Speedy – Skizzen. Florian Havemann

Speedy – Skizzen - Florian Havemann


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heraus: »Ich möchte das unbedingt haben«, sagte ich, »so ein Korsett, unbedingt.« Und als ich das gesagt hatte, nachdem es so spontan aus mir herausgeplatzt war, meinem Munde entfleucht, schauten sie mich beide an, die beiden Frauen, Speedy und die Verkäuferin, mit groß aufgerissenen Augen, mit geweiteten Pupillen, und im nächsten Moment dann begannen sie zu lachen, über mich zu lachen, mich auszulachen, und ich stand da, hilflos den beiden ausgeliefert, noch hilfloser als zuvor, und ich verfluchte mich, verfluchte mich dafür, daß ich dies gesagt, mir nicht auf die Zunge gebissen hatte, und es war so gut, daß ich dies ohne alle Überlegung, jenseits aller Scham, aller Hemmungen gesagt, mich zu diesem Wunsch bekannt hatte. Nun war es heraus und in der Welt und nicht mehr zurückzuholen – ich hatte mich definiert, hatte mein Einverständnis mit all dem bekannt, dem Speedy mich ausgesetzt hatte, hatte mich auch dieser fremden Frau, der Verkäuferin gegenüber zu meiner Verweiblichung bekannt, dazu, daß auch ich sie wollte. Und ich wollte das Korsett, wollte unbedingt das Korsett, wollte es noch enger, noch beengter wollte ich mich fühlen, geschnürt und eingeschnürt, wollte schwer atmen können und bei jeder Bewegung noch mehr meinen Körper spüren, wollte eine weiblich schmalere Taille und wollte all dies, auch wenn sie nun über mich lachten, ich wollte es auch, weil sie über mich lachten, die beiden Frauen. Sollten sie doch. Es war so gut, ausgelacht zu werden, und daß Speedy dann spöttisch, mit hochgezogener Augenbraue zu mir sagte: »Du machst ja auch mal den Mund auf«, auch das war gut, und gut war die ganz spontane Reaktion der Verkäuferin, die sagte, sie fände es schade, daß ihr dies nicht vergönnt sei, mir ein Korsett anzupassen, sie hätte es nur zu gerne getan, die schönen Korsettzeiten, die wären in ihrem Laden aber leider vorbei – ja, schade, ich hätte mich gern, nur zu gern von dieser Fachkraft schnüren lassen. Richtig schön eng und von ihr weiblich in Form gebracht. Speedy lachte noch einmal auf, als sie die Verkäuferin so reden hörte, und sagte dann, fragte sie dann lachend, es hätte ihr dies wohl Spaß gemacht, ihre Kundinnen früher wie ein Paket einschnüren zu können – ja, wie ein Paket, richtig schön eng. Sie schaute etwas verdutzt, ein bißchen wie ertappt, die Verkäuferin und sagte dann: ja, es hätte ihr dies wirklich Spaß gemacht, richtig Spaß gemacht, und dann druckste sie einen Moment herum und sagte, als meinte sie, dies brauche eine Erklärung, daß das sicher ein bißchen auch das Gefühl von Rache gewesen wäre, Rache dafür, wie sehr sie als Verkäuferin hier in einem solchen Laden von den Damen geschurigelt würde und herumgeschickt – interessant: eine linke Verkäuferin. Daß es so etwas gibt. Das Schnürkorsett als Mittel des Klassenkampfes. »Habe ich das nicht auch getan«, fragte Speedy, »Sie wegen meinem Mann im Laden herumgejagt?« Die Verkäuferin schüttelte entschieden den Kopf. »Bei Ihnen ist das was anderes«, sagte sie, und Speedy fragte zurück: »Was ist bei uns anders?«, und sie, die Verkäuferin, antwortete: »Bei Ihnen ist alles anders, und Sie glauben nicht, wie gut das tut, mal eine Ausnahme zu haben, was Besonderes.« »Doch, das glaube ich Ihnen«, sagte Speedy, »das glaube ich Ihnen sofort.«

