Speedy – Skizzen. Florian Havemann

Speedy – Skizzen - Florian Havemann


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aneinander. Der Reiz des Neuen stumpft doch sehr rasch ab, und ich würde doch mal sagen, daß der Mensch, und das meint mir geschlechterübergreifend Männlein wie Weiblein, nicht für die Ehe geschaffen ist, nicht für die Monogamie jedenfalls, und das ist ja etwas, das ich immer an Speedy bewundert habe, daß sie sich da keinen Illusionen hingegeben hat, mich auch nicht in Illusionen gewiegt hat. Aber Speedy ist sicher ein extremer Fall, und im Normalfall ist es mehr ein Sehnen als gelebte Lebenswirklichkeit, ein Sehnen nach dem anderen Mann, von dem die verheirateten Frauen ergriffen werden, das Sehnen nach dem Abenteuer, nach der erfüllten Sexualität. Die mit dem eigenen Mann nicht zu haben ist. Auch wenn sich das Männer, verheiratete Männer, viel selbstverständlicher herausnehmen, das Recht auf den Seitensprung, die Affaire oder daß sie mal zu einer Nutte gehen, und Ehefrauen da mehr im Hätte und Würde gern verharren – was ich übrigens nie verstanden habe, wo es doch wohl jeder Frau ein leichtes sein dürfte, fremdzugehen, sich einen Liebhaber anzuschaffen, besonders, wenn es da Geld im Hintergrund gibt, und diese Regel von dem Topf, der schon seinen Deckel finden wird, die stimmt doch wohl. Aber vielleicht ändert sich das ja bald und noch zu meinen Lebzeiten, das mit der blöden Treue der Frauen, und sie sind es dann, die vornehmlich sexuell außerhäusig, außerehelich aktiv werden – zu wünschen wäre es ja. Aber in dem Fall, den ich hier für mich spekulativ abhandele, hat es die Ehefrau versäumt, sich die sexuelle Befriedigung bei anderen Männern zu holen, die ihr bei ihrem Ehegatten doch versagt ist, und auch wenn sie Tausendmal im Geiste fremdgegangen ist, getan hat sie’s dann doch nicht, davor zurückgeschreckt ist sie doch. Sie hat geträumt, von anderen Männern geträumt und träumend ihre Zeit vertan, und nun spürt sie das Alter nahen, spürt sie, wie ihre sexuellen Reize nachlassen, und will es doch noch einmal wissen, wie das ist mit der Liebe, der körperlichen Liebe, und in der Situation nun verfällt sie darauf, es noch einmal mit ihrem Angetrauten zu versuchen. Den eigenen Mann zu verführen, das ist die Aufgabe, vor die sie gestellt ist und für die sie sich erst einmal vollkommen unvorbereitet sieht. Und genau da nun verfällt sie auf die Mittelchen, sucht sie Hilfe in den Methoden, einen Mann zu reizen, von denen sie doch in ihrem fortgeschrittenen Alter schon weiß, die sie aber niemals eines Tages selber anzuwenden gedacht hätte. Und die Wäsche ist so etwas. Die Wäsche dann nicht nur als Be-, sondern auch als Entkleidungsstück. Nicht mehr nur, daß Wäsche ihre Scham bedecke, Wäsche, um auf das Darunter hinzuweisen, und wahrscheinlich wird eine solche Frau beim Verkehr, wenn es denn dazu kommt, wenn sie denn ihren Mann doch rumkriegt, diese Wäsche anbehalten, und sie wird also darauf aus sein, daß ihre Wäsche reizvoll sei, ihre Reize, die schon abgenommen haben, grad im Abnehmen begriffen sind, zur Geltung bringe, und stellen wir uns einmal vor, eine solche Frau hätte den Erfolg, den sie haben will und den ich ihr doch auch gönnen möchte, dann wäre dies sicher das sicherste Anzeichen ihres Erfolges, würde sie ihren Mann soweit kriegen, mit ihr in ein Miederwarengeschäft zu gehen, um dort dann, möglichst gemeinsam mit ihm, etwas Schönes auszusuchen, etwas, das eine aufregende Nacht versprechen könnte. Und für die Verkäuferin, die es mit einem solchen Paar zu tun bekommt, das sicher sehr leicht als ein solches zu erkennen sein dürfte, in seiner ehelichen Vertrautheit und Gewöhnung auch, unterbrochen von Momenten aufflackernder Lust, für die Verkäuferin wird es wohl ein leichtes sein, diese beiden dann richtig zu melken, zu schröpfen und zum Kauf der mehr gewagten Modelle unter den Dessous zu verleiten – nehme ich mal an. Aber ob das so stimmt?

