Speedy – Skizzen. Florian Havemann

Speedy – Skizzen - Florian Havemann


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und hier auch der weißen Rasse als minderwertig, als minderwertig und deshalb verachtenswert. Wenn dann umgekehrt und ein ins Gegenteil verkehrter Rassismus, ein pervertierter Rassismus, ein Rassismus, der den deutschen Mann in seiner Minderwertigkeit meint, und ich rede hier absichtlich nur vom deutschen Mann und also mir und nicht von der deutschen Frau und auch von Speedy nicht, bei der das einmal ganz zu vernachlässigen ist, daß sie einen Schweizer Pass in der Tasche trägt, in ihrer Handtasche, ihrer regelmäßig schicken Damenhandtasche – wie das nun?, so müßte sich hier jeder Leser fragen, und würde ich für einen Leser schreiben, ich hätte es ganz anders anfangen müssen, aber ich schreibe für mich allein und noch nicht mal für meine Frau, für Speedy. Aber Speedy müßte ich das auch nicht erzählen, Speedy war ja dabei, Speedy würde es reichen, wenn ich hier nur das Wort Neger sage, Neger schreibe – als wir da reinkamen in dieses zweite Dessousgeschäft des Tages, in das Geschäft, in dem wir von vornherein falsch sein würden, jedenfalls, was unseren Hauptzweck, das Korsett für mich betraf, da saß da breitbeinig, breitschultrig ein riesenhafter Schwarzer in einem der Sessel dort, und er grinste mich an und bleckte seine ungeheuer weißen Zähne. Aber wahrscheinlich galt sein unverschämtes, sein vollkommen schamloses Grinsen gar nicht mir, der ich Speedy hinterherstolperte, sondern ihr, sondern Speedy, und es war das Grinsen, mit dem er jede deutsche Frau erst einmal anzugrinsen pflegte, das anzügliche, das auszügliche, jede Frau in seiner schmutzigen Vorstellung ausziehende, das Grinsen eines Mannes, der in jeder Frau erst einmal die Frau sieht, die Frau, die seine Frau sein könnte und werden, die sich seinem exotischen Negerreiz ergibt. Und welche Frau, welche deutsche Frau macht das nicht und denkt angesichts eines Negers nicht an das Eine, an genau das, an das auch der Neger denkt, und der Neger, er denkt doch sowieso immer nur an das Eine, der Neger ist ein Tier. Egal, was er sonst noch ist oder sein mag. Trompeter in einer Jazzband, Stammeshäuptling, Häuptlingssohn, Student der Rechte – Klischee? Natürlich ist das ein Klischee, aber ohne Klischees kein Rassismus, auch meiner nicht. War das nun ein amerikanischer Export, beziehungsweise Import, geht man von unserer deutschen Provinz-Perspektive aus, ein Jazz-Neger, der Trompeter einer Jazzband zum Beispiel wegen seiner wulstigen Lippen, oder ein afrikanischer Stammeshäuptling auf Europabesuch, ein Häuptlingssohn, zum Studium nach Deutschland geschickt, auch das gab es ja? Es konnte mir eigentlich egal sein, die Hauptsache war das, was dieser schwarze Mann sozusagen und schon unausgesprochen bedeutete, in Beziehung zur deutschen Frau, zur weißen Frau bedeutete, die er in diesen Laden zur Unterwäsche, zu den Dessous hin begleitete, den weiblichen, in die zu kleiden, mittels derer sich selber zu verweiblichen ihm niemals in den Sinn gekommen wäre, aber dagegen mir. Mir sehr wohl. Mir als dekadentem Mann, als so wenig Mann. Der Kontrast konnte nicht schärfer sein. Dort der Neger, hingefläzt in diesen Sessel, seiner selbst, seiner Wirkung auf Frauen vollkommen sicher, seiner animalischen Wirkung und des Versprechens, das von dieser animalischen Wirkung auf die deutsche Frau ausgeht, auf jede deutsche Frau, würde ich meinen, auch auf die, die es sich verbietet, von einem Neger zu träumen und daran zu glauben, daß der Neger in der Regel sehr viel potenter ist als alles, was deutsche Männer zustande bekommen, triebhafter, und daß auch sein Gemächte ein afrikanisch großes und überwältigendes sei, so ja das unausrottbare Gerücht, das entsprechende Klischee, und hier ich, das deutsche Männchen, ein nasser, müder Sack im Vergleich zu diesem Schrank von Neger, ein seiner Männlichkeit so wenig gewisser Mann, ein Mann, seiner Männlichkeit beraubt, ein Mann, der bereit ist, sich in eine Frau verwandeln zu lassen. Natürlich ergab sich da eine Beziehung zwischen diesem Neger und mir, sie ergab sich schon aus der Tatsache, daß wir die beiden einzigen männlichen Wesen in diesem Laden waren, und welcher Art die Beziehung zwischen uns beiden war, welch ein entscheidender, welch gravierender Unterschied zwischen ihm und meiner Wenigkeit bestand, das war zumindest einer weiteren Person in diesem Laden von vornherein bewußt: Speedy nämlich, und dessen konnte, mußte ich mir eigentlich sicher sein, daß Speedy, so wie sie veranlagt ist, sich den Neger sofort als Mann dachte, und ich mußte auch damit rechnen, daß sie Mittel und Wege finden würde, ihr Wissen um den Unterschied zwischen uns beiden so verschiedenen Männern auch den anderen, dort in diesem Laden anwesenden Damen, zumindest den Verkäuferinnen und der Dame, die der Neger begleitete, bewußt zu machen – diese Gelegenheit würde sie sich doch nicht entgehen lassen. Speedy doch nicht, nicht an einem solchen Tag.

