Von Herzen. Peter Spans

Von Herzen - Peter Spans


Скачать книгу
Profession, mein Sohn.«

      »Mein Großvater war auch Schweinebauer.«

      Balthasar verschob einige Zwiebelringe auf den Tomaten, bis sich ein Muster ergab.

       Toll. Olympiaringe.

      »Tradition ist eine seltene und wertvolle Tugend in diesen Tagen, mein Sohn.«

      »Wir keulen Schweine, seit Generationen.«

      Balthasar zog ein Stückchen Bacon unter einer Gurke hervor und leckte die Remoulade ab. »Mein Sohn, der Akt des Schlachtens mag in diesen modernen Tagen archaisch wirken, aber er ist immer noch unverzichtbar. Wir alle müssen essen. Wie zu lesen ist im ersten Buch Mose, Vers achtundzwanzig, Machet euch die Erde untertan …«

      Eckerd beendete das Zitat. »… und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht.«

      »Oh … wie wunderbar, dass ein bibelkundiger Christ meinen Rat sucht. Aber, mein Sohn … da gibt es eine wichtige Einschränkung.«

      Eckerd knetete sich nervös die Hände. »Und die wäre?«

      »Das Töten ist nur in Einheit mit dem Willen des Herrn, wenn es in vollstem Respekt vor der lebenden Kreatur geschieht. Nur dann.«

      »Das kann ich garantieren. Ich habe geweint.«

      »Das musst du nicht. So ist die Natur.« Balthasar wickelte Ei, Tomate, Remoulade, Gurken, Zwiebeln und Bacon in den gekochten Schinken, der darunterlag. Kein Knuspern verriet ihn, als die Remoulade unter seinem Biss aus dem fleischigen Paket quoll. Balthasar verdrehte lustvoll die Augen.

      Die Stimme des Mannes klang brüchig. Der Arme schien mit den Tränen zu kämpfen. »Was ist mit Menschen?«

      Balthasar drückte den Bissen mit der Zunge in die Backentasche, um sprechen zu können. »Menschen?«

      Eckerd krächzte. »Ja, Menschen

      »Also, es sollte wohl im Sinne der Menschen sein, wenn es im Sinne des Herrn ist, oder nicht? Oder findest du etwa keine Frau, die den Weg des Versorgers mit dir teilen möchte? Das kann bei den jungen Damen heute schwierig sein.«

      »Nein, das ist kein Problem.«

      Balthasar schluckte den Speichel, der sich in seinem Mund gesammelt hatte. Schließlich konnte er nicht anders, als den wunderbaren Ball in seiner Backentasche hinunterzuschlucken, ohne seine Geschmäcker zu würdigen. Er spürte Ärger in sich aufsteigen.

      »Nun dann, mein Sohn, das war jetzt nicht so schwer, oder? Geh mit Gott und tue, was immer er dir sagt, das du tun sollst.«

      Eckerd nickte, aber er stand nicht auf. »Sollte ich nicht Buße tun?«

      Der Duft des Croques fraß Balthasars Geduld.

      »Wenn du unbedingt musst … Schaden wird es nicht. Ein Vaterunser pro … wie sagt man … Akt sollte dem Herrn genug sein.«

      »Hochwürden, darf ich Sie noch bitten, mir die Absolution zu erteilen?«

      Balthasar konnte förmlich fühlen, wie labberig das Brot nach der Absolution sein würde.

      »Ich sehe nichts, wofür du eine Absolution erhalten müsstest. Du hast nichts Unrechtes getan. Gehe weiter deinen Weg! Tue den Menschen Gutes! Füttere sie! Augenscheinlich hat dich der Herr dazu auserkoren, mein Sohn. Mach es im Sinne des Herrn, und du stehst unter seinem höchsteigenen Schutz.«

      »Danke Vater. Vielen Dank!«

      Balthasar hörte das dritte Knarzen, das ihm sagte, dass der Mann aufstand. Er synchronisierte den ersten, tiefen Biss in das Croque mit dem vierten Knarzen, das unweigerlich entstand, wenn man auf die Schwelle des Beichtstuhls trat, um ihn zu verlassen. Seine Geschmacksknospen feuerten Myriaden von Signalen, die ihn schwindlig werden ließen. Er konnte spüren, wie der Rhythmus seines Kiefers seinen Magen anstachelte, reichlich Saft für kommende Aufgaben einzuleiten.

