Wolfgang Amadeus Mozart. Hermann Abert

Wolfgang Amadeus Mozart - Hermann  Abert


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stille und versonnene fremde Gast, der sich in der Schlußgruppe von K.-V. 45, 1 plötzlich an die lärmende Festtafel setzt, der verstohlene Abschiedsgruß der Bläser in K.-V. 48, 4, namentlich aber das ganze erste Thema von K.-V. 48:

      Das ist ein richtiges Kampfthema, in Riesenschritten nach dem plagalen G-Dur abstürzend und sich dann in einer echt Mozartschen Synkopenpartie den Aufstieg wieder erzwingend. Auch die Fortsetzung entspricht diesem Anfang: ein Motiv mit einem ratlos stockenden Rhythmus und einer kleinlauten Oboenfigur, dann ein Seitenthema aus Sechzehntelfiguren, hinter denen es wie ein verschwiegener, flehender Gesang klingt. Diese Sinfonie ist überhaupt die fortgeschrittenste, auch was die unter dem Wiener Einfluß eindringenden kontrapunktischen Züge und die selbständigere Bläserbehandlung anlangt.

      Dagegen stammt das B-Dur-Quintett (K.-V. 46) für zwei Violinen, zwei Bratschen und Violoncello, eine Bearbeitung der vier Hauptsätze der Bläserserenade K.-V. 361 von 1780, ohne Zweifel aus der dieser Serenade folgenden Zeit. Schon dem Stil nach ist das – von fremder Hand hinzugefügte – Datum des 25. Januars 1768 einfach ausgeschlossen, aber auch der Beisatz "Salzburg" stellt den Irrtum klar heraus, da Mozart damals in Wien war; außerdem stammt die ganze Handschrift höchstwahrscheinlich gar nicht von ihm90, was natürlich nicht ausschließt, daß die Bearbeitung der Serenade als solche doch sein Werk ist.

      Trotz der mit Wolfgangs Oper erlebten Enttäuschung sollte L. Mozart doch noch die Genugtuung haben, daß sein Sohn in Wien öffentlich eine Komposition aufführte. Sie waren mit dem berühmten damaligen Jesuitenpater Ign. Parhammer bekannt geworden, der nach der Auswanderung der Protestanten aus Salzburg (1733) für die Wiederherstellung des alten Glaubens im Lande eifrig tätig gewesen war91 und später in Wien eine einflußreiche Stellung einnahm, zumal seitdem er (1758) Beichtvater des Kaisers Franz I. geworden war. Im folgenden Jahre wurde ihm die Leitung des Waisenhauses übertragen, das er durch außerordentliche Tätigkeit erweiterte, neu organisierte und während seiner langjährigen Leitung zu einer weithin berühmten Anstalt machte92. In allen von den Jesuiten geleiteten Anstalten der Art in Deutschland wurde nach dem Brauch der venezianischen Konservatorien die musikalische Ausbildung der Waisen zunächst zur Verwendung beim Gottesdienst mit Sorgfalt betrieben93, und hier mit solchem Erfolg, daß Kaiser Joseph sie für seine Oper zu nutzen beabsichtigte94. Parhammer lud Mozarts mitunter zu Tisch ein, und als im Sommer der Grundstein zu der neuen Waisenhauskirche am Rennwege gelegt wurde, sahen sie den Kaiser dort, der sich mit Wolfgang über seine Oper unterhielt. Nun wurde ihm zur feierlichen Einweihung der Kirche die Komposition der zum Hochamt gehörigen Musik übertragen, außer der Messe und dem Offertorium noch ein Trompetenkonzert, das ein Knabe vorzutragen hatte.

      Am 7. Dezember 1768 fand die Aufführung, bei der Wolfgang mit dem Taktstock dirigierte, in Gegenwart des kaiserlichen Hofes statt und machte, wie der Vater nach Hause schrieb, das wieder gut, was die Feinde durch Verhinderung der Oper zu verderben trachteten, da sie den Hof und das zahlreich versammelte Publikum überzeugten, daß Wolfgang als Komponist mit Ehren bestehen könne95.

