Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden. Kurt E. Böhme
auch von solchen Fußgängern zu beachten, die die Fahrbahn zwar außerhalb eines bezeichneten Übergangs, jedoch innerhalb des Kreuzungsbereichs überqueren. Dabei darf der Fußgänger bei Freigabe der Straße nicht sofort die Fahrbahn betreten, sondern muss noch auf den fließenden Verkehr achten.[402]
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Die Führer von Fahrzeugen (mit Ausnahme von Schienenfahrzeugen) haben den Fußgängern, welche die Fahrbahn auf einem Fußgängerüberweg erkennbar[403] überschreiten wollen, das Überqueren zu ermöglichen. Sie dürfen deshalb nur mit mäßiger Geschwindigkeit heranfahren und müssen nötigenfalls anhalten (§ 26 Abs. 1 S. 2 StVO). Von dieser Verpflichtung ist der Fahrer nur dann befreit, wenn der Fußgänger deutlich zum Ausdruck bringt, dass er auf seinen Vorrang verzichtet.[404] An Fußgängerüberwegen darf nicht überholt werden, § 26 Abs. 3 StVO. Stockt der Verkehr, so dürfen Fahrzeuge nicht auf den Überweg fahren, wenn sie auf ihm warten müssten, § 26 Abs. 2 StVO.
Aufgrund dieser Sorgfaltspflichten des Fahrers wird ein Verschulden des Fußgängers beim Überqueren der Fahrbahn auf Zebrastreifen im Wesentlichen nur dann in Betracht kommen, wenn er seine dahingehende Absicht nicht erkennbar gemacht oder die Fahrbahn überaus unangemessen langsam überquert hat.[405]
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Sonstige Fahrbahnen muss der Fußgänger zügig auf dem kürzesten Wege quer zur Fahrtrichtung überschreiten (§ 25 Abs. 3 S. 1 StVO).[406] Die Fahrbahn darf er erst betreten, wenn er sich davon überzeugt hat, dass er kein Kfz gefährdet oder auch nur in der Weiterfahrt behindert. Tritt er unvermittelt auf die Fahrbahn, so trifft ihn Alleinverschulden.[407] Umgekehrt ist der Fahrer trotz seines Vorrechts zur Rücksicht verpflichtet. Er muss Abwehrmaßnahmen ergreifen, wenn er ein fehlerhaftes Verhalten des Fußgängers bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen muss.[408] Das gilt auch für das Überschreiten von Einbahnstraßen. Benutzt der Fußgänger Verkehrsflächen, die auch dem Kraftverkehr dienen, hat er auf die von diesen ausgehenden Gefahren zu achten.[409] Stößt er beim Überschreiten der Fahrbahn mit einem PKW auf dessen rechter Seite zusammen, so spricht der erste Anschein für die Schuld des Fußgängers.[410] Wenn er mit gesenktem Kopf, ohne auf den Verkehr zu achten, die Straße betritt, oder wenn er trotz herannahender Fahrzeuge eine Ausfallstraße überquert oder zwischen stehenden Fahrzeugen die Fahrbahn betritt,[411] handelt der Fußgänger grob fahrlässig. Bei der groben Fahrlässigkeit des Fußgängers kann die Gefährdungshaftung des Halters entfallen.[412] Muss ein Fahrzeug bremsen, weil ein Fußgänger unvorsichtig die Fahrbahn betritt, und fährt ein anderer PKW auf, dann haftet der Fußgänger mit (20 %).[413] Ein Fußgänger geht bei Dunkelheit trotz herannahender Kraftfahrzeuge über eine Kreuzung; er überschreitet eine Sperrfläche der Straße; er steht am äußersten Rand der Bordsteinkante; er tritt bei Dunkelheit von einem Grundstück trotz Verkehrs auf die Fahrbahn, das alles sind Beispiele für fahrlässiges Verhalten.[414] Tritt ein Fußgänger bei Nacht auf die Fahrbahn, kann es geboten sein, dem Pkw-Führer eine längere Reaktionszeit und zusätzlich eine längere Blickzuwendungszeit zuzubilligen.[415]
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Beim Überqueren von breiten Straßen ist es sachgemäß, dass der Fußgänger auf der Fahrbahnmitte innehält und den Weg erst fortsetzt, wenn dies ungefährdet geschehen kann.[416] Wenn es infolge plötzlichen Weitergehens des Fußgängers zu einem Unfall kommt, trifft den Kraftfahrer kein Verschulden. Die Betriebsgefahr des Pkw wäre u.U. mit 1/3 zu berücksichtigen.[417] Der Kraftfahrer sollte allerdings an einem vor ihm die Fahrbahn überquerenden Fußgänger nach Möglichkeit hinten vorbeifahren, wenn er nicht etwa damit rechnen muss, der Fußgänger werde stehen bleiben oder gar zurücktreten.[418] Gibt der Kraftfahrer verwirrende Warnzeichen (Lichthupe), kann das zu Fehlreaktionen des Fußgängers führen und ein Verschulden des Kraftfahrers begründen.