Der Meister und der Mörder. Margarete von Schwarzkopf

Der Meister und der Mörder - Margarete von Schwarzkopf


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meinen Verdacht, dass dieser Mann ein Spion sein könnte. Der Earl, der viele gute Eigenschaften besaß, aber keine Menschenkenntnis, winkte ab. »Ihr seht Gespenster, Stuart!« Doch sein Gesicht drückte tiefe Sorge aus.

      »Der letzte Kampf steht uns bevor«, sagte er und nahm mich beiseite. »Achtet darauf, dass meine Familie unbeschadet nach Schottland gelangt. Und nehmt so viele Bilder aus unserer Sammlung mit wie nur möglich. Die anderen versucht zu verbergen. Ich möchte nicht, dass diese Schätze Menschen in die Hände fallen, die in der Kunst eine Todsünde sehen und in den Heiligen Abbilder des Teufels. Euch aber, guter Freund, möchte ich zum Abschied ein Bild schenken, das ich immer sehr geliebt habe.«

      Damit überreichte er mir ein kleines Bildnis mit dem Porträt eines hübschen Jungen. »Es stammt von einem Künstler namens Caravaggio, der einen recht wilden Lebenswandel hatte, aber ein begnadeter Maler war. Dieses Bild hat mir meine Mutter vermacht, als ich selbst noch ein Junge war. Ich möchte es Euch als Dank für Eure Dienste und Eure Loyalität übergeben. Hütet es wohl!«

      Tränen schossen mir in die Augen, und mich überfiel die düstere Gewissheit, dass dies in der Tat das Abschiedsgeschenk des Earls sei, der vielleicht selbst nicht mehr glaubte, dem Tod noch einmal zu entkommen wie bei Marston Moor und Naseby. Als ich das kleine Bild in meine Kammer trug, erhaschte ich einen Blick auf Steven Clarke, der sich in der Eingangshalle herumdrückte. Dort hatte er nichts zu suchen. Er bemerkte mich und verschwand mit katzengleichen Schritten. Dieser Mensch führte gewiss nichts Gutes im Schilde.

      Ich kam nicht mehr dazu, dem Earl noch einmal von meinem Eindruck zu berichten. Er verließ das Schloss am späten Abend mit Jack und seinem alten Vertrauten Conrad, einem Deutschen, der den Warchesters schon viele Jahre gedient und den Söhnen des Earls Unterricht im Fechten gegeben hatte. Auch ihn sollten wir nicht wiedersehen. Der Pfeil aus einer Armbrust traf ihn nur wenige Stunden nach dem Tod seines Herrn.

      Lady Annabell hatte sich nach dem Aufbruch ihres Mannes standhaft geweigert, Warchester Castle zu verlassen. Sie wollte auf die Rückkehr ihres Gatten warten, denn sie glaubte fest daran, dass er auch diese Schlacht überleben werde. Ein Tross mit allerlei Gegenständen, darunter auch Bildern, brach wenige Tage nach dem Abschied des Earls nach Schottland auf, sie aber blieb mit ihren Kindern im Schloss und wartete auf Nachricht von ihrem Mann. Die Tage zogen ins Land, schwere Gewitter entluden sich fast täglich, kühle Winde kamen vom Meer. Über uns schien eine schwarze Wolke zu lasten. Keine Nachrichten drangen zu uns, nur Gerüchte, die nichts Gutes besagten. Lady Annabell saß fast den ganzen Tag in der großen Halle, wo trotz der Jahreszeit ein Feuer im Kamin loderte. Mit jedem Tag wurde sie blasser und wirkte zerbrechlicher. Und dann erschien kurz vor Mitternacht jenes schrecklichen 18. August, einem Dienstag, ein Reiter vor dem Schloss, der mit heiserer Stimme Einlass begehrte. Er war über und über mit Schlamm bedeckt, sein Pferd zitterte vor Anstrengung, ihm selbst versagte die Stimme. Er fiel fast von seinem Pferd, das ein Stallbursche ihm abnahm und fortführte. Der junge Mann hieß Gregory McClough und diente einem Vetter unseres Earls, Sir Robert de Mauxvais, der Alberton Castle besaß, nur wenige Meilen von Warchester entfernt.

      Ich war durch die Schreie der Diener aus meinem unruhigen Schlaf gerissen worden. Sie führten den jungen Mann in die Halle. Dort brannte wie seit Tagen ein mächtiges Feuer im Kamin. Mit hastigen Schlucken leerte McClough einen Krug mit Wasser. Lady Annabell trat ihm entgegen. Was er ihr sagte, hörte ich nicht, da er nur heiser flüsterte. Aber an ihrem Gesichtsausdruck erkannte ich seine Botschaft. Mit großer Würde stand sie vor dem Feuer, drückte die Hand des jungen Mannes und nickte nur. Dann sank sie zu Boden.

      Mein Herr fiel an diesem 18. August 1648, am zweiten Tag der blutigen Scharmützel, durch eine Gewehrkugel, die seinen Brustpanzer durchdrang. Er stürzte vom Pferd und war, wie mir sein Diener Jack später mitteilte, sofort tot. Jack hatte im Zeltlager auf die Rückkehr des Earls gewartet. Als er vom Tod seines Herrn erfuhr, begab er sich in der Abenddämmerung auf das Schlachtfeld und fand dessen Leiche. Ganz in seiner Nähe lag Conrad. Jack barg die beiden Toten.