      Darüber stellte auch die Zeitung ein öffentliches Zeugnis aus96:

       Mittwochs den 7ten geruheten Ihre kais. königl. apost. Majest. samt den 2 Erzherzogen Ferdinand und Maximilian, dann den Erzherzoginnen Maria Elisabeth und Maria Amalia königl. Hoheiten, in das Waisenhaus auf dem Rennweg sich zu erheben, um allda in der neuerbauten Kirche der ersten feyerlichen Einsegnung und Gottesdienste beyzuwohnen. An beyden Seiten außer der Kirche paradirten die sammentlichen Hauscompagnien mit ihrer Feldmusik, und 3 Chöre Trompeten und Paucken. Der Empfang Ihrer k.k. Majest. und der 4 königl. Hoheiten geschahe an der Hauptthür obbesagter Kirche von Sr. Fürstl. Eminenz dem Röm. Kirchen Cardinalen, und allhiesigen Hrn. Erzbischof, unter Aufwartung dasig gesamter Geistlichkeit, unter dem fröhlichsten Schalle der Trompeten und Paucken, dann Abfeuerung der Stücke und Böller. Worauf die Einsegnung der Kirche mit den gewöhnlichen Ceremonien von erstbemeldeter Sr. Fürstl. Eminenz verrichtet, das Hochamt aber von dem hiesigen Hrn. Weyhbischof Marxer, unter wiederholter Abfeuerung des sämmtlichen Geschützes, gehalten wurde.

       Die ganze Musik des Waisenchor bey dem Hochamte wurde von dem wegen seinen besonderen Talenten bekannten Wolfgang Mozart, 12jährigen Söhnlein des in fürstl. salzburgischen Diensten stehenden Kapellmeisters Hr. Leopold Mozart, zu dieser Feyerlichkeit ganz neu verfasset, mit allgemeinem Beyfalle und Bewunderung, von ihm selbst aufgeführet, mit der größten Richtigkeit dirigiret, und nebst deme auch die Motetten gesungen.

      Die Musik der Festmesse und des Trompetenkonzertes ist verloren, dagegen ist uns eine Missa brevis in G-Dur (K.-V. 49, S.I. 1) für vier Singstimmen, Streichorchester und Orgel erhalten; sie wird von L. Mozart in seinem Verzeichnis hinter jener Festmesse angeführt und ist deshalb wohl im Dezember 1768 entstanden97. Nicht lange nach der Aufführung der Festmesse erfolgte die Rückreise; am 5. Januar 1769 kam die Familie wieder in Salzburg an98.

      Fußnoten

      1 G. Forster, Schriften VII, S. 270.

      2 AMZ II, S. 301.

      3 Nach Angabe Mariannens haben die Kinder bei dieser Gelegenheit auch gespielt; der Vater erwähnt nichts davon.

      4 Burney, Reise II, S. 183 ff. Dutens, Mém. I, p. 853 f.

      5 Garat, Mém. sur Suard II, p. 218 ff. Dutens, Mém. I, p. 347 f.

      6 Zimmermann, Briefe S. 96.

      7 Burney, Reise II, S. 189.

      8 B IV 274. Nott. S. 103.

      9 B IV 268 f.

      10 Vgl. Gervinus, Gesch. der poet. National-Literatur IV, S. 384 ff. Devrient, Gesch. der deutschen Schauspielkunst II, S. 191 ff. Sonnenfels, Gesamm. Schr. V, S. 157 f., 191 f. und Brief an Klotz I, S. 2 ff. (aus demselben Jahre 1768).

      11 Vorrede zur Oper "Alceste".

      12 B IV 271.

      13 Der Zusammenhang (Nissen S. 134) schließt doch nicht aus, daß L. Mozart diesen Ausdruck als Gegensatz zur opera buffa verstand. "Zu seriösen Opern sind keine Sänger hier, selbst die traurige Glucksche Oper: Alceste ist von lauter Opera-buffa-Sängern aufgeführt worden. Jetzt machte G. auch eine Opera buffa."

      14 Ges. Schr. V, S. 155 f.

      15 Eine eingehende Charakteristik gibt Sonnenfels, Ges. Schr. V, S. 290 ff.

      16 Metastasio, Opp. post. II, p. 278, 290, vgl. Arteaga, Le rivoluzioni del teatro musicale Italiano III, p. 126 und neuerdings vor allem H. Goldschmidt in der Einleitung zu den Ausgewählten Werken Traëttas DTB XIV 1.

      17 Burney, Reise II, 188 ff.

      18 Vgl. E. Wellesz, Giuseppe Bonno SIMG XI 395 ff.

      19 So lautet die noch heute gebräuchliche Form des Namens. Auch L. Mozart schreibt stets Affligio. Deiters folgte mit der Form Afflisio Wlassak, Chronik des Burgtheaters S. 16.

      20 Müller, Abschied von der Bühne S. 72.

      21 Müller, Zuverl. Nachrichten I 13.

      22 Carpani, Le Haydine 1823, S. 82, Kelly, Reminisc. I 103 f.

      23 B IV 275 ff.

      24 B IV 284.

      25 Das war ein beliebtes Motiv, das z.B. auch in Paisiellos "Frascatana" (1774) auftaucht.

      26 Der anfängliche Schluß dieser Arie wurde von Mozart verworfen und durch einen neuen ersetzt. Der erhaltene Rest des alten Schlusses, der R.-B. S. 23 mitgeteilt wird, bedenkt auch noch den "porco" mit einer orchestralen


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