Der Vogt von Sylt. Theodor Mügge

Der Vogt von Sylt - Theodor Mügge


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versetzte Andersen, mit einem schwermütigen Ausdruck in seinem milden Gesicht; »o ja, es ist möglich – hinüber kommen wir alle, früher oder später.«

      »Glauben Sie, daß wirkliche Gefahr dabei ist?« fragte der Baron, die Gesichter der Umstehenden betrachtend.

      »Das ist kein Wetter, um hinauszugehen,« fuhr der alte Seemann fort, »wenn es die Nacht über heftig geweht hat und der Wind nach Norden umsetzen will.«

      »Wenn die Schlupp nicht sicher ist,« sagte der Baron, »oder vielleicht – verzeihen Sie, Herr Lornsen – auf der Insel sich ein Mann findet, der uns besser nach Husum zu führen vermag, so will ich gern Vorschläge hören.«

      »Das nicht,« erwiderte Andersen, »Die Schlupp ist so sicher, wie sie sein kann, und wenn es einen Mann giebt, dem ich mein Leben anvertrauen möchte, so ist es Jens Lornsen. Aber alles hat seine Zeit und sein Ende.«

      Der Baron war bedenklich geworden. Er sah die Fischer an, die mit ihren mageren Körpern und harten Gesichtern einen Halbkreis um ihn bildeten, dann den hastigen Zug der Wolken, das Boot und das dumpfe Stöhnen der Brandung, die es hoch aufhob und wieder nieder warf; endlich Jens, der mit untergeschlagenen Armen ruhig vor sich hin auf die Schlupp blickte und seine Tochter, welche Muscheln aufhob und die langen Fäden des Seetangs untersuchte.

      »Was sagen Sie, Herr Lornsen?« rief er endlich.

      »Ich sage, daß dieser wackere Mann, mein Freund Andersen, nicht so ganz unrecht hat, wenn er uns schwere Fahrt prophezeit. Die See geht hoch und kann leicht noch höher gehen. Wie die Sache aber jetzt steht, scheint mir eigentliche Gefahr nicht vorhanden. Wollen Sie besser Wetter abwarten, so ist wohl möglich, daß es schon morgen kommt, möglich aber auch, daß es lange anhält und ärger wird.«

      »Das heißt also, Sie werden jedenfalls den Versuch wagen?«

      »Ich denke, daß ich es wagen kann,« erwiderte Lornsen mit ruhiger Sicherheit.

      »Entscheide du, Lina,« rief der alte Herr seiner Tochter zu.

      Die Dame warf die Muschel fort, welche sie betrachtete und sagte lächelnd: »Da unser Kapitän guten Mutes ist, warum sollten wir ihn verlieren? Keinem besseren Mann kann man sich anvertrauen, sagte der wackere Herr dort. – Ich bin gewiß, daß eine wirkliche Gefahr uns nicht droht, denn wenn sie drohte, würden wir alle hier bleiben. Ein wahrhaft mutiger Mann wagt nichts, was er nicht zu bestehen glaubt.«

      Lornsen ließ die Arme sinken. Die kalte Ruhe seines Gesichts belebte sich in einem Ausdruck der Freude. – Ohne ein Wort zu sagen, trug er sie über die nassen Steine in das Boot, einen Augenblick später saß auch der alte Herr darin. Dann drückte er dem Freunde die Hand, der noch immer ermahnende Worte sprach und nun stieß er rasch von dem Steine ab und die Jolle flog über die Brandungswellen.

      »Reef doppelt und beschlag deinen Stag!« schrie ihm der Seemann nach. Jens nickte. In derselben Minute war er am Bord der Schlupp und half seinen Gästen die kleine Treppe hinauf.

      »Hier erst,« sprach er, »danke ich Ihnen nochmals für Ihr Vertrauen. Was dies kleine Schiff an Bequemlichkeiten bieten kann, ist zu Ihrem Befehl. Es ist wenig genug, aber ich hoffe noch immer, daß unsere Reise kurz sein wird.«

      Mit diesen Worten führte er sie in die Kajüte hinab, die geräumiger war, als man vermuten durfte. – Zwei Betten waren zu beiden Seiten in die Schiffswände eingelassen und vor jedem lief ein breites Polster hin. Ein Tischchen stand an der Hinterwand, neben ihm zwei große Lehnsessel; darüber hing ein Spiegel in Goldrahmen. Ein bunter Teppich bedeckte den Boden. Das Holzwerk war mit blankem braunen Öllack gestrichen, ein kleiner Eisenofen mit glänzendem Messinggitter hatte seinen Platz zwischen den Betten, die Wandschränke über diesen enthielten Porzellan, Glas und allerlei Vorräte. Ein Schiffsbarometer, ein Sextant und einige andere Instrumente lagen in der Nähe der Thür, der ganze Raum war in der That behaglich, friesisch sauber und von oben durch ein breites vergittertes Glasfenster beleuchtet, zugleich auch so hoch, daß selbst die mächtige Gestalt Jens Lornsens eben nur die Decke erreichte.

