Die Forelle. Leander Fischer

Die Forelle - Leander Fischer


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      7 Schwarzwichte und Bösefischer

      werden gebunden

      Volkis Wangen gingen in einer Farbe hoch, als säße ihm ein nektarsaugender Schmetterling auf der Nase, der insektenjagenden Habichten nichts anderes entgegenhielt als einen Augenaufschlag. Als verharrte der Schmetterling in Anbetracht der Gefahr auf Volkis Zinken, faltete nur seelenruhig und gut getarnt dadurch krepppapiergleich transparente Flügel auseinander. Ihnen inmitten lagen Purpurtupfen, die das Pfauenauge also rosa auf des zarten Mannes Wangen hauchte. So schauten die Knöchelchen aus, als blühte dem Habicht Schreckliches, als starrte ihn ein Fressfeind an, voll tollen Blickes. Volkis Backen aber rhythmisierten Flächen aus Haut und Haar. In seinem Gesicht wechselten sich Porenfarbe und Bartschwarz ab. Wie wenn ein Publikumsliebling an einen Flügel tritt, gierig zu trillern den Klaviaturdeckel hochkippt. So kam dieses getrimmte Muster in meinen Blick. Ich folgte ebenholzschwarzen Halbtönen inmitten elfenbeinbeiger Poren, ein Triller Volkis Kiefer entlang. In schaurigem Legato moderato wechselten Schwarz und Weiß, Haar und kahl, As und A, Bart, Haut, wild, licht, As, A, Wuchs, Schur, Spross, nackt, Zucht, Wachs, As, A, Strich, Schnitt, tief, hoch, As, A, die Titelmelodie eines Monsterhorrorstreifens, in dumpfe Tonfolge die Leinwand gebannt. Allein ging ich damals in diesen Spielbergfilm, knabberte atemhallend und augenspannend als Solopublikum meine Nägel. Im Schlingern zweier Noten glitt ein Ungeheuer dahin, das ein Puls aus As und A durchströmte in eisiger Finsternis. Adergefrierpunkt fast erreicht, der Ende-gut-alles-gut-Gegner und ich, Odem innehaltend, als es zur Oberfläche kam. Aus Volkis Wangenhöhlen schauten mich Zähne an, gen Hals spitz zusammenlaufende Bartsträhnen. Diese mörderische Reihe kontrapunktierte zwar die Haut, doch im selben Moment harmonisierte sie das Gesicht, bespielte es. Ja, die Poren waren bloß der Hintergrund für dieses Herauswallen. Das ehrfurchtgebietende Bild gefährlichster Tiefseeräuber entsteht erst, wenn der weiße Hai sein Maul aufreißt. Für sein Zahnfleisch interessiert sich keiner. Der Halbtontriller fließt gruslig dissonant weiter. Das Heben des Backenbarts war das Kampfbereitmachen eines Killerrachens. Ängstlich schaute ich Volkis virtuos trillernde und trimmende Rasierbarbierhand hinab. Ich klappte die Klaviatur des Grauens zu. Es hätte mich kaum gewundert, läge zu seinen Füßen vor Flügelpedalen ein Tigerfell samt Schädel. Da schoss und schnappte schon wieder ein Schlund nach mir, schnell, dass Satz wie Biss ineins verschwimmen, aus dem nassen Stehbereich heraus hinein in uferquerende Beute die Vorwärtsbewegung, da Volki im Stehen sein rechtes Bein über die Dielen gleiten ließ. Kaum handkantenbreit erhoben die Sohle, schwebte der Schuh Spitze voran einen halben Schritt auf mich zu. Instinktiv riss ich die Hände vors Gesicht, dass ich aufgeworfene Hauthaufen und heraussprießende Kräuselhaare erblinzelte links, labbriges Welpenfell zwischen den eigenen Gliedern. Rechts aber spreizte ich die Finger und linste hindurch, sah die Alligatorstromlinienform stillstehen, verharren zwischen Volki und mir, sich zurückziehen, Fersenabsatz voran, Sohle in der Luft. Nur die Schuhspitze touchierte den Boden, als würde ein Insekt zerrieben auf den Dielen und zurückgeschleift neben den erst rinken nun lechten Lederschuh.

