Das Geheimnis von Belle Island. Julie Klassen

Das Geheimnis von Belle Island - Julie Klassen


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an. »Isabelle, wie gut kennst du diesen Mann?«

      »Ich kenne ihn überhaupt nicht. Ich habe ihn gerade eben erst kennengelernt.«

      Er rieb sich nachdenklich das Kinn. »Ach so? Ich war sicher, dass du ihn irgendwoher kennst.«

      Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«

      »Mr Booker hat erwähnt, dass dein Onkel tot ist. Das tut mir leid. Er sagte, er sei gekommen, um dir die Nachricht persönliche zu überbringen und dir juristischen Rat anzubieten, aber ich frage mich …«

      »Ich mich auch. Ich habe beinahe den Verdacht, dass er mich für die Mörderin hält. Er hat unseren Streit und den wütenden Brief, den ich Percival geschrieben habe, erwähnt.«

      Das lange Gesicht ihres Freundes wurde noch länger; sein Mund war ein Oval des Schocks. »Was?«

      Isabelle zuckte die Achseln und machte eine nonchalante Handbewegung.

      »Aber …«, stammelte er, »das ist doch lächerlich!«

      »Natürlich ist es das. Deshalb mache ich mir auch keine ernsthaften Sorgen.«

      Dr. Grant schüttelte den Kopf und sah sie mit geweiteten Nasenflügeln an. »Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich natürlich nicht vorgeschlagen, dass er bleiben soll.«

      »Ja. Das Ganze ist etwas lästig.«

      »Ich werde ihn sofort ins Gasthaus bringen lassen.«

      »Das ist nicht nötig. Er ist jetzt hier und, wie du selbst gesehen hast, ziemlich harmlos.«

      »Im Moment vielleicht, aber bestimmt nicht lange.«

      »Und er hat recht. Nach Percivals Tod werden viele juristische Fragen zu klären sein, zumal jetzt, wo Rose heiraten will. Und natürlich auch, was sein Testament und die Treuhandsache betrifft. Wahrscheinlich ist es ganz gut, dass er gekommen ist, da ich, wie du weißt, ganz bestimmt nicht nach London fahren werde.«

      »Und ob ich das weiß«, murmelte er.

      Isabelle blickte auf die Kaminuhr und kaute an ihrer Unterlippe. »Hoffentlich ist mit Rose und Mr Adair alles in Ordnung. Sie müssten längst hier sein.«

      Er trat näher. »Mach dir keine Sorgen. Spätestens zum Abendessen werden sie bestimmt hier eintreffen.«

      »Du hast wahrscheinlich recht. Aber du kennst mich ja, ich bin ein bisschen überängstlich.«

      »Ich weiß.« Er betrachtete sie. »Wie fühlst du dich?«

      »Gut. Nur ein bisschen Kopfschmerzen.«

      »Du hast gestern ganz schön tief ins Glas geschaut.«

      »Daran brauchst du mich nicht zu erinnern.«

      »Das sollte keine Kritik sein; ich weiß, wie schwer es für dich war, nicht bei Rose in London gewesen sein zu können.«

      Sie verzog das Gesicht. »Auch daran brauchst du mich nicht zu erinnern.«

      »Entschuldigung.« Er neigte den Kopf, dann sah er unter hellen Wimpern zu ihr auf. »Nur Kopfschmerzen? Keine Magenprobleme?«

      »Na ja, ich möchte nicht gerade vor einem Teller mit Aal sitzen, aber mein aufgebrachter Magen wird sich schneller wieder beruhigen als meine Reue. Hoffentlich habe ich mich nicht kompromittiert – oder gar dich.«

      »Nein, natürlich nicht«, antwortete er, doch Isabelle war nicht überzeugt.

