Kein Mann für eine Nacht. Fae Clarke
aus schwarzer Spitze und blutrotem Taft. Es soll eine ungewöhnliche Hochzeit werden, nämlich eine Vampirhochzeit, ich freue mich jetzt schon auf die Fotos. Die passenden Accessoires wie Tasche, Stola, Armstulpen und Kopfschmuck habe ich bereits fertiggestellt.
Im Arbeitszimmer lege ich eine CD ein und drehe laut auf, um keinen Gedanken mehr fassen zu können. Musik lenkt mich meistens von meinem Gedankenchaos ab, weil ich mitsinge und somit gar nicht mehr überlegen kann. Sofort bin ich in meinem Element und komme bis zum Abend gut voran. Wenn ich so weiter arbeite, kann die Kundin das Kleid bereits nächste Woche anprobieren.
Als ich Petes Schritte auf der Treppe höre, versuche ich es so zu legen, dass er es nicht als solches erkennt. »Na? Wieder am Arbeiten? Ich dachte, wir wollten den Sonntag zusammen verbringen?«, fragt er gängelnd.
Ist das wirklich sein Ernst? »Du sagtest doch, dass du zocken wolltest?«, erwidere ich ruhig, obwohl ich gerade explodieren könnte.
»Ja und? Hätte ja sein können, dass du wieder runterkommst, dann hätte ich bestimmt die DVD eingelegt, die du sehen wolltest.«
»Echt? Cool, ich schneide noch schnell den Stoff zurecht, dann komm ich runter«, sage ich begeistert, da ich mich wirklich auf den Film freue.
»Na ja, dafür ist es aber schon ein bisschen spät, oder? Schau mal auf die Uhr.«
Kann er irgendwann mit seinen abartigen Spielchen aufhören? Zudem ist es noch nicht einmal 20 Uhr, wir hätten also genug Zeit! Dieses Hin und Her geht seit Jahren so. ›Ällabätsch, hättest du mal, dann könnten wir …‹ Es macht mich wahnsinnig. »Und was willst du dann jetzt von mir?«, entgegne ich nun doch sichtlich entnervt.
»Na, wenn du mal runtergekommen wärst, dann …«
»Ach hör endlich mit dem Mist auf, Pete!«, fahre ich ihn mit einem Mal an. Ich kann seinen verbalen Müll nicht mehr hören, es reicht mir schlagartig und ich bin selbst erstaunt.
»Was ist denn nun wieder los?«, fragt er mich allen Ernstes. »Und was habe ich jetzt wieder Falsches gesagt?« Er zieht die Worte gekünstelt in die Länge, um so seinem Unmut Ausdruck zu verleihen. Theatralisch holt er tief Luft und geht in die Hocke. Nein! Nicht jetzt! Wir werden im Moment keine unsinnige Diskussion starten, die eh wieder darauf abzielt, dass er heulend vor mir hockt und ich wie immer alle Schuld auf mich nehmen muss.
»Du hast nichts falsch gemacht, okay? Geh bitte, ich habe einen dringenden Auftrag. Tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe«, erwidere ich rasch und beuge mich vor, damit er mich endlich feucht küssen kann, was er, wenn auch widerwillig, sofort macht.
Kaum verlässt er vor sich hin schimpfend mein Zimmer, wische ich mir angewidert den Mund ab. Wie so häufig vernehme ich übelste gegen mich gerichtete Beleidigungen, doch diese prallen mittlerweile an mir ab. Zu oft habe ich diese schon zu hören bekommen.
Bereits zwei Stunden später kommt es zum großen Krach, wie fast jedes Wochenende, das bin ich gewohnt. Wieder geht es darum, warum ich keine Zeit für ihn finde. Pete hat im Endeffekt auch recht. Ich will nicht ständig für ihn da sein, zumal sich eh alles nur um das Thema Sex dreht. Er glotzt die heißen Frauen im TV an, nicht dass er gleich lossabbern würde, und macht sofort wieder Anspielungen. Diese sind aber mitnichten verführerisch, im Gegenteil. Das mag am Anfang einer Beziehung noch reizvoll und neu sein, aber doch nicht nach Jahren? Oder ticke ich da vollkommen falsch?
3
D
ie nachfolgenden Monate verflogen im Nu, für mich leider immer noch nicht schnell genug. Das Hochzeitskleid hatte ich zwischenzeitlich mit großer Begeisterung an die Kundin verkauft, seitdem konnte ich mich vor Aufträgen kaum retten. Zwar waren es meist Kleinigkeiten, aber dadurch war ich beschäftigt und konnte mir auf die Schnelle immer mehr ansparen, da ich so gut wie keine Materialkosten hatte. Und der beste Nebeneffekt war, dass die Zeit sehr schnell verrann.
Vor vier Wochen fand ich endlich, dank Alice, eine kleine Wohnung. Der Mietvertrag war ohne langes Überlegen unterschrieben. Nächste Woche kann und werde ich diese beziehen. Ab dem Zeitpunkt werden wir uns sehr oft sehen können, da sie nur zwei Häuser weiter wohnt. Endlich hatte ich mich dazu durchgerungen Pete zu verlassen und einen Schlussstrich zu ziehen. Nur weiß dieser davon nichts. Den Mut dazu brachte ich tatsächlich durch den Schönling im Club auf, wenn auch indirekt. Er inspirierte mich einfach dazu, selbst wenn er gar nichts dazu tat, denn das konnte er überhaupt nicht.
