Speedy – Skizzen. Florian Havemann

Speedy – Skizzen - Florian Havemann


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sehr nahe und mochte als Ersatz für ein Korsett herhalten können. Er ging schon in die Richtung Korsett und war auf alle Fälle gegenüber dem eher schmalen und modischen und also zu Speedy passenden Strumpfhalter, den ich bisher von ihr zum Tragen bekommen, ausgeborgt bekommen hatte, eine echte Steigerung, und der Gedanke war bei mir sofort da, daß dieser soviel breitere Hüftgürtel womöglich nicht mehr diese Tendenz haben könnte, bei mir, da es mir doch an der weiblichen Taille mangelte, nach unten zu rutschen, heruntergezogen auch von den Strümpfen, wo doch Speedy, und nicht nur sie, auch ich, die Strapse immer schön glatt und stramm haben wollte. Ich glaube nicht, daß Speedy bei ihrer Wahl dieses Hüfthalters, den sie nun aus dem Regal herausnahm und der Verkäuferin zeigte, überhaupt darauf geachtet haben wird, ob er mir denn von der Größe her passen würde – er tat dies offensichtlich nicht, er mußte für mich zu klein und viel zu eng und zu schmal geschnitten sein, das war sogar für mich und meinen ungeübten Blick erkennbar. Aber, und so schien es auch mir sofort, er konnte auch Speedy nicht passen, für sie mußte er wiederum zu groß, zu weit sein, und an etwas anderes als daran, daß sich Speedy diesen Hüfthalter für sich selber ausgesucht habe, daran konnte doch die Verkäuferin in diesem Moment noch gar nicht denken, etwas anderes nicht vermuten, und also machte sie Speedy darauf aufmerksam, daß dieser Hüfthalter jedenfalls für ihre schlanke Gestalt etwas zu groß sein dürfte, zu weit. Speedy zeigte in ihrer Reaktion darauf keinerlei Erstaunen, sie sagte, etwas schnippisch im Ton, daß sie davon ausgegangen wäre, es ließe sich im Lager schon das Passende finden, sie habe sich erst einmal nur für das Modell entschieden, das sie haben wolle, weil es ihr gefalle, und genau dieser Hüfthalter gefalle ihr, genau den wolle sie haben. Immer noch in der fälschlichen Annahme, dieser Hüfthalter, der Speedy gefiel, den sie haben wolle, wäre dann auch für sie bestimmt, erwiderte die Verkäuferin, daß auch sie annehmen würde, es ließe sich sicher im Lager die für Speedy passende Größe finden, und nach einem kurzen Blick, mit dem sie Speedys Bekleidungsgröße zu taxieren schien, sagte sie, während sie sich dann schon anschickte, ins Lager zu gehen: »Ich werde mal nachsehen gehen.« Das ging alles sehr schnell, und ich will mal nicht annehmen, daß Speedy es absichtlich darauf angelegt hatte, dies sehr laut und deutlich und für die beiden Damen in unserer Nähe auch deutlich hörbar sagen zu müssen, was sie dann laut und deutlich sagte, um zu verhindern, daß die Verkäuferin in ihrer Ahnungslosigkeit mit einem Hüfthalter der falschen, weil für Speedy passenden Größe zurückkäme. Sie sagte, und sie sagte es, wie gesagt, sehr laut und deutlich vernehmbar: »Ich möchte diesen Hüfthalter aber nicht für mich, sondern für meinen Mann hier.«

      Damit war es heraus, und ich wäre natürlich am liebsten in diesem Moment im Erdboden verschwunden. Die beiden Damen in unserer Nähe drehten sich zu uns um, ihr erstaunter Blick traf mich mit voller Wucht, aber auch das Erstaunen der Verkäuferin war natürlich groß. Sie war offensichtlich vollkommen konsterniert und wirkte wie aus ihrem Konzept gebracht. Sie stand da, mit offenem Mund, hilflos und für einen Moment jedenfalls geschockt – ob sie einen gleichgelagerten, einen wenigstens ähnlichen Fall in ihrer langjährigen Berufspraxis schon mal erlebt hatte, ich bezweifele es. Und diesen Moment nun des Schocks, der offenbaren Unfähigkeit der Verkäuferin, auf diese Eröffnung zu reagieren, ihn nutzte Speedy dahingehend aus, daß sie nun, die als Kundin bisher, wie in einem solchen seriösen Geschäft wohl gewohnt, die Verkäuferin hatte machen, den Verkaufsakt hatte leiten lassen, ihrerseits die Initiative für das Weitere ergriff. Speedy sagte in die plötzliche Stille hinein, ihr Mann, also ich, ich müsse diesen Hüfthalter aber natürlich unbedingt anprobieren können. Der Verkäuferin blieb nur, beflissen zu nicken, und nachdem sie dies getan und damit ihr Einverständnis auch für dieses sicher noch einmal mehr ungewöhnliche Ansinnen gegeben hatte, wenn es denn hier überhaupt noch eine Steigerung des Ungewöhnlichen geben konnte, sagte Speedy, sie wisse leider nicht, welche weiblichen Kleidergrößen für ihren Mann die richtigen wären, es sei sicher besser, dies erst einmal bei mir nachzumessen. Wieder nickte sie, nickte die Verkäuferin in ihrer Hilflosigkeit, immer noch paralysiert und Speedy ausgeliefert, und gab damit auch dafür ihr Einverständnis. Wie in Trance drehte sie sich um und bewegte sich in Richtung der drei nebeneinanderliegenden Kabinen im rückwärtigen Teil des großen, geräumigen Ladens, in den Bereich hinein also, den wohl in der Regel nur Frauen betreten, die Kundinnen, die ein Wäschestück anprobieren wollen, und im Ausnahmefall vielleicht auch mal ein Paar – aber doch nicht eines, wo es der Mann sein würde, der dort ein solches für die holde Weiblichkeit bestimmtes Wäschestück anprobiert. Speedy folgte ihr entschlossenen Schrittes, ich trottete hinterdrein – auch ich wie in Trance und jenseits von Gut und Böse, vollkommen unter der Macht meiner Frau.