      »Ganz ehrlich, so viel habe ich doch gar nicht getrunken. Wahrscheinlich war das letzte Glas ein bisschen zu viel des Guten. Du hast mir nicht geholfen, die Flasche zu leeren, oder?«

      Er schüttelte den Kopf. »Du weißt doch, dass ich nicht trinke.«

      »Und mein Verhalten gestern Abend hat dich zweifellos in diesem Entschluss bestärkt.«

      Er legte ihr tröstend die Hand auf den Arm. »Sei nicht zu streng mit dir, Isabelle. Normalerweise mäßigst du dich in diesem Bereich.«

      »Ich werde versuchen, das auch in Zukunft so zu halten.«

      Auf seine Berührung hin rieb sie sich den schmerzenden Ellbogen. »Ich habe mich irgendwie am Arm verletzt. Vielleicht bin ich heute Nacht komisch darauf gelegen.«

      Er sah von ihrem Arm in ihr Gesicht. »Darf ich?« Als sie nickte, schob er sanft den Ärmel hoch und untersuchte ihren Ellbogen. »Nur eine Prellung, nichts Schlimmes.«

      »Gut. Aber ich erinnere mich wirklich nicht, mich irgendwo gestoßen zu haben.«

      Seine Finger ruhten noch immer auf ihrem Arm. »Vielleicht draußen in der Korbwerkstatt?«

      »Möglich.«

      Dr. Grant, der begehrteste Junggeselle im Dorf, berührte ihren nackten Arm. Eigentlich müsste sie etwas fühlen, oder? Doch wenn sie ihn anschaute, sah sie noch immer Teddy, den Jungen mit dem roten Haar und den Sommersprossen und den knochigen Schienbeinen zwischen den zu kurzen Hosen und den runtergerutschten Socken. Bei dem Gedanken schenkte sie ihm ein Lächeln, welches er erwiderte; dabei funkelten seine Augen vor Schalk.

      »Ach, übrigens«, sagte er, »ich habe ein Geschenk für dich in meiner Kutsche.«

      »Oh, wirklich?«, fragte Isabelle. »Wie aufregend!«

      »Wollen wir hinausgehen und es ansehen?«

      »Gern!« Sie ging zur Tür und rief dem schlafenden Hund zu: »Komm mit, Hamish, auf, mein Junge!«

      Doch der Hund wedelte nur mit dem Schwanz und schlief weiter.

      Teddy schüttelte nur den Kopf. »Dieser alte Hund pfeift wirklich aus dem letzten Loch.«

      »Ich weiß, aber er hat Vater gehört. Er war noch ein Welpe, als er und Mama …« Sie ließ den Satz verklingen; eine Erklärung war nicht nötig. Teddy wusste Bescheid.

      Sie folgte ihm hinaus zu seiner Kutsche. Er zog eine Kniedecke von einer hölzernen Kiste.

      »Was ist das?« Durch die Schlitze hörte sie ein Wimmern und Kratzgeräusche. »Es klingt lebendig.«

      »Das sollte es auch. Jack Pearson hat mir versprochen, dass er kerngesund ist.«

      »Er?«

      »Sieh selbst!«

      Als sie den Deckel öffnete, reckte sich ihr ein braun-weißer Kopf, mit Schlappohren, leuchtenden Augen und heraushängender Zunge entgegen.

      Isabelle bückte sich und streichelte das Köpfchen. »Ohhhh – wie entzückend!«

      »Schön, dass er dir gefällt. Er gehört dir. Ein Geschenk.«

      Sie sah ihn überrascht an. »Aber ich habe schon einen Hund.«

      »Ich weiß. Aber Hamish ist eher ein Stück festes Inventar als ein Begleiter. Er steht ja kaum noch von seiner Decke auf.«

      »Mag ja sein, aber ich wollte keinen anderen Hund, solange er noch … bei uns ist.«

      »Ich habe ihn bei Pearson gesehen und fand, dass er perfekt zu dir passt.«

      »Er ist wirklich süß. Und so lebendig!« Sie streichelte dem Welpen über die Ohren. »Bist du ganz sicher, dass du nichts mehr für Hamish tun kannst?«, fragte sie.

      Er wurde ernst. »Ich bin Arzt, Isabelle, kein Zauberer. Ich habe alles versucht. Aber wenn du ihn weiterhin laufend fütterst und nicht für genügend Bewegung sorgst und ihm das Tonikum, das ich ihm verschrieben habe, nicht gibst …«

      »Ich habe es doch versucht! Aber er mag es nicht!«

      »Dann kann ich nichts mehr für ihn tun.«

      »Bitte, Teddy.«

      Er seufzte, sein Gesicht wurde weicher. »Na gut, ich schaue ihn mir noch mal an. Aber wie willst du den Kleinen hier nennen?«


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