Natürlich hatte ich ihn, entgegen meiner Hoffnung, nicht vergessen. Und trotz dessen, dass ich ihn nicht wieder sah, obwohl ich zwischenzeitlich wieder im Club war, hatte er bei mir solch einen enormen Eindruck hinterlassen, dass ich ihn als meinen Wink des Schicksals sah und mich dazu entschloss, auf Wohnungssuche zu gehen. Natürlich tat ich es nicht für ihn, sondern für mich allein, für meine Zukunft.
Seit der Zusage traf ich mich heimlich tagsüber mehrfach mit Alice, um alles durchzuplanen. Sie war entsetzt, als ich ihr das erste Mal ausführlich erklärte, was die letzten Jahre alles vorfiel. Unverzüglich kontaktierte sie Tom, um ihm alles zu berichten, mit meiner Zustimmung, womit ich mich allerdings schwertat. Denn über meine Probleme zu reden fiel und wird mir immer schwerfallen. Nun hilft auch er mir beim Umzug, da konnte ich gar nicht widersprechen. Und das alles unter der Woche. Das wird noch was werden, denke ich schmunzelnd.
Für den Auszug haben wir bloß wenige Stunden Zeit, da ich Pete nach wie vor kein Sterbenswörtchen gesagt habe. Nur zu gut weiß ich, dass er mich noch am selben Tag auf die Straße setzen würde und dann könnte ich lange auf meine Sachen warten. Damit hatte er mir nämlich von Anfang an gedroht. Schluss heißt Schluss, mit sofortigen Konsequenzen. Und er wird dieses Haus nicht freiwillig verlassen. Zudem kann ich mir die Miete gar nicht leisten.
Panik kriecht in mir hoch und lässt meinen Atem stocken. Jetzt nur nicht durchdrehen! Mein Puls rast, ich muss mich beruhigen, sofort! Ich drehe die Musik laut auf und lehne mich mit geschlossenen Augen in meinem Schreibtischstuhl zurück. Atmen! Ganz tief hole ich Luft, halte sie kurz an. Langsam wird es besser. Warum passiert das in letzter Zeit nur so oft? Ist es eher die Angst oder doch die Aufregung?
Gerade jetzt kann ich keine Attacke gebrauchen, da wir heute in den Club gehen. Eigentlich wollte ich gar nicht, aber Alice hat mich dazu überredet. Nun muss ich mich doch noch einmal mit ihm zeigen. Ob das gut geht? Ich hoffe es, da ich gerade jetzt keine weitere Szene möchte. Warum habe ich mich auch von der Freundin breitschlagen lassen. Kurz überlege ich, ob ich das Ganze nicht absagen sollte, verwerfe diesen Gedanken aber gleich wieder. Schließlich kann ich Pete kaum sagen, dass ich jetzt doch keine Lust habe wegzugehen. Das würde ihn nur misstrauisch machen.
Na gut, dann werde ich mich langsam fertigmachen. Mir ist es völlig egal, wie lange er brauchen wird. Diese aufkommende Gleichgültigkeit lässt mich ganz ruhig werden, sodass ich schneller fertig bin als gedacht. Ich blicke auf die Uhr, es ist erst kurz nach neun. Hm, was soll ich jetzt mit der noch verbleibenden Zeit anfangen? Mit dem Mobiltelefon in der Hand gehe ich nach unten und schreibe Alice eine Nachricht.
Im Vorbeigehen fällt mir auf, dass Pete bereits im Bad ist, das Wasser läuft. Wie kommt’s? Er wird doch nicht etwas ahnen? Quatsch, sonst würde er sich erst gar nicht fertigmachen, oder? Verwundert zünde ich mir in der Küche eine Zigarette an, als mein Smartphone vibriert. Alice schreibt: »Nein, Süße. Du kommst! Vergiss es, du hast Lust zu haben! Aus, Ende, fertig, verstanden? Bis dann, hab dich lieb.«
Kichernd antworte ich: »Jawoll Ma’am! Aber mal davon abgesehen, kann ich ab nächste Woche immer, wenn ich möchte. Also warum ist dir das heute nur so wichtig?«
Keine zwei Minuten später folgt die Antwort: »Weil ich das sage und weil … Ach, du wirst schon sehen. Auf gehts, Party!«
Bevor ich antworten kann, steht Pete hinter mir. Fix und fertig angezogen. Das gibts doch nicht! So schnell war er noch nie fertig! Was ist nur los? Erst die ominösen Zeilen der Freundin, dann ist er auch noch so geschwind fertig. Hängt das zusammen? Nein, das glaube ich nicht, da Alice jeglichen Kontakt zu ihm abgebrochen hatte, nachdem sie all die Geschichten über uns erfuhr.
Hastig schlüpfe ich in meine Jacke