      Dorthin schwang der eben noch rechte, jetzt schon linke Fuß, als Volki im Stehen die Beine übereinanderschlug. Zuletzt stand er ballettöser Haltung da, über Kreuz die Knie. Ich kratzte mir den Hals, fühlte meine zwar unversehrte, aber schuppige Haut. Das Krokomuster der Schuhe erinnerte mich an Hautstaub, der unter nervösen Greisennägeln abflockt. Doch dieser Mann schmiegte seinen Fuß nur in den Schlüpfer, um zu zeigen, wie sehr er auf Eitelkeit pfeifen konnte. Abends kickte er die ehrerbietigen Treter dann achtlos in irgendeine Ecke, wo sie brav warteten bis zum nächsten Ausgang, der endgültige Beweis für seine Fähigkeiten, zu bändigen, zu dressieren, selbst Alligatoren, lächelnd selbstverständlich, auf Socken, unhörbar unerhört, drehte sich dieser Mann dann um zu seiner im Türrahmen verbliebenen Begleitung: »Noch einen Drink?«, und es folgte der Schritt über die Schwelle auf die Dielen an diese maskuline Zirkusdirektorennummer heran, wohin auch der Wirt nun ging. Goldenen Tabletts reichte er Volki einen Sektpokal. Die himbeerfarbene Flüssigkeit darin deckte sich mit den Wangen, vor die das Glas sogleich wanderte. Den Anblick verunreinigte nur goldener Schein, Schattierungen, die das Tablett, vom Deckenlicht angestrahlt, als Abglanz in Volkis Antlitz warf. Als er den Pokal absetzte, waren seine Finger zwar gestreckt, aber von so entschiedener Glätte, als würde jedwede Hornhautschicht von Sklavinnenhand tagtäglich mit vulkanischem Gestein in stundenlangem Abrieb weggewischt. Ich sah noch die Bediensteten den Bimsstein bringen, als Volki erneut den wangenfarbenen Pokal an die Lippen setzte, blankpoliert einen silbern eingefassten Lapislazuli zeigte an der Manschette. Der Stift, auf dem der Stein steckte, durchstieß die totschicken Seidenflächen und hielt sie doch hemdsärmelig zusammen wie ein Widerhaken.

