Gesammelte Werke. Wilhelm Raabe

Gesammelte Werke - Wilhelm  Raabe


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ein Mi­li­tär ist, dann soll er sei­ne Ehre so blank hal­ten wie sei­ne Knöp­fe mit dem Wap­pen sei­nes Lan­des­herrn, und kein Stäub­chen soll er dul­den, so we­nig auf sei­ner Re­nom­mée als auf sei­ner Uni­form. Es schickt sich nicht, ein Lump zu sein, und was sich nicht schickt, das mag Gott nicht in der Welt und der Oberst nicht im Re­gi­ment lei­den. Glaub­t’s, ihr Her­ren, es muss hin­aus, wie es sich auch sperrt und wehrt – al­les zu sei­ner Stun­de, mag ihm län­ge­re oder kür­ze­re Frist ge­gönnt sein. Stand also mit dem Herrn Baron von Glim­mern in ei­ner Kom­pa­nie in der wil­den Zeit des Prin­zen Rein­ald, und dem Baron hat­te ich es zu ver­dan­ken, dass ich das Portepee und den Pos­ten als Leut­nant der Straf­kom­pa­nie zu Wal­len­burg be­kam, einen bö­sen Pos­ten, den man eben nur an Leu­te un­se­rer Art ver­gibt und der mir eben wie eine Ket­te mit ei­ser­ner Ku­gel an den Fuß ge­legt wur­de, ob­gleich er mei­ner Frau eine Se­lig­keit war, denn sie wuchs um einen Fuß über alle ihre Ge­vat­te­rin­nen hin­aus. ’s ist aber nicht ihr und mir, son­dern un­se­rer Toch­ter hal­ber ge­sche­hen, dass man uns so über un­sern Stand er­höh­te; der Herr Ober­leut­nant von Glim­mern hat­te sie in mei­nem Quar­tier, wo er sich gern und häu­fig in dienst­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten zu schaf­fen mach­te, ken­nen­ge­lernt, und es war ein rein­li­ches, sau­be­res, hüb­sches Frau­en­zim­mer, das steht fest; war aber be­reits fest ge­nug ver­spro­chen und hat­te ih­ren Schatz lieb. Der Sol­dat soll nicht rechts und nicht links gaf­fen, son­dern grad­aus se­hen, das hat sein Gu­tes für den Dienst, kann aber für den Men­schen al­ler­dings Un­be­quem­lich­kei­ten mit sich brin­gen, und für mich brach­te es dies­mal das Al­ler­schlimms­te. Des Mäd­chens Bräu­ti­gam ist ein statt­li­cher, ehr­li­cher Bursch ge­we­sen, ein Schrei­ber bei dem Ge­richts­rat Feh­ley­sen, hat alle Aus­sicht auf eine gute Ver­sor­gung ge­habt und wäre auch wohl vom Mi­li­tär­dienst frei zu ma­chen ge­we­sen, wenn das in mei­nen Kopf ge­passt hät­te, al­lein es pass­te nicht. Ich setz­te ihn auf, mei­nen ei­gen­sin­ni­gen Kopf, und ver­lang­te, der Adolf sol­le sei­ne Zeit die­nen so gut als je­der an­de­re; denn es war mei­ne Mei­nung, es kön­ne ei­gent­lich nie­mand ein or­dent­li­cher Haus­herr oder Haus­va­ter sein, ohne vor­her in Reih und Glied ge­stan­den zu ha­ben; und dass ich mei­nen Wil­len be­kam, ver­stand sich von sel­ber. Zur rich­ti­gen Zeit wur­de der jun­ge Mensch ein­ge­stellt; um die bö­sen Ge­sich­ter zu Hau­se küm­mer­te ich mich we­nig, und in der Kom­pa­nie ging es, wie es sich ge­hör­te, so­dass der Jun­ge mir von Tag zu Tage mehr ans Herz wuchs. Wir, das heißt der Herr Leut­nant Feh­ley­sen und ich, hat­ten ihn noch ein Halb­jahr hier in der Re­si­denz in der Zucht; dann kam mei­ne Ver­set­zung nach Wal­len­burg, und weil ich nun mei­nen Kopf in be­treff des Adolfs auf­ge­setzt hat­te, so setz­te jetzt mei­ne Frau ih­ren in be­treff des Mäd­chens auf. Da bin ich zum ers­ten Mal in mei­nem Le­ben schwach und ein er­bar­mungs­wür­di­ger Narr ge­we­sen; wir zo­gen ab, ich mit mei­nem Portepee und mei­ne Frau mit sehr ho­her Nase, und lie­ßen das Kind hier zu­rück, und ich glau­be, wenn mei­nem Weib die Hand, wel­che sie dem Mäd­chen zum Ab­schied gab, vom Arm ge­fal­len wäre, sie hät­te es nicht für eine üble Vor­be­deu­tung ge­nom­men.

