Speedy – Skizzen. Florian Havemann

Speedy – Skizzen - Florian Havemann


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Männlichkeit beraubt, des letzten kleinen Restes Mann, zur Frau gemacht? Warum? Was sollte er da? Was hatte er da zu suchen, wo meine Frau Frauenunterwäsche für mich aussuchen wollte? Nichts hatte er da verloren, nichts. Weg mit dem Neger! Man befreie uns vom Neger. Der Jude kann von mir aus bleiben, aber der Neger muß weg, muß aus Deutschland hinausexpediert werden. Man stelle einen Sammeltransport zusammen, man sammele sie alle ein, suche nach ihnen in allen deutschen Betten. Man schicke ihn nach Madagaskar, den Neger. Soll er am Leben bleiben. So sind wir doch nicht, wir haben schließlich Gemüt. Das ist es ja. Unsere große Schwäche. Nur in der Schwäche sind wir groß. Und deshalb brauchen wir den Nazi, der hat wenigstens noch einen großen Gummiknüppel – mehr aber auch nicht.

      Ja, wäre das jetzt eine ausgedachte Geschichte von mir und nicht etwas, das ich selber erlebt habe, dieser Neger mit dem großen schwarzen Ebenholzprügel, er wäre mir sogar um des Kontrastes willen sehr recht, und mich neben ihn, wenigstens in Gedanken, mit meinem kleinen weißen Kringel zu stellen, es wäre das sicher ein Spaß – aber es war Ernst, der Ernstfall des Lebens und nicht eines meiner Hirngespinste, dieser Neger, er war unglaublich real, ungeheuer wirklich. Aber dafür konnte er natürlich nichts, er doch nicht – also, was habe ich denn nun gegen diesen Neger, von dem ich hier spreche? Er störte, er paßte mir nicht ins Konzept, mit ihm hatte ich so überhaupt nicht gerechnet. Wie er dasaß, so breitschultrig dieser Neger, breitbeinig in einem der beiden dicken Sessel des Ladens, und auch, wenn ich nichts gegen Schwarze habe und gegen Frauen, die sich mit Schwarzen abgeben, überhaupt nichts, aber darauf war ich doch nicht eingestellt, daß es da in diesem Laden einen Mann geben könnte, und auf einen Neger schon gar nicht. Und deshalb habe ich doch was gegen Nejer, gegen Nejer, die sich hier auf unseren dicken Sesseln breitmachen und die nichts anderes zu tun haben als blöde rumzusitzen und darauf zu warten, wann sie wieder unsere deutschen Frauen ficken können – die Frauen überlassen wir ihnen natürlich gern, soll ’n sie die f … en, mit ihnen das tun, was wir mit unseren angeschlagenen deutschen Männerpsychen nicht mehr zur vollsten Befriedigung unserer Frauen tun können, wohl auch nicht mehr tun wollen. Und ich schon gar nicht – nichts dagegen, daß so ein kleinschwänziger Bläß- und Winzling gegen das Riesending eines Schwarzen nichts ausrichten kann und besser wohl gar nicht gegen ihn in Konkurrenz antrete, aber, und nun folgt das Aber, das große, dann auch groß zu schreibende ABER: so ein Neger muß mir deshalb doch nicht mein Leben schwer machen, schwerer als es schon ist, und es ist doch schon schwer genug, da muß doch nicht auch noch ein Neger in diesem, in meinem Dessousladen bei den deutschen Muschis herumlungern, mit einem weißen Käppi auf dem glattrasierten Schädel, als wäre er der Häuptling eines Negerstammes – vielleicht war er das auch, und dagegen hätte ich doch nichts: sollen sie ihren Häuptlingssohn haben, von einem Häuptlingsschwanz befriedigt werden, die unbefriedigten deutschen Frauen, aber sich ein bißchen anderweitig beschäftigen, das könnte sich der Faulpelz doch auch mal, er muß da nicht so provokativ rumsitzen, rumlungern, als hätte er alle Zeit der Welt, und ausgerechnet die deutschen Frauen mit seinen lüsternen Blicken belästigen, die dann gleich etwas über mich zu lachen haben würden. Es gibt auch anderswo deutsche Frauen, es gibt viele, von deutschen Männern nicht ausreichend befriedigte, besamte Furchen in Deutschland. Bumsen, stemmen, stöpseln, stoßen, fegen, über unsere deutschen Weiber mit seinem Afrika rübergehen – soll er’s doch.