      Nahtlos, knopflos, schnürsenkellos stand Volki da, durch die Wirtenfensterscheibe angeschaut, unter dem Regenbogenpräparat, die Volkiforelle mit dem rosa Streifen. Aus ihrem Mund hing halb zerkaut die fängige Nymphe, fadenlos, knotenlos, unumwunden. Volkis Finger hatten einfach einen Streifen Gummi auf den Haken geschoben, der in der Strömung unverbunden hin und her wogte wie ein kleines Fischschwänzchen. Die Zigarette danach hatte er auch schon in einen elendslangen, zauberstabähnlichen Halter gesteckt, damit ihm zwischen Fingern abbrennender Tabak nicht den Fanggeruch verdarb. Er knickste nur in der Ellenbeuge den Unterarm hoch, schon schnupperte er des Erfolges Schleim und sog der Befriedigung Rauch in sich ein. Zähne so weiß lächelte dieser himmlische Mann, als frühstückte er tagtäglich die Milchstraße, sodass der Sonnenaufgang begann. Den Glutball stupste er restlos mit der eigenen Fliegenfischstangenspitze über die geriffelten Kalkalpengipfel hinaus. Ganz den Vereinsstatuten und Paragraphendoppelschlingen gemäß, die er selbst diktierte und wie Reusen auslegte, um Widersacher zuvor zu fangen. Früher vielleicht noch als Ernstl und selbst schon im dunkelsten Abendsprung stand Volki am Ufer vorm Hintergrund der Karsthänge. Sie waren nur die gigantische Variante jener feuchten, kalten Wirtenwand, gegen die Volki sich lässig Rückgrat voran lehnte. Daneben schwebte ebenso leichtlings die Fliegenstange mit noch nasser Schnur, inmitten der Vereinssitzung, umgeben von Brüdern und Kollegen, einem Schulterschluss ähnlich, Volki und der Fischereiverein samt Stammtisch und Wirtengemäuer, ich hineinstaunend draußen an der Fassade zwischen zwei Fenstern, die ihre Kreuzschatten auf die Gehsteige prägten, er angehimmelt drinnen, im Smokinghemd mit verdeckter Knopfleiste, das Dinnerjacket darüber, um den Kragen die Krawatte zur Fliege gebunden, seine maßgeschneiderten Hosenbeine, eine karfunkelnde Gürtelschnalle, die Burschenschaftermütze aufgesetzt, schmisslose Wangen, durch das Sakkoknopfloch am Revers die blaue Kornblume gesteckt, etwas geknittert, zerzupft und verrupft die Blüten, von Lenas Kopf, der sich unlängst noch an diese Brust unter schwerem Duft schmiegte.

      Und du so, Siegi, schien er zu prosten, als er seinen Blick von den Schuhspitzen und den Sektpokal meinem Beobachtungsposten entgegenhob. Von Dunkelheit umgeben fasste ich den Korkgriff meiner Stange noch fester. Leicht hob er den Zigarettenhalter an die Lippen. Wenn es kein Wort braucht, nur das brustschwellende Einatmen, um alles in Rauch aufgehen zu lassen, so meint es auch, der Direktor mit der Peitsche in der Hand bedarf gar nicht des Schallknalls. Volki musste nur die machtvollen Finger zeigen, um die Zirkusattraktionen zum persönlichkollektiven Ergötzen aufeinanderzuhetzen. Jetzt fetzte ein hautfarbenes Hemd tragend und den Arm nach vorne schwingend Friedls Oberkörper von links nach rechts durch mein Sichtfeld. Kurz hatte er Volki verdeckt, dessen stahlblaugraue Augen Friedl hinterherhuschten dorthin, wo ich nur die Wirtenfassade sah. Ich schmiegte mich noch dichter an die raue Wand, duckte mich in den Schatten, setzte dabei meine Absätze immer leiser, spähte durch die Scheibe. Vom Fensterkreuz geschnitten sah ich unter Volkis rechter Augenbraue die Pupille wandern, bald auf die Dielen zwischen mir und ihm gerichtet, den von hier einsehbaren Plankenbereich. Hinein schwebte zunächst eine freie, linke Hand, dann der Rücken, gekrümmter, rückwärts übergebeugter, fast limbohafter Haltung kam der ganze Fredl dann daher. Sein Rapier hielt er rechter Hand lotrecht gen Plafond, als ob er wie eine Pole-Dancerin von diesem Metall seinen Oberkörper nach hinten schwinge. An der Wirtsstubenstirnwand stakste Fredl nackten Oberkörpers entlang, knapp vor Volki, gefolgt von Friedl. Sein Auftreten erfolgte genau im Rhythmus von Fredls Weichen und erklärte dessen merkwürdige Haltung, schnalzte Friedl dem Gegner doch im Vorwärtsgehen um die Ohren allerhand Rapierhiebe, welche Fredls Schultern aber verfehlten, weil er sich so weit zurücklehnte, die Hiebe mit seiner Go-go-Stange parierte. Als das duellante Paar den Blick auf Volki wieder freigab, ereiferten sich seine Brustmuskeln, unter dem Dinnerjacket ruckte und spannte es. Der Stoff pochte stets,


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