      Die Her­ren ken­nen Wal­len­burg. Vor Anno drei­zehn war das Ding eine Fes­tung mit Wäl­len und Grä­ben, Vor­wer­ken und be­deck­ten We­gen, kurz, al­lem Zu­be­hör; da­von sind heu­te nur ein paar Hü­gel und Was­ser­la­chen und das Lan­des­zucht­haus samt der Sta­ti­on der Straf­kom­pa­nie üb­rig­ge­blie­ben. Wer es woll­te, konn­te es sich in dem Nest ganz ge­müt­lich ma­chen, und also tat ich mit mei­ner Al­ten und mei­nen wil­den Ker­len. Es war näm­lich ein Dienst, der sei­ne Me­ri­ten hat für einen, so sich mit Lie­be an ihn hin­gibt, und wei­cher wird man nicht durch den­sel­bi­gen. So wur­de ich das Kind eher aus den Ge­dan­ken los, als sich schick­te, bil­de­te mir et­was ein auf mei­ne Dis­zi­plin und nann­te das, was an­de­re an­ders nen­nen moch­ten, Pf­licht­er­fül­lung. Ja, ich habe mei­ne Pf­licht er­füllt, nur mei­ne Pf­licht, nichts als mei­ne Pf­licht; kann’s kurz ma­chen mit mei­nem Rap­port, Herr Ha­ge­bu­cher. Acht Mo­na­te, nach­dem ich mei­nen Pos­ten an­ge­tre­ten hat­te, grad als die Eng­län­der, Tür­ken und Fran­zo­sen ih­ren großen Krieg ge­gen den Rus­sen an­fin­gen, ha­ben sie mir den Adolf dienst­lich zu­ge­führt: we­gen In­sub­or­di­na­ti­on, stand im Zet­tel, und ich war na­tür­lich wie ein wil­des Tier, habe dem Jun­gen ent­ge­gen­ge­flucht wie ein rech­ter Kan­ni­ba­le und ihm ins Ge­sicht zu­ge­schwo­ren, nie sol­le ein sol­cher Ha­lun­ke, der sei­nem Stan­de, sei­ner Ehre und sei­nem Na­men so große Schan­de an­tun kön­ne, mein, des Leut­nants Kind, Toch­ter­mann wer­den. Das hat mich wohl ge­wun­dert, wie kalt er’s nahm, al­lein ich schob’s nur auf die un­mensch­li­che sitt­li­che Ver­derbt­heit; denn der frü­her so aler­te und hell­äu­gi­ge Jun­ge war wie ein Stück Stein, wie ein Klotz, sag­te, es sei gut, al­les sei ihm schon recht, und das Tot­schie­ßen wär ihm ’s liebs­te. Hätt ich oder mein Weib den un­glück­se­li­gen Tropf nur zu be­han­deln ge­wusst, so wär wohl noch al­les gutz­u­ma­chen ge­we­sen, aber zwei Gän­se kön­nen nicht düm­mer sein, als wir zwei Alte wa­ren. Ja, nach­her, als wir uns die Haa­re zu rau­fen hat­ten, sind wir klug ge­nug ge­we­sen; denn was hat der Narr ge­meint? Ge­glaubt hat er, es sei ein ab­ge­kar­tet, nie­der­träch­tig Spiel ge­we­sen mit der Leut­nants­schaft zu Wal­len­burg und dem Ab­zu­ge aus der Re­si­denz; ge­glaubt hat er, der Feld­we­bel Kind habe sei­ne See­le und sei­ner Toch­ter Leib für ein Paar Epau­let­ten an den Sa­tan