[419] Auch kann der Kraftfahrer sich nicht darauf verlassen, dass ein Fußgänger bei Nacht auf der Mitte einer schmalen Straße anhält, um ihn vorbeizulassen.[420] Läuft ein Fußgänger kurz vor Erreichen des rechten Fahrbahnrandes zurück, so ist eine nicht erhöhte Betriebsgefahr nicht zu berücksichtigen.[421] Unterhält der Fußgänger sich während des Überschreitens des Fahrdammes mit anderen, ohne auf den Verkehr zu achten, so lässt er seine Verkehrssorgfaltspflicht außer Acht.[422] Überquert der Fußgänger unaufmerksam eine mehrspurige Fahrbahn, kann ihn bei einem Zusammenstoß mit einem Kfz ein Mitverschulden treffen.[423] Überschreitet der Fußgänger bei Dunkelheit eine Straße, so hat er auch nach Überquerung der ersten Fahrbahnhälfte die Entwicklung der Verkehrslage von links mitzubeobachten, wenn er entsprechend den Beleuchtungsverhältnissen und im Hinblick auf den Umfang des Straßenverkehrs mit der Gefahr rechnen muss, als Fußgänger auf der Fahrbahn nicht rechtzeitig erkannt zu werden.[424] Das Rechtsfahrgebot des Fahrverkehrs dient nicht dem Schutze des die Straße überquerenden Fußgängers.[425] Bei Dunkelheit ist „Fahren auf Sicht“,[426] bei Straßenglätte verminderte Geschwindigkeit[427] geboten.
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Der Fußgänger muss stets mit der Möglichkeit rechnen, dass sich hinter den Fahrzeugen, die er sieht, weitere befinden, die er nicht wahrnehmen kann. Überschreiten der Straße kurz vor einem Fahrzeug stellt regelmäßig ein Mitverschulden dar.[428] Dagegen kann er, wenn er eine innerstädtische Straße überquert und den gegenüberliegenden Gehweg fast erreicht hat, darauf vertrauen, dass ein von rechts herannahender Fahrer ihm das gefahrlose Überqueren auch des Restes der Fahrbahn ermöglichen werde.[429]
Beim Vorhandensein eines Radweges zwischen Gehweg und Fahrbahn muss der Fußgänger die ihm beim Betreten der Fahrbahn obliegenden Sorgfaltspflichten schon beim Verlassen des Gehweges beachten.[430]
c) Außerhalb geschlossener Ortschaften
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Auf der Fahrbahn dürfen Fußgänger nur gehen, wenn weder ein Gehweg noch ein Seitenstreifen vorhanden ist. Dann haben sie den linken Fahrbahnrand[431] einzuhalten, wenn dies zumutbar ist (§ 25 Abs. 1 S. 3 StVO). Auf den rückwärtigen Verkehr haben sie zu achten.[432] Einem sich auf der äußersten rechten Fahrbahn nähernden Kraftfahrer braucht der Fußgänger nicht auszuweichen, wenn sich für den Fahrer Raum genug zum Ausweichen bietet.[433]
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Bei Dunkelheit, bei schlechter Sicht oder wenn die Verkehrslage es erfordert, müssen Fußgänger einzeln hintereinander gehen und in besonderem Maße auf den Fahrverkehr Rücksicht nehmen, es ist die äußere, linke Straßenseite zu benutzen. Sie dürfen sich nicht darauf verlassen, rechtzeitig gesehen zu werden, und haben notfalls bis auf das Bankett oder bei erkennbarer Gefährdung auf das Gelände neben der Fahrbahn auszuweichen.[434] Bei Dunkelheit auf schmalen Straßen oder bei Glatteis trifft den Fußgänger eine Sorgfaltspflicht.[435] Ihn kann ein Mitverschulden (z.B. von 1/3) treffen, wenn er bei Dunkelheit am linken Straßenrand von einem entgegenkommenden Kradfahrer angefahren wird.[436]
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Andererseits spricht der Anscheinsbeweis für ein schuldhaftes Verhalten des Fahrers, der bei Dunkelheit einen Fußgänger am Rande der Fahrbahn anfährt.[437] Der Anschein wird erschüttert, wenn der Fußgänger so spät in die Fahrbahn getreten ist, dass auch bei Fahren auf Sicht ein Zusammenstoß nicht zu vermeiden[438] oder der Fußgänger betrunken war.
1. Kapitel Die Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führers › V. Verhalten im Straßenverkehr › 18. Radfahrer
18. Radfahrer
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Hinsichtlich der Sorgfaltspflicht des Fahrers beim Ein- und Aussteigen (Tür öffnen) darf auf Rn. 139 f. verwiesen werden. Der Radfahrer darf nicht zu nahe an einem haltenden Kfz vorbeifahren und muss