      Dieser rassistisch gefärbte, wenn auch pervers rassistisch gefärbte Text hier, der zwischen Bewunderung und Verachtung schwankende, untergründig aber natürlich nur neidisch besetzte Erguß, ich versichere es meinen Lesern, so ich denn mal Leser haben werde, ungebetene Leser, er ist so ganz ernst nicht gemeint und noch nicht mal dazu da, meine zusätzliche Bedrückung in diesem zweiten Laden des Tages zu erklären, ich übe hier nur, das ist Rollenprosa, der Versuch in mir das zu finden, was auch mich zu einem ordentlichen Nationalsozialisten machen könnte, zu einem fanatischen Anhänger der Nürnberger Rassengesetze – Antisemitismus in der Nußschale, und jeder muß sehen, was er da in sich mobilisieren kann für die allgemeine, die totale Mobilmachung, und ich auch muß das doch ein bißchen üben, mich in einem rassistischen Ton probieren, muß in meiner ausgemachten Feigheit etwas in diesem Tone daherschwadronieren lernen, um die nächsten Tausend Jahre durchhalten zu können, wo wir den Juden, den Zigeuner und natürlich auch den Neger auch dann noch hassen werden, wenn es in Deutschland schon gar keine Juden, Zigeuner und Neger mehr geben wird. Eliminiert. Aus dem Land expediert. Phantomjuden, Operettenzigeuner, Märchenbuchneger. Mein Motto sei hier: Mach was draus, mach was aus dem, was du erlebt hast! Mach aus diesem einen Neger, der dich aus sehr undeutschen Gründen gestört hat, den Neger, und mache aus dem Neger das ganze Gesockse, das den deutschen Seelenfrieden stört der Impotenten. Man hat das doch alles in sich, den ganzen Rassenhaß, wie eine Eiterblase. Man muß sie nur einmal anpieken. Und es war ja am 27. Februar auch höchste Zeit, das ein bißchen zu üben mit dem Rassismus, wenn man vorher nicht mehr gegen die Juden gehabt hatte als gegen die Bayern, die Sachsen oder die Spagettifresser oder diese dann gegen uns Deutsche, gegen das preußisch Korrekte in uns – also eigentlich nischt, außer das Übliche, Folklore. Aber jetzt wurde es ernst mit dem Anti, und wer nichts weiter groß was gegen die Semiten haben konnte, der mußte an einem anderen Haßobjekt üben – wobei Haßobjekt natürlich einseitig ist und nur oberflächlich stimmt, denn um Bewunderung, heimliche Bewunderung geht’s dabei doch genauso stark, um den Neid, den zumindest untergründigen, auch und besonders bei unseren Juden, und die Frage würde ich schon stellen wollen, was den Nazi da mehr antreibt: der Haß oder ist es doch nicht vielmehr die Angst vor dem Juden und Angst heißt hier eine, die aus dem Gefühl der Unterlegenheit herrührt gegenüber einem kleinen, weit über die ganze Erde hin verstreuten Völkchen, das ich beim besten Willen nicht eine Rasse nennen könnte – da hatte ich’s mit meinem Übungsobjekt leichter, der war eindeutig schwarz und so sehr Neger, daß da kein Vertun möglich war. Den Unterschied zu ihrem deutschen Mann, den hätte eine deutsche Frau auch des Nachts im abgedunkelten Schlafzimmer gemerkt, denn bei so einem schwarzen Schwarzen sieht ja eine Frau nun gar nichts, spürt dafür aber um so mehr.

      Also, der Neger saß ganz friedlich da und störte eigentlich keinen und man kann auch nicht sagen, daß es aufgrund seines Verhaltens Anlaß gegeben hätte, die Polizei zu holen. Keine Vergewaltigungen – kam nicht vor. Der Neger hielt sich sittsam zurück und auch, als seine deutsche Dame dann mit ins Spiel kam und auf der Bildfläche erschien, gab es da keinen Zwischenfall, nicht, daß er da gleich sittenlos als Sittenstrolch über sie hergefallen wäre. Das spielte sich alles bloß bei mir im Kopf ab, aber da, hier oben bei mir im hysterisierten Kopf, da sorgte er mächtig für Furore, der Neger, und wirbelte alles noch einmal mehr durcheinander, alles das, was schon nicht mehr wußte, ob ich Männchen bin oder Weibchen und Weibchen, das heißt, heißt auch, daß ich die Augen nicht von ihm abwenden konnte, von diesem Neger, und mir sonst was mit diesem Neger vorstellte, als Frau, als noch nicht befriedigte deutsche Frau. Aber ich würde doch auch sagen und behaupten wollen, daß er nicht nur mich inspirierte, dieser Neger, daß da noch ein paar Weibsen mehr in diesem Laden durch ihn und wegen ihm aufgekratzt waren. Speedy sowieso, das ist klar, aber auch die Gilde der jungen Ladenmädels, würde ich meinen, und ohne diesen Neger kann ich mir das einfach nicht vorstellen, was dann geschah, wie sie sich mir gegenüber verhielten: ihre Schamlosigkeit, ihre impertinente Frechheit mir gegenüber, die Zügellosigkeit ihres Verhaltens. Wie sehr sie mit Speedy mitgingen, wie sehr sie sich in meinem kläglichen Falle engagierten, wie eifrig sie bei der Sache waren, die da hieß: einen deutschen Mann zu entmannen. Geistig und vom Äußeren her. Auch sie hatten doch garantiert immer den Neger mit im Kopf dabei, und hätten ihn gern woanders gehabt, und wie lächerlich ich ihnen erscheinen mußte, als was für ein Witz nur von Mann, das hatte sicher doch auch mit dem Mannsbild zu tun, das sie da in ihrem Laden zu sitzen hatten und das nicht weichen und die deutschen Angelegenheiten innerdeutsche Angelegenheiten lassen wollte.

      Aber Speedy tat ja auch alles, so würde ich sagen, um diese drei Ladenmädels, die ich jedenfalls nicht, nicht im Vergleich mit der Fachkraft, mit der wir es in dem ersten, seriösen Geschäft zu tun hatten, Verkäuferinnen nennen würde, obwohl sie das natürlich waren, dazu zu ermuntern, sich auf meine Kosten zu amüsieren, sich aus ihrer Langeweile auch zu befreien – das war natürlich sehr nett von Speedy, sehr mitfühl-, sehr einfühlsam, was diese Ladenmädels betraf und ihren allezeit sonst sicher furchtbar öden Berufsalltag, aber gar nicht nett für mich und so ja auch nicht gemeint von Speedy, außer ich halte ihr zugute, daß sie vielleicht


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