Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
mit dem Colt in der Hand auf die Straße gebracht hätte! Wenn sie sich nur ein einziges Mal offen zum Gesetz hätten bekennen wollen, dann gäbe es keine Clanton-Gang mehr, dann könnte jeder in der Stadt endlich ruhig und in Frieden leben.
Wyatt stand vorn an der zertrümmerten Scheibe.
Morg wandte sich um und starrte auf den breiten muskulösen Rücken seines Bruders.
»Geh vom Fenster weg, Wyatt!« Aber der Dodger Marshal rührte sich nicht und blickte weiter auf die nächtliche Allenstreet hinaus.
»Sie sind alle gegangen. Sogar Cochise hat Vernunft angenommen. Geronimo hat aufgegeben. Nur Ike Clanton nicht.« Wyatt lachte bitter in sich hinein. »Und jetzt werden wir für eine Stadt voller armseliger Feiglinge kämpfen.«
Virgil fuhr sich durch den Kragen, er klebte ihm am Hals.
»Vielleicht sollte ich Joe Hammer fragen, er ist ein aufrechter Mann, vielleicht ist er dabei.«
Als die beiden anderen schwiegen, sagte Virgil: »Ich werde zu ihm gehen. Er ist eindeutig für das Gesetz. Also gegen die Clantons!«
Er nahm seinen Hut und ging eilig hinaus.
Als er nach zehn Minuten wiederkam, blickten die beiden anderen in sein finsteres Gesicht. Es bedurfte keiner Frage: Joe Hammer hatte abgelehnt.
Ebenso lehnten auch Jesse Vaugham, Mat Griffith und Ted Sommers ab.
Virg fand unentwegt neue Leute, die er für gut und treu, für tapfer und edel hielt; aber nach anderthalb Stunden hatten er und Morgan alle aufgesucht – und keinen Kampfgefährten gewonnen.
Stumm standen die drei Earps um den Schreibtisch herum.
Plötzlich nahm Wyatt den Kopf hoch. Er hatte ein Geräusch auf dem Vorbau gehört.
Jetzt hörten es auch die anderen.
Wyatt ging zur Tür und forderte Virg mit einem Blick auf, das Licht zu löschen.
Als sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sahen die beiden Brüder, wie sich Wyatts Silhouette vor der Tür bewegte. Sie konnten beobachten, wie er den Schloßdreher betätigte, die Tür anhob und sich hinausschlich.
Das Geräusch kam näher. Es waren vorsichtige, tastende Schritte.
Angespannt starrten die beiden auf die Türscheibe.
Da! Ein Kopf zeichnete sich ab. Der Kopf des Mannes, der einen breiten Sombrerohut tief in die Stirn gezogen hatte. Gegen den hellen Nachthimmel war dieser Kopf deutlich zu erkennen.
Es war Billy Clanton!
Dann tauchte dicht hinter dem Burschen die hünenhafte Gestalt Wyatts auf.
»He – Bill.«
Der Cowboy zuckte zusammen und war einen Herzschlag lang völlig steif vor Schreck.
»Wen suchst du hier?« fragte ihn Wyatt.
»Ich suche Sie, Mister Earp.«
Die beiden Männer im Office konnten jedes Wort, das draußen auf dem Vorbau gewechselt wurde, deutlich verstehen.
»Mich…?«
»Yeah. Ich komme von Ike!«
»Ach…?«
»Ich soll Ihnen etwas von ihm bestellen.«
»Will er mit mir sprechen?«
Der Bursche schüttelte den Kopf und entgegnete so leise, daß die beiden Männer im Office ihre Ohren sehr anstrengen mußten, um auch das zu verstehen:
»Er läßt Ihnen sagen, daß er Sie und Ihre Brüder erwartet. Im O.K. Corral. Oben in der Fremonstreet. Morgen früh, wenn die Sonne aufgeht.«
Drei Sekunden rannen in die Ewigkeit.
