traue, zu ihm hinüberzublicken, schaut er schmunzelnd von seinem Handy auf. Erst mustert er mich, dann sucht er anscheinend meine Freundin, sie hat ihm wohl bereits in meinem Namen geschrieben, Miststück. Wenn auch ein liebes, denn ich weiß ja, dass sie es nur gut meint.
»Da«, ruft sie prustend, als sie zurückgeeilt kommt und mir mein Mobiltelefon und den Zettel hinhält. Sofort greife ich danach, nicht, dass ihr noch mehr dumme Ideen einfallen. Hastig suche ich die Nachricht im Postausgang. Kreidebleich lese ich den Text: »Hi. Hier hast du meine Nummer.«
Na das hätte ich bestimmt auch gerade noch hinbekommen. Ein Vibrieren ertönt, irritiert schaue ich auf die Anzeige im Display – Rob Knackarsch. Na ganz toll, jetzt hat sie ihn auch noch unter einem subtilen Namen abgespeichert. Kichernd stupst sie mich in die Seite.
»Danke oder sollte ich mich besser bei deiner Freundin bedanken«, lese ich seine Antwort.
Ich traue mich gar nicht, zu ihm hinüberzuschauen, aber ich muss, unweigerlich. Mittlerweile sitzt er mit verschränkten Armen auf einem kleinen Mauervorsprung neben dem Eingang und scheint sich köstlich über uns beide zu amüsieren. »Na toll«, murmle ich.
Die Tür öffnet sich und Pete kommt heraus. Geschwind schiebe ich mein Handy samt Zettel in die Jackentasche. Rob schaut ihm mit einem seltsamen Gesichtsausdruck hinterher, als dieser auf mich zukommt.
»In einer Stunde ungefähr?«, fragt er mich, obwohl es mal wieder keine Frage sondern eine Anweisung ist.
»Okay.« Es waren bisher zwar gerade einmal eineinhalb Stunden, aber was solls. Eine Diskussion will ich jetzt nicht lostreten.
»Könnten wir in nächster Zeit mal dahin gehen, wo es mir auch gefällt? Ich will mal wieder normale Leute sehen«, lässt er hingegen lautstark verlauten, obwohl er sich anscheinend gut unterhalten hatte, denn gesehen hatte ich ihn nicht, was davon zeugt, dass er sich amüsiert. Und nun ist es ihm völlig egal, ob er mit seinem Spruch die umstehenden Leute beleidigt. Wie peinlich, und wieder schäme ich mich fremd.
Aus den Augenwinkeln merke ich, dass der süße Typ sein Gesicht schmunzelnd abwendet. Am liebsten würde ich im Erdboden versinken. Wieso tut Pete