Hart's Bay: Wo unser Herz sich entscheidet. E. P. Davies
muss.«
»Pisser«, grollte Ezra. Die Augen des Rothaarigen glitzerten gefährlich. Er knallte die Butter in den Kühlschrank. »Und dich in der Öffentlichkeit abzuservieren! Ich werde mich deswegen nie weniger aufregen. Du verdienst etwas Besseres, Schatz.«
Jesse nahm seufzend die Saftflaschen entgegen, die die Jungs ihm reichten. »Ich weiß.« Es war schlimm gewesen, sich bewusst zu machen, dass Dominic nicht nur untreu war, sondern auch einen weit höheren Sextrieb besaß, als er vorgegeben hatte. Er hatte ihn nur woanders befriedigt.
Es war ein Albtraum von einer öffentlichen Trennung gewesen. Hinterher, als ihnen die Rechnung gebracht wurde, hatte der arme Kellner des Steakhouse gar nicht gewusst, wo er hinschauen sollte. Jesse hatte Dominic zahlen lassen.
»Schon gut.« Er schloss die Tür und trat beiseite, als Beau mit dem Eis auf ihn zukam. »Damit bin ich nur offen für neue Gelegenheiten.«
»Offen für neue Gelegenheiten«, giggelte Aaron. »So wie mein Arsch steht dem Schwanz des heißen Nachbarn offen.«
Die Jungs brachen in Gelächter aus und stöhnten auf, was wenigstens etwas Zeit fraß.
»Tja, dann hättet ihr mich gestern Nacht in die Bar begleiten sollen«, sagte Jesse grinsend zu ihnen. »Vielleicht hättet ihr da ja was Süßes für eine Nacht gefunden.«
»Hier?« Beau klang, als hätte er Zweifel.
Ross schnalzte mit der Zunge, als er die Schnalle eines seiner schwarzen Handschuhe richtete. Sein Quasi-Emo-Style passte nicht zu ihrer entspannten Gruppe. Wie es seiner zynischen Natur entsprach, lautete sein erster Kommentar: »Als gäbe es in dieser Stadt mehr als einen heißen Kerl. Ich glaube, wir haben ihn bereits gefunden.«
»Und jemanden, der ihn nicht teilen will«, warf Aaron mit einem gerissenen Lächeln in Jesses Richtung ein.
Jesse streckte ihm die Zunge raus. »Er hat mich abgecheckt.« Gott, warum war er so besitzergreifend? Er griff nach der erstbesten Erklärung: Es wäre einfach merkwürdig, wenn einer seiner Freunde ebenfalls mit Finn schlafen würde. Das war alles. Er ersparte ihnen nur einen peinlichen Moment. Und er wollte nicht, dass sie Finn für ein Trostpflaster hielten. Eine Menge guter Gründe, nicht über ihr Aufeinandertreffen zu reden.
»Und du hast geguckt, als hätten wir dich mit der Hand in der Keksdose erwischt.« Aaron kniff vier Finger zusammen und rollte den Daumen ein. »Oder im…«
»Aaron!« Jesse stieß seinem Freund den Ellbogen in die Seite, bevor er den Witz beenden konnte. »Mann!«
Aaron grinste ihm ohne jede Reue zu, riss einen Stuhl unter dem Esstisch hervor und drehte ihn um, damit er sich rücklings auf ihn setzen konnte. »Ich sag's ja nur. Einfach ein bisschen Stress loswerden.«
»Oder uns gegenüber unseren neuen Nachbarn nicht komplett eigenartig verhalten.« Das kam von Beau, der ihrer Unterhaltung etwas Sinn hinzufügte.
Jesse nickte. Sie konnten es nicht ändern, dass sie Nachbarn waren. Sich nur vertragen und so tun, als ob nichts vorgefallen sei. »Richtig. Ich werde mich mit ihm unterhalten, wenn ich ihn das nächste Mal sehe. Nur… verhaltet euch normal. Aber zuerst sollten wir reden, solange wir alle zusammen sind.«
»Oh, das klingt ernst.« Ezra schloss den Kühlschrank, dann stopfte er ihren Tüten zusammen in eine und hängte sie an den Türknauf. »Was ist los? Ist es was so Ernstes, dass es nach Wein verlangt?«
»Vermutlich.«
Er schenkte jedem von ihnen ein Glas ein und sie setzten sich um den Tisch.
Jesse nahm einen langen Schluck und seufzte zufrieden, als die Süße über seine Zunge rollte.
»Okay«, sagte er, froh, das Thema wechseln zu können. »Ich habe heute also zum ersten Mal versucht, dort zu arbeiten.« Er deutete auf die große, überwiegend leere Küche.