Dann kamen die beiden Worte des Missouriers: »Noch was?«
Der Cowboy schüttelte den Kopf.
»All right, Billly. Nur eine Frage. Wirst du auch dabei sein?«
»Ja, Wyatt – ich muß.« Damit rannte er davon.
Die beiden Earps im Office sahen die hochaufgerichtete Gestalt ihres Bruders, die bis dicht an das Vorbaudach zu reichen schien, vorm großen Türfenster breitbeinig dastehen, die Hände über den Revolverkolben in die Hüften gestützt. So blieb Wyatt eine Weile reglos stehen.
Dann wandte er sich um und kam ins Office zurück.
»Mach Licht, Virg.«
Zischend entzündete sich das Streichholz, und rasch fraß sich die kleine Flamme in den Docht.
Die Gesichter der drei Männer schienen in dem bleichen Licht der Kerosinlampe vor dem düsteren Hintergrund der Gewehrständer und des Zellenganges zu schweben.
»Ihr habt’s gehört?«
Die beiden nickten.
»Well, dann wollen wir jetzt schlafen. Ich gehe noch einmal an die Luft. Ihr wißt ja, daß ich das immer tue, ehe ich mich hinlege.«
Wyatt trat auf den Vorbau hinaus und riß ein Zündholz an.
Das Windlicht draußen warf einen geisterhaften Schein über die Straße und ließ den Schatten des Missouriers gespenstisch und groß erscheinen.
Immer noch brannten einige Lichter auf der Allenstreet.
Mit hartem, sporenklirrendem Schritt ging Wyatt Earp über die Stepwalks auf den Chrytal Palace zu.
Plötzlich glaubte er ein Geräusch hinter sich zu vernehmen, wirbelte herum und riß instinktiv einen linken Backhander nach oben.
Ein unterdrückter Schrei drang ihm entgegen.
Dann blinkte ein Messer vor ihm auf.
Wyatt duckte sich. Dann zuckte seine Rechte nach vorn, die Linke folgte ihr gedankenschnell als steifangewinkelter Haken.
Der Mann mit dem Messer sank mit einem Röcheln in dem Häusergiebel von Dave Cohens Store in sich zusammen.
Wyatt packte ihn, riß ihm das Messer aus der Hand, nahm ihm die Colts aus dem Halfter und tastete ihn nach weiteren Waffen ab.
Dann schleifte er ihn in den Lichtschein der ersten Fenster des Chrystal Palace.
»Frank Stilwell!« entfuhr es ihm. »Verdammte Ratte.« Er ließ den Banditen los und ging weiter.
Die Waffen, die er dem Outlaw abgenommen hatte, schleuderte er tief unter den Vorbau.
Da kam ein Mann über die Vorbauten gelaufen.
Wyatt blieb stehen. Gegen das Windlicht des Office erkannte er Morgan. Der rief ihn an:
»Was ist passiert?«
»Nichts von Bedeutung. Frank Stilwell wollte mir gute Nacht wünschen.«
»Dieser verdammte, hinterlistige Hund!«
Die beiden Earps gingen zusammen zurück zum Office.
Virgil hockte hinter seinem Schreibtisch und hatte den Kopf auf beide Fäuste gestützt. Als Wyatt hereinkam, sah er auf.
»Bist du schon zurück?«
»Ich gehe gleich wieder. Ich habe nur meine Zigarren hier liegenlassen.«
Auf den Vorbaubohlen draußen dröhnten Schritte.
Rasch drehte Wyatt den Docht hinunter. Das Licht erlosch.
Die Schritte kamen immer näher, und dann war die massige Gestalt eines Mannes vor dem Türfenster zu erkennen.
»Clum«, sagte Virgil erleichtert.
Wyatt ging zur Tür und öffnete, während Virgil die Lampe wieder anzündete.
John Clum kam herein, nahm seinen Hut ab, fuhr sich mit einer verlegenen Geste über seinen kahlen, nur von einem dünnen silbernen Haarkranz umstandenen