      Die Verkäuferin, die vorgegangen war, trat, als wir diese Kabine erreicht hatten, einen Schritt zur Seite, um für Speedy und nachfolgend mich den Weg freizumachen, sie zog dann hinter uns dreien den Vorhang zu, und damit waren wir uns plötzlich sehr, sehr nahe und in einer sehr viel intimeren Situation auch, getrennt von dem, was sich da draußen in dem Laden abspielte, und ich würde mal annehmen, daß da zumindest ein paar sehr bedeutungsvolle Blicke gewechselt worden sein werden, unter den verbleibenden Verkäuferinnen auf alle Fälle, aber vielleicht auch zwischen ihnen und den anderen Kundinnen, zumindest mit diesen beiden Damen, die das sehr wohl in seiner entscheidenden Wendung mitbekommen hatten, was Speedy vorhatte, mit mir, mit ihrem Mann, ihrem männlichen Begleiter, und auch daran wäre zu denken, daß es da ein paar hämische Kommentare gegeben haben könnte, ein paar diesen Skandal skandalisierende. Und wahrscheinlich warteten sie alle nur drauf, was die Verkäuferin zu berichten haben würde, die mit uns nun in dieser doch engen Kabine steckte und schon ihr Zentimetermaß gezückt hatte, um mich zu vermessen, meine Taille, auf die es bei diesem Hüfthalter doch eigentlich nur ankam. Etwas ungeduldig und verlegen, wie auch ich ja verlegen war, äußerst verlegen sogar und in meiner Verlegenheit auch abhängig von den weiteren Anweisungen meiner Frau. Speedy hatte das Kommando übernommen, also ging ohne ihr Kommando nichts mehr. Und Speedy übte das Kommando aus, Speedy sagte zu mir, ich solle den Mantel ausziehen und auch meinen Anzug, damit die gute Frau, und sie nannte die Verkäuferin wirklich eine gute Frau, meine Taille messen könne, und also zog ich den Mantel aus und legte dann die Anzugjacke ab, und natürlich stockte ich einen Moment, bevor ich mir dann die Hose öffnete, unter der die Seidenstrümpfe sichtbar werden würden, die ich schon an meinen Männerbeinen trug, und mit den Seidenstrümpfen dann auch der Strumpfhalter, an dessen Strapsen sie befestigt waren, und damit eigentlich der ganze Irrsinn meiner Verweiblichung in seinem vollen Ausmaß, und zu diesem Ausmaß gehörte, wie mir erst eigentlich in diesem Moment richtig klar wurde, daß ich und Speedy mit mir längst meine weibliche Bekleidungsgröße wissen mußten, denn schließlich paßten mir doch Speedys Sachen irgendwie – aber eben nur irgendwie, und die Taille war natürlich noch mal etwas anderes, das war schon wahr, und worauf es nun ankam, das war, daß unsere Verkäuferin ihres Amtes waltete beziehungsweise fachgerecht ihren Beruf ausübte, das Messen meines Taillenumfanges vornahm, und sie tat dies, ohne mit der Wimper zu zucken, ohne eine Miene dabei zu verziehen, hinter ihrer Professionalität verschanzt. Ich hielt, von Speedy dazu aufgefordert, mein Oberhemd in die Höhe, das einzig mir verbliebene männliche Kleidungsstück, und auch das weibliche Unterhemdchen, das die Verkäuferin natürlich sehr wohl registrierte. Sie nannte die Zahl, sie nannte auch die Größe, die ich demzufolge für einen Hüfthalter brauchen würde, ich bekam beides nicht mit, ich war viel zu aufgeregt dazu. Und dann verschwand sie, und Speedy sagte in einem aufmunternden Ton: »Siehst du: alles halb so schlimm.« Speedy hatte gut reden – was wußte sie, wie peinlich mir das Ganze war.

      Aber es war ja nur der Anfang, denn in der Zeit, in der sich unsere Verkäuferin im Lager nach einem Hüfthalter meiner Größe auf die Suche machte und sicher auch gleich mal ihren Kolleginnen Bericht erstattete, Bericht darüber, was mit mir los wäre, was für ein Mann ich sei, was für ein Wenig-Mann und weiblicher, wäschemäßig verweiblichter Mann, gab mir Speedy die Anweisung, ich solle mir da gleich auch mal mein Oberhemd ausziehen, ich sähe ja lächerlich dabei aus, wenn ich’s mir so verzweifelt in die Höhe halte, damit ihr schmaler Strumpf- nun durch einen neuen, breiten Hüfthalter ausgetauscht werden konnte, und lächerlich, das war auf alle Fälle das passende Wort, lächerlich, mächtig lächerlich kam ich mir wirklich bei alledem vor. Doch auch dies reichte ihr nicht, auch das Hemdchen mußte weg, von dem sie behauptete, es würde zu tief hinunterreichen und den Hüfthalter verdecken, den ich anzuprobieren hatte. Und so stand ich dann da, noch mehr der Lächerlichkeit preisgegeben, in meinem


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