      Der Neger saß da, breitbeinig, breitschultrig und seiner selbst gewiß, seiner negroiden Potenz, und wartete offensichtlich, und worauf er wartete, auf wen er wartete, es schien mir jedenfalls vollkommen gewiß: auf seine deutsche Maid, auf die deutsche Frau, die er afrikanisch potent oder jazz-exotisch beschlief und die grad dabei sein mußte, sich mit neuer Unterwäsche einzudecken, damit er noch wilder hinter ihr her sei, sie noch einmal mehr beschlafe, und das eigentlich Verrückte ist, daß mir das jetzt im nachhinein erst auffällt, daß da ja ebenso gut auch Josephine Baker oder ein Baker-Girl, ein schwarzes Revuemädchen, eine zu seiner Schwärze passende Exportware dann zu ihm hätte aus der Kabine zurückkommen können – aber sie erschien nicht, die zu seiner Schwärze passende Schwarze, stattdessen aber später dann eine deutsche Frau, keine Maid allerdings, eine gar nicht mehr so taufrische deutsche Dame, das Gespenst, wie ich immer sage, innerlich in mir sagen höre, denke ich an diese umwerfend schreckliche Szene zurück, und die zwischen den beiden zum Rassenunterschied hinzutretende Altersdifferenz machte ihre Paarung noch einmal mehr obszön und zu einer offen, offensichtlichen sexuellen Angelegenheit. Eine romantische Liebestorheit war’s auf alle Fälle nicht, auch von der weiblich-gespenstischen Seite aus nicht, und ich konnte mich also in meiner Ahnung, respektive Gewißheit bestätigt fühlen, was aber nichts eigentlich daran ändert, wie erstaunlich das ist, daß ich mir meiner Sache so sicher war mit der deutschen Maid, und wenn nicht Maid, dann eben überhaupt und so weiter, auf die er wartete, nur warten konnte. Jedenfalls im nachhinein betrachtet. Heute sieht man keine schwarze Haut mehr in Deutschland, so gut wie keine, ob weiblich oder männlich, doch damals im Februar 33 waren doch die schönen 20er Jahre noch nicht ganz zu Ende, sie endeten erst an diesem Tag. Nur der Neger wußte es vielleicht noch nicht, daß es sich ausgenegert hatte in Deutschland.

      Habe ich was gegen Neger?

      Nein, ich habe nichts gegen Neger.

      Und ich habe auch dann nischt gegen Neger, wenn ich sie hier bei mir oben in meinem deutschen Dachstübchen mal süddeutsch weich Nejer ausspreche, oder sächsisch, falls denn der Sachse seit Zeiten August des Starken und seinen Mohren damals jemals wieder einen echten Nejer jesehn haben sollte – aber beim Nejer reicht ja in der Provinz das Gerücht, es gebe ihn, und schon nehmen die Weiber Reißaus, die sich alle doch zu ihm hinsehnen, eigentlich, wenn sich’s machen ließe, und so gern mal nachsehen würden, ob das denn nu wirklich auch stimmen tut, was der Volksmund sagt, daß der Nejer besser ausgestattet wäre, besser als der beste deutsche Mann. Doch nun, je mehr ich den Neger unterhalb der nord-deutschen Tiefebene, der Lautverschiebungsgrenze als Nejer höre, desto weicher zergeht er mir auf der Zunge, desto zärtlicher und sehnsüchtiger spricht er sich in mir aus, und das ist falsch, absolut falsch, denn der Neger, dieser schwarze Riese mit dem vermuteten Riesending in der Hose, Ebenholz, Ebenholzprügel, er ist alles andere als weich, er ist hart, ein Muskelprotz, ein Muskelmann und als Mann von einer unbeschreiblich fordernden Härte, wenn erregt – die dicke, fette Beule da in seiner Hose sagt es an, wie ein Tier auf der Lauer liegt es da, träge scheint’s, und der Neger krümmt doch den Finger nicht, dann aber schnellt er los, richtet er sich auf, zu stattlicher Größe, sowie ein Opfer in seine Nähe kommt, ein weibliches Opfertier, Opfermensch und als Frau potentielles Opfer seiner Lust, ihrer eigenen Negergelüste, und vollkommen egal, ob wir das nur in ihn hineinprojizieren und auch dieser Mann ein Schlaffi ist. Ist er nicht. Wozu sonst brauchen wir einen Neger? Das Neger-Klischee, und ich habe nichts gegen Neger, nichts gegen Neger allgemein, gegen den Neger, den Neger an und für sich, nur gegen diesen einen Neger, wie er da breitschultrig, breitbeinig und ungeheuer unverschämt dasaß in seiner sicher vermuteten Großschwänzigkeit, gegen den hatte ich was, allerdings – nein, eigentlich auch das nicht, denn schließlich sah er wirklich imposant aus mit seinen breiten Schultern, seinem rasierten Schädel, und ich verstehe natürlich die deutsche Frau, die sich mit einem Schwarzen einläßt, der, im Unterschied zum seelisch angeknacksten deutschen Mann, noch bumsen will und kann und potent mehrmals auch hintereinander kann. Und der mehr Penis hat, einen längeren, einen größeren als so ein armes Kerlchen, wie ich einer war oder ich einer bin, immer bin und sein werde, der ich mich ducke und klein mache, so klein wie ich bin – warum mußte


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