      Ein seltenes, fünftes Knarzen ließ Balthasar innehalten. Der Mann kam zurück. Kein sechstes Knarzen. Offensichtlich hatte er nicht vor, sich wieder zu setzen.

      »Hochwürden, Sie sagten, ich sei … darf ich das so sagen … auserkoren? Ich stünde unter dem Schutz des Herrn. Heißt das, er hat einen Auftrag für mich? So etwas wie eine Mission?«

      Balthasar würgte den Bissen wütend hinunter. »Eine Mission? Wenn du es so sehen möchtest, bitte.«

      »Wirklich?«

      »Ja. Ja, du hast eine Aufgabe von Gott. Glückwunsch.«

      Eckerd verrieb Tränen mit dem Handrücken. »Ich danke Ihnen, Hochwürden. Ich werde ihn nicht enttäuschen.«

      »Einen wundervollen und heiligen Tag, mein Sohn.«

      Balthasar lauschte dem erneuten Knarzen der Schwelle und den verhallenden Schritten. Er fühlte sich gut. Er hatte diesem netten und bescheidenen Christen einen klaren und pointierten Rat gegeben. Und er hatte sich dabei demütig selbst kasteit, wie sich das für einen Gottesdiener gehörte. Dafür durfte er sich jetzt weidlich belohnen.

      Eckerd trat aus dem kalten Schatten der Kirche in die warme Morgensonne.

      TOD

      Ein ohrenbetäubender Knall.

      Paul zuckte heftig zusammen. Adrenalin schoss in seine Blutbahn. Seine Haut wurde von tausend Nägeln durchstoßen. Er rang nach Luft. Hielt sie an.

      Stille.

      Ein ohrenbetäubender Knall.

      Der zweite Knall quälte ihn dahin zurück, wo er nicht sein wollte, in die Realität. Ließ ihn die Augen aufreißen. Licht fraß sich in seine Sehnerven. Er schwamm in eiskaltem Dunkelrot, in seinem Blut. Er presste die Lider aufeinander. Flecken tanzten dahinter. Stille.

      Ein ohrenbetäubender Knall.

      Panik überfiel ihn, Paul sprang auf, ohne Gleichgewicht, rutschte aus, schlug mit dem Knie hart auf den Wannenboden. Schmerz schoss in seinen Schädel, mit dem er kurz darauf auf den Wannenrand krachte. Mehr Schmerz. Mehr tanzende Flecken.

      Paul schrie. Er kämpfte sich hoch, stand irgendwie. Stand und öffnete die Augen, sah alles schwammig und krumm, als hätte man ihm eine Qualle über den Kopf gestülpt.

      Am Ausgang des Waschraums, genau da, wo er letzte Nacht gestanden hatte, lehnte der Tod. So schmal und mickrig er war, er ließ Pauls Lungen dennoch krampfen. Es fror ihn bis ins Mark. Fast verlor er wieder das Bewusstsein. Es wäre zu schön gewesen, denn der Tod sprach.

      »Du bist ja gar nicht tot.«

      Pauls Herz raste, aber nach ein paar grauenvollen Sekunden konnte er sich zwingen, seinem Tod in die Augen zu sehen. Sie waren von klarem Grau und fixierten Paul aus dunklen Höhlen in einem weißen, großen Schädel. Dann sprach er wieder, weich und ein bisschen rau.

      »Wie heißt du?«

      »W-was?!«

      »Wie heißt du?«

      Die Qualle um Pauls Kopf löste sich auf. Der Tod. Sein mickriger Tod, er war ein Mädchen. Paul wurde wütend.

      »Das geht dich nichts an! Hau ab!«

      »Ich bin Klara.«

      Tod-Klara sah aus wie zwölf, war wild angezogen, mit Batikshirt, Weste, Schlaghose, gehäkelten Säumen, Jesuslatschen und geknoteten Tüchern, wie ein Hippie, nur dass alles, was sie anhatte, schwarz war. Über ihrem schmalen Körper leuchtete ein flächiges, rundes papierweißes Gesicht, aus dem dunkel umrandete Augen stachen, und aus ihren rabenschwarzen, kinnlangen Haaren standen zwei leuchtend weiße Ohren bemerkenswert weit heraus. Die einzige Farbe an ihr war das blasse Blau ihres schmalen Mundes, der gerade verbindlich lächelte.

      Pauls Hirn summierte.

      Sie sieht aus wie ein Golem.

      »Ich


Скачать книгу