      »Ei!« rief der alte Herr sich umschauend, »das sieht besser aus, als ich dachte. Hier läßt sich ein kleiner Sturm schon überdauern. Das ist ein so schmuckes Seeboot, wie ich selbst keines am Sunde gesehen habe.«

      »Das beste daran ist,« erwiderte Lornsen, »daß es fest und tüchtig ist, und dem Steuer gehorcht, wie es soll. In solcher seelenlosen Maschine wohnt dennoch ein Geist, Herr Staatsrat,« fuhr er lächelnd fort, indem er aus einem der blanken Wandschränke eine Flasche und drei Gläser nahm. »Ein Schiff ist wie ein Volk, eine träge Masse, so lange es auf windstillem Wasser liegt. Es ist ein Stück Holz, an welchem jeder nach Belieben umherarbeiten mag, und sicher sein kann, daß es zu allen Schlägen und Stößen schweigt, oder höchstens mit einem dumpfen Seufzer antwortet. Wenn es aber hinaus soll in Woge und Sturm, da zeigt sich seine Kraft und sein inneres Leben. Ist es verrottet und zerfetzt, sind Masten und Taue mürbe, seine Planken verfault und sein Segelwerk vernachlässigt, dann wehe den schlechten Schiffern. Das Schiff wird sich nicht regieren lassen, es wird dem Steuer nicht gehorchen und das Ende wird ein Schiffbruch sein.«

      »Bei dem das Schiff aber eben auch in Stücke zerbricht,« sagte der Baron, mit dem Kopfe nickend.

      »Es kann wohl so sein,« sprach Jens ernsthaft, »aber um so mehr wehe über die, welche es dahin kommen lassen und dem Schiffe, dem sie Leben und Wohlfahrt danken, sein Recht verweigern und ihm Verderben bereiten.«

      »Und was kredenzen Sie uns hier?« fragte der Baron lächelnd, als Jens ihm und dem Fräulein volle Gläser reichte. – »Sollen wir auf das Wohl der Volks- oder der Schiffsrechte trinken?«

      »Ich heiße Sie an Bord willkommen,« erwiderte der junge Mann. »Möge unsere Reise so glücklich sein, wie Schleswigs alte Rechte wohlbegründet sind, und mögen beide alle Hindernisse siegreich überwinden.«

      Der alte Herr stieß freundlich sich verbeugend an; die junge Dame aber hielt seinen Arm fest und sagte lebhaft: »Auf das gute alte Recht laß uns trinken mit Herrn Lornsen. Möge unsere Reise so glücklich sein, wie Schleswig glücklich war, als es Südjütland hieß und an der Eider der deutsche Grenzstein stand.«

      »Sie sehen wohl, Herr Lornsen,« rief der alte Herr, »daß wir am besten thun, um allen Widerspruch zu beseitigen, einfach auf eine glückliche Reise zu trinken und auf das Wohl unseres jungen Kapitäns, der so vortrefflichen alten Madeira an Bord hat.« Jens ließ es schweigend geschehen, und als der Höflichkeit genug gethan war, band er seinen Hut fest, knöpfte seine Jacke zu und stieg aufs Verdeck hinauf, wo der Anker soeben gehoben war und über ihn hinweg die Schlupp an der Düne hinrauschte.

      Vom Lande riefen die Fischer ein lustiges Hurra, der Baron aber schüttelte unten verdrießlich den Kopf und sagte ärgerlich, in einen der Sessel sinkend: »Der Mensch ist ein schlimmerer Phantast als ich glaubte! ich wollte, wir hätten uns nicht mit ihm eingelassen,«

      »Wir konnten keinen besseren Mann kennen lernen,« erwiderte die Tochter, »Er ist überlegt, verständig, auch finde ich ihn sehr höflich und aufrichtig.«

      »Verdammt aufrichtig!« murmelte der alte Herr. »Aber warum trankst du seinen albernen Trinkspruch nicht? Es ist ja einerlei, wie ein Ding lautet.«

      »Nein,« fiel sie ein. »Nicht einen Augenblick soll er glauben, daß wir seinen Behauptungen beistimmen oder uns fügen. Er muß wissen, daß wir Dänen sind, und er wird es sich merken für künftige Fälle,« fügte sie lächelnd hinzu.

      »Hoho!« rief der Baron, indem er eilig die Flasche und sein Glas auf dem Tisch festhielt, denn plötzlich legte die Schlupp sich tief auf die Seite. – Die beiden anderen Gläser stürzten um, die Scherben klirrten am Boden. – »Das ist ein böser Anfang, vielleicht eine Warnung.«

      »Die von Bedeutung sein kann,«


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