      In keine dieser von mir so frohgemut unterschiedenen Fallgruppen waren wohl Speedy und ich einzuordnen, wir beide als Paar, als wohl sicher leicht auch als Ehepaar zu identifizierendes Paar. Weder mochten wir noch als das verliebte junge Ehepaar durchgehen, das für sich mit der Erotik die Erotik weiblicher Unterwäsche entdeckt, noch wird der ja zwischen Speedy und mir durchaus bestehende Altersunterschied als so gravierend anzusehen gewesen sein, daß hier bei uns beiden der Eindruck hätte entstehen können, es handele sich um eine Verbindung nach dem Muster älterer Mann mit Geld und seine junge Geliebte – so jung war Speedy eben doch nicht mehr, so jung wirkte sie auch nicht, und außerdem war doch diese Frau, war Speedy, die da in Begleitung eines Mannes, in meiner Begleitung, den Laden betrat, so elegant und damenhaft gekleidet, daß hier auch nicht ein finanzielles, ein Reichtumsgefälle zwischen uns beiden anzunehmen war. Am ehesten wohl noch hätte auf sie und mich die Erklärung mit der Torschlußpanik zutreffen können, der einer verheirateten Frau, die es noch einmal geschafft hat, ihren Mann für sich sexuell zu interessieren, und dabei zum Dessous als Reiz- und Hilfsmittel gegriffen hat. Aber auch diese Variante mußte wohl von einer kundigen, einer erfahrenen Fachkraft sehr leicht, sehr rasch auszuschließen gewesen sein, denn ich verhielt mich ja nun wirklich nicht, wie sich der von mir spekulativ angenommene Ehemann in einem solchen Falle verhalten dürfte: nämlich aktiv eingreifend, seine Frau in ihrer Wahl beeinflussend, und eine Frau in Torschlußpanik, so sie denn ihren Ehegatten noch einmal rumgekriegt und bis in einen solchen Laden bugsiert hat, wird sich, vielleicht ganz gegen ihre sonstigen Gewohnheiten, was ihre Kleidung, Bekleidung betrifft, nur zu gerne von ihrem Mann beeinflussen lassen, wird über das tätige Interesse ihres Mannes, über seine aktive Anteilnahme bei der Wahl des zu kaufenden Wäschestücks glücklich sein, dies als Zeichen ihres Erfolges werten können. Ich nahm aber diesen Anteil nicht an Speedys Wahl, daran, wie sie die Regale durchforstete, ich stand ja nur, wie angewurzelt und in Erwartung des mir eventuell Bevorstehenden an Schmach und Scham, da, still und ein mühsam gequältes Lächeln versuchend, wenn Speedy sich mit einem dieser Wäschestücke in der Hand, das ihr gefiel und ihr für mich passend erschien, zu mir umwendete. Aber auch Speedy selber verhielt sich viel zu entschieden und allein nur aktiv und ohne daß sie den Versuch machte, mich in ihren Entscheidungsprozeß mit einzubeziehen, als daß sie diesem Muster entsprochen hätte – wenn, dann hätte hier eine Verkäuferin mit Augen im Kopf und der entsprechenden Erfahrung davon ausgehen müssen, daß diese Torschlußpanik-Frau, die sie vielleicht erst in Speedy vermuten konnte, in ihren Torschlußpanik-Bemühungen keinen Erfolg würde haben können, daß sie alles falsch machte. Wenn denn meine Spekulationen nicht vollkommen an der Realität vorbeigehen, an der gelebten Lebenswirklichkeit, und ich da ein Maß auch an reflektierter Erfahrung, an zumindest Intuition und Einfühlungsvermögen bei einer Verkäuferin, einer Fachkraft in einem solchen Laden und delikaten Geschäft, voraussetze, wie es eigentlich gar nicht vorauszusetzen ist, dann würde ich dies nicht für Zufall halten wollen, daß es genau diese Verkäuferin, diese schon ältere, Erfahrung ausstrahlende, seriös wirkende Frau war, die an uns, an Speedy, um genau zu sein, nach einer Weile mit der Frage herantrat, ob sie denn helfen könne, nachdem sie Speedy erst mal alleine schauen und in Ruhe gelassen hatte – ihre Kolleginnen werden sie vorgeschickt haben oder die Geschäftsleitung, von der allerdings so wenig zu sehen war, daß man fast glauben konnte, es gebe so etwas in diesem Laden gar nicht, alles laufe von selber. Und nun war Speedy gekommen, ein bißchen mal für Tohuwabohu zu sorgen, für Durcheinander und Aufruhr, und natürlich brauchte sie dabei Hilfe, die Hilfe einer Verkäuferin – ja, sie könne Hilfe gebrauchen, antwortete Speedy auf die Frage der Verkäuferin, und nachdem sie dies gesagt hatte, ging sie, in Begleitung nun dieser Verkäuferin, ein paar Schritte zu einem Regal zurück, an dem sie länger gestanden, in dem sie sich schon umgetan hatte. Speedy hatte längst ihre Wahl getroffen, nur ich, ich hatte es nicht mitbekommen.

      Und was war das, was Speedy sich ausgesucht hatte, sich für mich ausgesucht hatte? Angekündigt von Speedy war der Kauf eines Korsetts für mich, um mich ein bißchen mehr auf Taille zu bringen, angekündigt war aber ebenso auch der Kauf eines Nachthemdes, auf daß das arme Schlechterchen sich auch des Nachts im Schlafe weiblich fühlen, sich in weiblich süßen Träumen wiegen könne – doch das mit dem Nachthemd für mich, das hatte ich eher als eine Zusatzidee gesehen, weil ja von mir kommend, nicht als das eigentliche Ziel von Speedy, und sie war ja dann auch in diesem gut sortierten Miederwarengeschäft gar nicht bis in die Nachthemd-Abteilung vorgestoßen, die sich, auch aus der Distanz gut erkennbar, in einem zweiten Raum befand, Speedy war bei der Unterwäsche selbst geblieben. Aber, und auch ich hatte mich natürlich danach umgeschaut, ein Korsett, ein klassisches Korsett war dort nicht zu entdecken, nicht ein einziges Modell, und so konnte Speedy also diese Verkäuferin, die sie angesprochen, ihr ihre Hilfe angeboten hatte, auch nicht zu einem Regal mit dem mir angekündigten Korsett führen, es gab ja keines, und was Speedy stattdessen in die Hand nahm, das war ein breiter Hüfthalter, ein sehr breiter, bis zur Taille reichender Hüfthalter, ein Hüfthalter, der unten so weit hinunterging, das er das wenige meiner Männlichkeit wohl gut bedecken und verstecken würde, und an dessen unterem


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