ver­kauft. Pfui Teu­fel, Teu­fel! Se­het, ihr Her­ren, da hängt der De­gen mit der sil­ber­nen Trod­del über mei­nem Bett, und ich sage euch, wer an der Schlaf­sucht lei­det, der mag sich un­ter das Wahr­zei­chen le­gen und von dem träu­men, was ich noch zu rap­por­tie­ren habe. Sind also der Adolf und ich ein­an­der ge­gen­über­ge­stan­den, und hat je­der auf den an­de­ren mit den Zäh­nen ge­knirscht und ihn zwi­schen den Zäh­nen eine Ka­nail­le ge­hei­ßen, bis zum nächs­ten durch­lauch­tigs­ten Na­mens­ta­ge. Der Herr – van der Mook kennt die Ge­wohn­heit und Sit­te; dem Herrn Ha­ge­bu­cher will ich sie sa­gen. An die­sem durch­lauch­tigs­ten Na­mens­tag wird näm­lich im­mer die­ser oder je­ner von den in die Straf­kom­pa­nie Ein­ge­stell­ten, so es nicht zu arg mach­te, wie­der in Gna­den ge­setzt, und so auch das Mal. Kommt also der Herr Baron von Glim­mern als Ad­ju­tant mit Ex­trapost aus der Haupt­stadt nach Wal­len­burg, die Lis­te zu ver­le­sen, und steigt na­tür­lich in mei­nem Quar­tier ab. Wir früh­stücken mit­ein­an­der, und mei­ne Alte weiß nicht wo­hin aus Se­lig­keit über die Ehre; und der Herr Baron sind af­fa­bel und hei­ter ge­nug, brin­gen Grü­ße von un­serm Kin­de und dis­kur­rie­ren aufs freund­schaft­lichs­te von al­lem, was der Tag gibt. Nach­her rücken wir aus in den Hof der Ka­ser­ne, blank und pro­p­re, und ich den­ke auch, es ist mein Ehren­tag und ich kann Ehre mit al­lem ein­le­gen, au­ßer mei­nem Fa­mi­li­e­n­un­glück, dem ver­bis­se­nen, dumm­trot­zi­gen Adolf. Gut, da steht der Ad­ju­tant in Gala vor der Front, mei­ne Ker­le ste­hen wie die Bil­der, und je­der mei­ner Un­ter­of­fi­zie­re hat nach dem Re­gle­ment die Ku­gel im Lauf. Der Tam­bour schlägt sei­nen Wir­bel, der Herr von Glim­mern sagt, was un­ter die­sen Um­stän­den im­mer ge­sagt wird, ent­fal­tet sein Schrei­ben, liest sei­ne Na­men, und der fei­er­li­che Mo­ment soll mit ei­nem drei­ma­li­gen Vi­vat auf den all­er­gnä­digs­ten Lan­des­herrn, wel­ches der Ad­ju­tant aus­zu­brin­gen hat, zu Ende kom­men. Das ist ge­sche­hen; – ich kom­man­die­re Prä­sen­tiert ’s Ge­wehr!, der Tam­bour wir­belt zum zwei­ten Mal, und die Kom­pa­nie schreit drei­mal hur­ra, al­les nach dem Re­gle­ment. Das Re­gle­ments­wid­ri­ge kam erst nach dem drit­ten Ruf; denn da ist der Adolf aus dem Glied vor­ge­sprun­gen, hat auch scharf ge­la­den ge­habt, legt auf den Herrn Baron an und drückt


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