      Nach der Schlacht von Preston brach das Chaos aus. Der König geriet in Gefangenschaft, seine Anhänger flohen zum Teil in die amerikanischen Kolonien, nach Frankreich oder auch in die Niederlande. Am 23. August traf Jack mit dem Leichnam seines Herrn und dem toten Conrad in Warchester Castle ein. Man hatte ihn ziehen lassen. Nach der eher schmucklosen Beerdigung des Earls am 26. August, einem regnerischen Mittwoch, ließ Lady Annabell sich endlich überreden, mit ihren Kindern nach Schottland aufzubrechen. Am Morgen des 30. August verließ der Tross Warchester Castle, begleitet von der kleinen Schar treuer Diener, die sie noch bezahlen konnte. Dazu zählten ihre beiden Kammerzofen Bridget und Mary, außerdem Jack, Michael und Alistair, die schon lange in den Diensten des Earls stehen, der Leibkoch Clarence und zwei weitere Haushilfen. Michael kümmert sich um den Garten von Ivory Hall, und Jack betreut vor allem die Pferde.

      Ich blieb zurück, um letzte Angelegenheiten zu regeln. Die andere Hälfte der Dienerschaft war von Lady Annabell mit einer erklecklichen Summe Geldes entlassen worden. Kein böses Wort war zu hören, alle trauerten um den Earl und um seine Frau, die mit versteinerter Miene in ihre Kutsche stieg und ihre Heimat hinter sich ließ. Bridget, ihre irische Kammerzofe, mit der mich inzwischen mehr als nur unsere gemeinsame Herkunft von der Grünen Insel verband, berichtete mir später, dass Lady Annabell sich so lange beherrschte, wie ihre Kinder um sie waren. Als sie abends in einem Gasthof einkehrten und die Kinder schliefen, »da brach unsere gute Lady in Tränen aus«, erzählte mir Bridget, deren runde Wangen dabei vor Mitgefühl bebten.

      Lady Annabell erreichte Schottland unbeschadet und lebt nun auf dem kleinen Familiensitz Ivory Hall in der Nähe von Kinross. Da der Krieg vorüber ist, lässt man sie und ihre Kinder in Frieden.

      Nachdem Lady Annabell und die Diener das Schloss verlassen hatten, wirkte es öd und dunkel. Keine Gemälde mehr an den Wänden. Den Uccello hatte ich eigenhändig abgehängt und zusammen mit dem Biondo in meine Kammer gestellt. Ich sollte diese beiden Bilder selbst nach Ivory Hall bringen. Lady Annabell vertraute mir.

      In der Nacht nach der Abreise der Lady saß ich in meiner Kammer, schrieb an meiner Chronik, vermerkte einzelne Gemälde der Sammlung und die Titel einiger kostbarer Bände aus dem Spätmittelalter, deren sicheres Geleit ich wenige Tage später gewährleisten sollte. Neben meinem Bett standen nebeneinander, sorgsam eingehüllt in Decken, der Uccello und der Biondo, die seltsamerweise wie in einer Art Symbiose miteinander verflochten zu sein schienen. Dabei unterschieden sie sich in jeglicher Hinsicht, angefangen beim Thema bis hin zu ihrer künstlerischen Gestaltung. Dennoch waren sie irgendwie miteinander verbunden. Wahrscheinlich, weil sie einst gemeinsam in den Besitz der Familie gekommen waren.

      Ich wollte Warchester Castle in drei Tagen verlassen. Noch wusste ich nicht, was mit den Bildern geschehen sollte, die zurückbleiben würden. Einige der Bilder lagen im alten Eishaus, eine knappe halbe Meile vom Schloss entfernt. Wir hegten die vage Hoffnung, dass dieses mit wildem Wein überwucherte kleine Gebäude bei einer Plünderung des Schlosses nicht die Neugierde der Soldaten wecken würde. Mir behagte dieser Gedanke nicht, doch es erschien unmöglich, die gesamte Sammlung von Warchester Castle nach Schottland mitzunehmen. Vielleicht aber würden einst wieder Zeiten anbrechen, die es mir ermöglichten, die Schätze aus dem Eishaus zu bergen. Eine ferne Zukunftsvision, wie mir durchaus bewusst war.

      Als ich im flackernden Kerzenlicht an meinem Schreibtisch saß und versuchte, die letzten Listen der im Eishaus verborgenen Kunstwerke und Bücher niederzuschreiben, glaubte ich ein Knacken zu hören. Es kam nicht aus dem Kamin in meiner Kammer, in dem ein kleines Feuer brannte, um die abendliche Kühle dieses Spätsommers zu vertreiben. Ich lauschte. Der Wind strich um die mächtigen Mauern von Warchester Castle, am Himmel tauchte der Mond immer wieder hinter dicken Wolken hervor und warf einen matten Schein ins Dunkel. Es blieb bei dem einen Geräusch. Doch sobald ich mich wieder auf das Schreiben konzentrierte, knackte es erneut. Es kam aus dem Gang vor meiner Kammer. Sollten das Mäuse sein? In den vergangenen Tagen hatte ich etliche von ihnen durch die Gänge huschen sehen. Sie schienen zu spüren, dass die Menschen das Gebäude verließen. Und die drei Katzen der Köchin begleiteten ihre Herrin nach Schottland.

      Aber das Knacken klang zu gleichmäßig für die kleinen Nager und verstärkte sich zu einem Schlurfen und Rascheln. Leise erhob ich mich von meinem Stuhl. Da stand jemand vor meiner


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