      Kapitel 57: Farbliches Bekenntnis

      Sie wollte das wohl noch ein bißchen mehr und in die Länge ziehen, die Verkäuferin, diese Ausnahme von ihrem Berufsalltag, das Besondere, das es für sie bedeutete, statt der Frauen, der Damen, die sie sonst gewohnt war, mit denen sie es in der Regel zu tun hatte, einen Mann mit Unterwäsche einzukleiden, einen Mann in Begleitung einer Frau wie Speedy, die etwas von Wäsche versteht und die es darauf anlegt, ihren Mann pervers mittels weiblicher Wäsche zu verweiblichen – sie sah zwar nicht danach aus, so seriös, so sehr erfahrene Fachkraft, als die sie erschien, aber stille Wasser sind ja bekanntlich tief, und man wundert sich doch oft, was hinter intakten Fassaden für Abgründe lauern, und mir und uns, uns beiden, Speedy und mir, konnte es doch nur recht sein, daß wir gerade an sie, an diese Verkäuferin geraten waren, an eine, der es Spaß machte, uns zu bedienen, eine, die nicht entsetzt, geschockt, empört die Nase rümpfte über uns und unser Begehr. Sie sagte, sie habe den gleichen Hüfthalter und auch in der passenden Größe für mich auch noch in einer anderen Farbe da, in Weiß, und sie sagte es natürlich zu Speedy gewandt und nicht zu mir, auf den es hier so sehr nun wirklich nicht ankam, der dem nur zustimmen konnte, was über ihn entschieden wurde, von Speedy entschieden, und sie fragte, Speedy natürlich, nicht mich, ob sie den mal holen solle, ob Speedy, auf die es dabei allein ankam, wolle, daß ich auch den anprobiere. Vielleicht, sagte sie, stehe mir Weiß sehr gut, vielleicht passe Weiß sehr gut zu meiner blassen Haut. Vielleicht. Und vielleicht hatte sie damit ja auch ganz recht, aber Speedy schüttelte mit dem Kopf, Speedy war da ganz anderer Meinung, anderer Auffassung: Weiß, sagte sie, Weiß käme für mich gar nicht in Frage, ich würde mich doch vollkommen lächerlich machen, würde ich als Weib (und sie nannte mich in dem Moment wirklich ein Weib) unschuldig und rein daherkommen wollen wie eine Jungfrau, und dies war insofern bemerkenswert, als ich für Speedy zu diesem Zeitpunkt noch als jungfräulich gelten mußte – ich meine, insoweit ein Mann, der ja auch für Speedy schon einige sexuelle Erfahrung besaß, überhaupt jungfräulich genannt werden kann, und ich betone hier: er kann, denn prinzipiell ist das möglich, daß ein Mann nicht nur äußerlich verweiblicht, daß er auch zum Weibe gemacht wird und also penetriert wird. Anal. Ich will mich jetzt nicht darüber verbreiten, welche Erfahrungen ich auf diesem Gebiete zu diesem Zeitpunkt schon besaß, und ich besaß die entsprechenden Erfahrungen, nur wußte Speedy davon nichts, und ich habe ihr auch niemals etwas davon erzählt, auch nicht, nachdem sie mich in dem Glauben, mich zu entjungfern, anal penetriert und als Mann zum Weibe gemacht hatte – bemerkenswert war an ihrer Bemerkung auch noch etwas anderes: daß sie davon gesprochen hatte, ich würde mich mit weißer Unterwäsche lächerlich machen. Ja, lächerlich, das war ihr Wort – als ob ich mich nicht schon allein in weiblicher Unterwäsche (welcher Farbe auch immer) lächerlich machte. Aber wahrscheinlich war ihr dieses Wort lächerlich nur deshalb in den Sinn gekommen, weil ich in ihren Augen mit meiner weiblichen Unterwäsche sowieso schon und die ganze Zeit schon lächerlich erschien, vielleicht wollte sie die Verkäuferin auch nur darauf aufmerksam machen, wie lächerlich ich als Mann in meiner weiblichen Unterwäsche war, und daß ich dies auch für sie, die mich in diese weibliche Unterwäsche zwang, dann war, es und in ihren Augen war. Vielleicht. Und vielleicht auch nur unterbewußt, ohne daß sie direkt darauf abzielte, dies die Verkäuferin wissen zu lassen.

      Das hatte natürlich etwas vollkommen Absurdes, Speedys so vehemente Ablehnung des Weiß als Farbe für mich und meine Unterwäsche, absurd wegen ihrer Begründung, absurd, weil doch Speedy sehr wohl weiße Wäsche besaß und immer wieder weiße Wäsche trug, und während sie sie trug, dann doch nicht plötzlich als rein und unschuldig gelten konnte, als jungfräulich gar – Speedy hatte alles, was es so an Farben gibt in ihrer großen Dessouskollektion, zu Hause in ihrem Schrank: weiße und auch schwarze, und ich muß sagen, daß ich, sonst ja nicht so, aber was die weibliche Unterwäsche betrifft, das Schwarz liebe, schon um des starken Kontrastes willen, wegen des graphischen Effekts, aber nicht nur deswegen, auch weil doch das Schwarz der Wäsche die Fragmentierung des Körpers, die so sehr den Reiz von Wäsche ausmacht, so sie denn, auch um zu reizen, getragen wird, noch einmal steigert. Helle Haut gegen das Schwarz des Stoffes, die bedeckten, verdeckten Teile des Körpers gegen die um so mehr nackend und entblößt dann wirkenden – das sieht faszinierend aus, und faszinierend ist auch, wie sich das Bild dann bei jeder Bewegung des Körpers, jeder Veränderung der Position so deutlich wandelnd manchmal geradezu schlagartig verändert. Aber Speedy hatte auch rote Wäsche, rote Wäsche, wie sie bevorzugt von Prostituierten getragen wird, denn Rot, Rot, das ist doch die Farbe der Sünde auch, und Rot leuchtet die Lampe am Bordell, Rotlichtviertel wird der Hurenbezirk genannt, und wenn Speedy mal ganz besonders bei einem ihrer Liebhaber verrucht und nuttig erscheinen wollte, dann trug sie Rot, dann zog sie ihre rote Unterwäsche an. Und ich würde auch sagen, daß Speedy, was ihr weiblich aufreizendes Darunter betrifft, da ihre ganz persönlichen Moden hat, Farben, die sie für eine Zeit bevorzugt, die sie dann aber eine ganze Weile wieder auch nicht mehr trägt, und vielleicht hätte ich mir diese Mühe mal machen sollen, mir das in einen Kalender einzutragen, welche Farben Speedy zu welchen Zeiten trägt, vielleicht wäre dadurch ihrem sexuell-erotischen Innenleben auf die Spur zu kommen, was sich da verändert und wie es sich entwickelt, ob es dabei vielleicht sogar eine gewisse Regelmäßigkeit zu entdecken gibt, mit der bei ihr die Farben wiederkehren, als Stimmungsbarometer auch. Und Speedy hatte neben Schwarz, Weiß und Rot auch sehr viel Lachsrosa in ihrer Wäschesammlung, hautfarbene Wäsche in allen möglichen


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