Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
Hauswand jener Rosenstrauch, der zu den wenigen erfreulichen Erscheinungen der Stadt gehörte.
An der Ecke zur Toughnutstreet blieb Wyatt stehen und lauschte in die Nacht hinein.
Drüben aus den Männerquartieren, aus denen sonst selbst um diese Stunde betriebsamer Lärm drang, kam nur das Jaulen eines Hundes. Doch der üble Geruch, der diesen Notbehausungen entströmte, war geblieben.
Schräg gegenüber, noch in der
Fourthstreet, lagen die verrufenen Kaschemmen, die als »Rotten Row« im ganzen County verpönt waren und wirklich nur von den verkommensten Subjekten der menschlichen Gesellschaft aufgesucht wurden.
Kein Platz für einen Ike Clanton.
Und doch wandte sich der Missourier plötzlich um und überquerte die Straße. Er stieß eines der Hoftore auf, das nur noch müde an einer knarrenden Angel hing, und sah einem großen Nager nach, der wie ein schwarzgrauer Schatten über den hellen Hofsand huschte.
Ein Hund schlug an und kam kläffend näher.
Wyatt bückte sich und sprach beruhigend auf ihn ein.
Es war ein kalbsgroßer zottiger Köter; aber die Worte des Tierfreundes ließen auch ihn verstummen.
Wyatt kraulte ihm das struppige Fell und ging weiter.
Der große Hund trottete schweifwedelnd hinter ihm her.
Unter einer Hoftürritze drang Licht hervor. Der Marshal klopfte an.
Keine Antwort.
Da stieß er die Tür auf.
Vor ihm lag ein Hausgang, der von einer kleinen Petroleumwandleuchte matt erhellt wurde und aus dem ihm ein widerlicher Spülgeruch entgegenschlug.
Der Hund zwängte sich an dem Mann vorbei in den Gang, lief weiter, sprang an einer Tür hoch, warf sich gegen das Schloß. Und tatsächlich wurde ihm geöffnet.
Der Hund blieb in der offenen Tür stehen.
»Komm rein, Billyboy!« rief eine keifende Frauenstimme.
Als das Tier aber stehen blieb, schob die Frau ihren ungekämmten Kopf in den Gang – und stieß einen gellenden Angtsschrei aus. Sie hatte den Mann dort gesehen.
Sofort ging an der linken Seite eine zweite Tür auf.
Eine junge Frau blickte Wyatt aus großen umflorten Augen an. Die Spuren einstiger Schönheit waren noch in ihrem stark gepuderten Gesicht zu erkennen.
»Hallo, das ist doch der große Wyatt Earp! Welch eine Ehre!« sagte sie mit einer dunklen Altstimme und trat vor.
Wyatt blieb stehen und sah sie an.
Da schüttelte sie den Kopf. »Ich bin allein, Marshal – falls Sie jemanden bei mir suchen sollten.«
Plötzlich wurde die Frau zur Seite gestoßen. Ein junger Mann trat in den Türrahmen.
William Clanton!
Er fuhr sich mit der Linken durch sein Haar und sah den Marshal aus wildglimmenden Augen an.
»Wyatt Earp! Tatsächlich. Ich dachte diese Schlampe machte wieder einen ihrer faulen Witze.«
Wyatt musterte den Burschen forschend.
»Hallo, Bill.«
Der jüngste der Clanton Brothers schluckte.
»Was wollen Sie?«
»Ich suche Ike.«
»Ike?« Der Bursche wurde flammendrot vor Zorn. Eine steile Falte grub sich in seine glatte Stirn. »Haben Sie Ike gesagt, Marshal?«
»Yeah, Ike.«
Da trat der Cowboy völlig auf den Gang hinaus und schob seine beiden Colts weit auf die Oberschenkel vor.
»Hören Sie, Mister Earp, wenn Sie mich auch in diesem Loch aufstöbern können – das sagt nicht viel. Zu Hause bin ich nicht gefragt. Für eine vernünftige Frau bin ich anscheinend noch zu grün – und mein Bruder Ike läßt mich tagsüber Zäune reparieren und die Stiefel der ganzen Familie putzen. – Es besagt wirklich nichts, daß Sie mich hier haben hineingehen sehen…«
»Ich habe dich nicht hineingehen sehen.«
»So? Ich bin aber vor kaum drei Minuten hier angekommen.«
»Und wo ist Ike?«
»Das wollte ich Ihnen gerade sagen: Falls Sie Billy Clanton auch in solch einem Loch finden können – einen Ike Clanton nie. Der hat bessere Häuser, in denen er sich aufhalten kann.«
»Weißt du, wo er ist?«
»Nein, fragen Sie doch Phin. Ihr Bruder hat ihn ja eingelocht, als er ihm die Scheibe zerschlug. Phin wird es wissen.«
Wyatts Antwort war nur: »Schade, Billy.«
»Was ist schade?«
»Daß du lügst.«
»Mister Earp! Wie können Sie das sagen? Ich habe nicht gelogen. Ike ist nicht hier!«
»Nein – aber du weißt, wo er ist!«
Billy war fast einen Kopf kleiner als der Missourier. Aus flackernden Augen sah er zu ihm auf.
»Yeah – ich weiß es«, entgegnete er dumpf. »Aber er will Sie nicht sehen.«
»Wo ist er?«
»Ich kann es Ihnen nicht sagen.«
»Führe mich zu ihm.«
Da senkte Billy den Kopf und schüttelte ihn langsam.
Wyatt packte ihn an der Schulter.
»Wo ist er, Billy?«
Da brachte der Cowboy stockend hervor:
»Er schläft. Wir sollen alle schlafen. Weil morgen der Kampf beginnt…«
»Welcher Kampf?«
Wyatt schüttelte den Kopf. In seinen Augen war Mitleid, als er sagte:
»Billy, hol deinen Gaul und reite nach Hause.«
»Nein, wir sollen in der Stadt bleiben – und schlafen.«
»Das hattest du doch auch nicht vor.«
Der Bursche sah sich nach der jungen Frau um.
»Ach, Sie meinen – wegen der da? No, Marshal, ich bin nur hierhergegangen, weil ich hier Whisky bekomme und weil sie Ike nichts sagt…«
»Komm, Billy.« Der Marshal nahm ihn am Arm und ging mit ihm hinaus.
»Gute Nacht,William!« rief ihm die junge Frau nach. »Es ist ja auch ehrbarer, mit dem großen Wyatt Earp zu sprechen als mit der schmutzigen kleinen…«
»Sei still, Mary!« zischte die alte Frau, die am Gangende bei dem zottigen Hund stand.
Die beiden Männer durchquerten den Hof.
Billy setzte sich seinen Hut auf und zog ihn tief in die Stirn.
»Sie haben mich vorhin gesehen…«
»Nein.«
»Damned, ich dachte immer, daß Sie nicht lügen könnten.«
»Ich habe dich nicht gesehen, Billy.«
»Und wie konnten Sie mich da finden?«
»Ich weiß es nicht. Ich suche Ike…«
»In dieser Kaschemme? Glauben Sie wirklich, daß er es nötig hat, in einem solchen Loch Whisky zu trinken? Wenn Sie wüßten, wo der jetzt ist…«
»Führ mich hin!«
»Das kann ich nicht.«
Da packte Wyatt den Arm des Burschen mit eisernem Griff.
»Du wirst mich jetzt zu deinem Bruder Ike führen,