Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
Was war eigentlich los? Wieso habe ich am hellichten Tag geschlafen? Wieso habe ich denn überhaupt geschlafen? Morg!« Er warf dem Bruder einen ahnungsvollen Blick zu.
Der sah angelegentlich aus dem Fenster, als gäbe es draußen im Hof etwas Hochinteressantes zu sehen.
»Morg! Wo sind diese Giftpillen?«
Der Gefragte schwieg.
»Morgan!«
»Ja…?«
»Die Pillen!«
»Sind in deinem Bauch.«
Virgil hieb seine Faust hart auf die Kante des kleinen Tisches.
»Müßte ich diesen Halunken nicht verdreschen? Noch obendrein zu der Dresche, die er schon von der Bande bezogen hat?«
»Hauptsache, du hast geschlafen!« besänftigte ihn Wyatt.
Virgil sprang wieder hoch.
»Lieber Himmel! Wie konnte ich schlafen! In der Stadt ist der Satan los. Ike, dieser Skunk, hat seine Meute seit zwei Wochen ständig in Bewegung. Die Bagage geistert durch das Nest, als ob der Ku-Klux-Klan eingezogen wäre. Diesmal ist es soweit, Wyatt. Ich wette, daß es diesmal nicht mehr glimpflich abläuft. Ike drängt zur Entscheidung. Er geht aufs Ganze. Ich weiß es genau. Der Mayor hat mit Frank McLowery gesprochen, mit Jonny Behan und mit Richter Spencer. Es ist nichts zu machen; Ike will den Kampf. Den offenen Straßenkampf.«
»Gegen uns?«
Virgil wandte sich dem Dodger Bruder zu. »Gegen mich, Wyatt.«
»Du irrst. Es ist der Kampf gegen den Stern, der Kampf gegen das Gesetz. Ob der Sheriff nun Earp heißt oder Brown oder Miller. Es bleibt der gleiche Fight.«
»Du weißt es also?«
»Yeah. Und ich rechnete seit langem damit. Als Hollidays Telegramm kam, wußte ich, daß es soweit war. – Ist Ike in der Stadt?«
»Ich weiß es nicht. Man weiß nie, wo er ist. – Aber Frank ist hier.«
»Ihn habe ich gesehen. Aber es hilft kaum etwas, wenn ich mit ihm spreche.«
»Du willst mit ihnen sprechen?« entfuhr es den beiden Earp-Brüdern. Entgeistert starrten sie Wyatt an.
»Man muß es versuchen. Besser eine schlechte Verhandlung als ein guter Kampf.«
»Aber…«
»Kein Aber, Virg. Ich werde ihn suchen.« Er erhob sich und schnallte seinen Waffengurt ab.
Virgil sprang nervös auf.
»Wyatt!Wo willst du hin?«
»Ich muß mit ihm sprechen.«
»Mit wem?«
»Mit Ike Clanton.«
»Aber das ist doch Wahnsinn! Du weißt doch, zu was die Bande fähig ist. Wenn sie sieht, daß du waffenlos bist, stellst du nur noch eine halbe Gefahr für sie dar. Sie werden dich niederknallen wie einen blinden Stier…«
»Ich muß es versuchen.«
»Irrsinn!«
Morgan stand schweigend dabei.
»Was meinst du, Morg?«
»Ich weiß es nicht, Wyatt. Aber ich weiß, daß ich mitkomme.«
»Nein, ich muß allein gehen.«
Virgil lief ihm nach und packte ihn am Arm.
»Hör zu, Wyatt. Wenn du hergekommen bist, um dich hier von mir auf den Boot Hill bringen zu lassen, so muß ich dir sagen, daß du mir absolut keinen Gefallen getan hast. Die Bande schreckt doch vor nichts zurück.«
»Kann ich mir denken.«
»Laß dir von Morg erzählen, was die Schufte sich in den letzten Tagen alles geleistet haben.«
»Trotzdem muß ich versuchen, mit Ike zu sprechen.«
»Aber was haben wir denn davon, wenn sie dich zusammenschließen. Laß Morg wenigstens mitkommen. Was heißt Morg? Ich komme mit! Vorwärts! Wenn du unbedingt heute schon sterben willst, bitte.?– Morg, meinen Waffengurt.«
Wyatt hielt Morgan auf. »Nichts da. Ich gehe allein.«
Die beiden standen neben ihm an der Tür.
Virgil raufte sich die Haare.
»Ich sehe keinen Sinn darin, Wyatt. Sie werden dich keine hundert Yards weit kommen lassen. Außerdem weißt du ja nicht, wo der Schurke steckt. Er kann in jedem zweiten Haus hier sitzen.«
»Ich muß ihn suchen.«
»Sag mir, wozu?«
»Weil mit ihm gesprochen werden muß. Jonas Pink hat mir gesagt, daß er eine Herde an der Grenze gesichert hat. Sie wird von dem krummbeinigen Flanagan getrieben. Du hast schon Ferguson zurückgeschickt – also…« Wyatt hielt plötzlich inne und blickte in den Zelleneingang.
»He, steht da hinten nicht einer im Käfig?«
Virgil schüttelte den Kopf.
»Nein, der Kasten ist leer. Wir ha…« Er stockte und starrte in den Halbdämmer des Jails.
Da sagte Morgan rasch:
»Stimmt, ich habe vergessen euch zu sagen, daß ich ihn eingelocht habe. Er hat die Scheibe zertrümmert.«
»Wer – und welche Scheibe?« Virgil wandte sich um. »Meine Scheibe! Meine Vierzig-Dollarscheibe! Welcher Hund hat sie zerschlagen?«
»Phin…«
»Phin?«
»Yeah.«
Wyatt war in den Zellengang getreten.
»Das ist doch Phin Clanton!«
Morgan war schon hinter Wyatt her.
Virgil stand wie angewachsen in der Tür.
»Wer ist das?«
Morg wandte sich nach ihm um. »Phin Clanton. Sollte ich diesen verdammten Säufer vielleicht noch mehr Scheiben zertrümmern lassen?«
Wyatt lachte auf. Dann trat er an das Gitter.
»Hallo, Phin!«
Der Tramp war inzwischen stocknüchtern geworden. Aus kleinen, ängstlichen, tückischen Augen musterte er den Missourier.
»Du kriegst wohl das Maul nicht mehr auf!« knurrte Morgan den Banditen an.
»Wyatt hat dich begrüßt.«
»Hello!« grummelte der Outlaw.
»Laß ihn raus«, sagte Wyatt.
»Schon?« meinte Morg. »Auf zertrümmerte Scheiben und unflätiges Gebrüll stehen in Santa Fé zwölf Stunden Jail.«
»Hier auch. Trotzdem, laß ihn raus.«
Virgil brachte den Schlüssel. »Jetzt ist mir alles klar. Daher auch die Schlägerei draußen.«
Wyatt schob Phin ins Office.
»Wo ist Ike?«
»Ich weiß es nicht.«
»Antworte ihm, oder ich skalpiere dich!« fauchte Morg den Desperado an.
»Ich weiß es wirklich nicht, verflucht noch mal!« krächzte Phin.
»Hier wird nicht geflucht!« Virgil stieß den Tramp zur Tür. »Well, wenn du es nicht weißt, dann suchst du ihn und sagst ihm, daß Wyatt ihn sprechen will.«
Eine hämische Lache kam durch das Zahngehege des Banditen.
Morgan rieb sich die Hände. »Sei still, Phin, sonst gibt’s Saures!«
»Du weißt Bescheid«, gebot Virgil. »Sag Ike, daß Wyatt mit ihm sprechen will, und