Sie hatten sich vorgestellt, sie gemeinsam als Arbeitsplatz zu nutzen, während sie an der Kunst für ihre Kooperative arbeiteten. Bevor sie ein Ladengeschäft anmieten und zum Laufen bringen konnten. Aber die Töpferei verlangte nach viel Platz. Nur mit seinen Gerätschaften und trocknenden Töpfen, erklärte er ihnen, hatte sich der Raum bereits zu klein angefühlt.
»Es wird nicht funktionieren«, beendete Jesse seine Ausführung. »Wann wollt ihr auspacken und euch einrichten?«
»Oh, Scheiße.« Beau stützte das Kinn auf die Faust. »Wie wäre es, wenn wir was anmieten? Man bekommt hier die Immobilien fast hinterhergeschmissen.«
Jesse nickte. »Daran habe ich auch gedacht. Wie wäre es mit einem Haus, das schon eine richtige Ladenfront hat? In der Innenstadt?«
»Vermutlich genauso günstig wie überall sonst«, stimmte Beau zu. »Ezra braucht Platz, damit seine Leinwände trocknen können. Wenigstens nimmt mein Schmuck nicht so viel Raum ein. Ich brauche nur gute Lichtverhältnisse.«
»Wenn wir darüber reden, wer am wenigsten Arbeitsfläche braucht, gewinne ich«, merkte Ross an. Seine Fotografien brachten rasches Geld ein. Da er nicht selbst entwickelte, wie es die Fotografen alter Schule taten, brauchte er beinahe gar keinen Platz. Aber er könnte mehr Geld verdienen, wenn er Einzel- und Familienporträts in einem richtigen Studio aufnehmen könnte.
»Nein, ich«, unterbrach Aaron. Er arbeitete derzeit in einer Kaffeebar ein Stück die Küste herunter, an einem Hotspot für Surfer. Er war ein verflixt guter Barista und sie waren übereingekommen, dass es weiser war, wenn wenigstens einer von ihnen einen traditionelleren Job hatte, bis ihre Verkaufszahlen zulegten.
»Okay, wir sehen uns morgen nach etwas Passendem um«, entschied Jesse. »Jetzt lasst uns in die Bar gehen. Es könnten heiße Typen da sein.« Wieder. Er würde es nicht zugeben, aber er hoffte irgendwie, Finn zu begegnen. Sie hatten eine Menge zu klären und wenn er einfach nach nebenan ginge, um mit ihrem Nachbarn zu reden, wüssten all seine Mitbewohner, dass etwas los war.
»Heiße Männer für alle!« Aaron sprang auf die Beine. »Ich bin wortwörtlich jederzeit bereit.«
***
Sie hatten Glück. Das Cher's End Table hatte offen. Und Pech, denn heiße Männer gab es nicht.
Positiv war, dass den Einheimischen auffiel, dass Jesse zum zweiten Mal vorbeikam. Die Barkeeperin begrüßte ihn dieses Mal mit einem breiteren Lächeln. »So bald zurück?«
»Es ist zu nett hier, um wegzubleiben«, antwortete Jesse sofort und zwinkerte. Die Billardtische in der Ecke und die verrostete Jukebox waren mehr oder weniger das Aufregendste an der Bar, aber das reichte. Sie lachte und ging zum Kühlschrank. »Wieder ein Cocktail?«
»Bring mir deinen besten. Und dasselbe für meine Freunde hier, bitte.«
Ein Mojito schien das Kreativste zu sein, was sie zustande brachte, aber Jesse beklagte sich nicht. Er lehnte sich an den Tresen und sah sich um.
»Schau mal, wer sich schon auskennt.« Ross neigte sich nach vorn, um flüstern zu können. Ezra nickte zustimmend.
»Bevor wir es uns versehen, wird er den Postboten mit dem Vornamen ansprechen.« Beau grinste. »Besorg mir seine Nummer.«
»Ich sag's euch immer wieder: Leute mit festen Anstellungen sind langweilig. Keine Spontanurlaube«, sagte Aaron kopfschüttelnd. »Sucht euch was Nettes, das mit Medien oder Grafikdesign arbeitet oder so was.«
»Du bist der Einzige von uns, der gern Spontanurlaube macht«, sagte Jesse lachend. Aaron schien ein Faible dafür zu haben, auf Grindr fremde Männer anzulocken, die gern etwas Hübsches am Arm haben wollten.
»Bitte sehr. Fünf Mojitos.«
»Danke …?«
»Cher«, antwortete die Frau hinter dem Tresen grinsend. »Wie der Superstar.«
»Schön, dich kennenzulernen, Cher. Ich glaube, wir werden alle gute Freunde«, sagte Beau. »Besonders, wenn du uns die heißen Kerle überlässt.«
Cher