Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
blickte ihr gedankenverloren nach. »Sie ist sehr lieb, nicht wahr, Schwester Klara? Flori ist auch ein lieber Junge, und er kann schon sehr schön Klavier spielen, besser als ich.«
Daniela ging neben Jenny hier. »Ich würde mich gern um das Kind kümmern«, sagte sie leise.
»Dr. Thomsen würde das sicher gern annehmen«, erwiderte Jenny. »Und Sie wären dann auch ein wenig abgelenkt.«
»Wie lange wird Dr. Thomsen in der Klinik bleiben müssen?«
»Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Manchmal treten Komplikationeu auf. Aber ich denke, daß es nicht länger als zehn Tage dauern wird, und da kann Florian dann auch schon ans Heimgehen denken.«
So sicher war sie da zwar nicht, aber sie wollte nicht, daß Daniela sich noch mehr aufregte.
Flori kam Daniela so winzig vor wie ein Baby. Sein kleines Gesicht war so blutleer, daß es sich kaum vom Kissen abhob, und dann die Schläuche, die sie erschreckten! Unwillkürlich wich sie zurück.
»Nicht aufregen, Frau Alberti, in ein paar Stunden ist er davon befreit«, sagte Jenny beruhigend. »Wir mußten doch alles tun, um das Fieber zu senken.«
Florians Hände fühlten sich noch immer heiß an. Zitternd hielt Daniela sie umschlossen.
»Mein Liebling, mein alles«, flüsterte sie.
»Mamichen«, flüsterte das Kind, ohne die Augen zu öffnen, aber dieser bebende Laut war Musik in Danielas Ohren.
»Es wird ja alles gut, Flori«, flüsterte sie.
»Will zu Omi«, murmelte er.
»Ja, wir fahren dann zu Omi und bleiben bei ihr.«
»Gut«, war alles, was er noch über die Lippen brachte.
»Wir können sehr zufrieden sein, Frau Alberti«, sagte Jenny. »Er ist ein zartes Kind.«
»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll«, sagte Daniela mit erstickter Stimme und Tränen in den Augen.
Und dann mußte sie doch wieder an den Unfall denken und an Rolfs Wagen.
»Ich werde jetzt schnell nach Hause fahren«, erklärte sie. »Meine Mutter wird kommen. Sie soll hier auf mich warten.«
Daniela fuhr heim. Plötzlich graute es ihr, das Haus zu betreten, das doch eigentlich ihr gehörte. Rolf hatte immer genörgelt, daß es nicht repräsentativ sei, aber er hatte nichts getan, um sich eines einzurichten, das seinen Vorstellungen entsprochen hätte.
Das Haus hatten Danielas Eltern gebaut, als sie geheiratet hatten. In der kargen Nachkriegszeit hatte man nicht aufwendig bauen können und auch kein Geld dazu gehabt. Als der Vater dann versetzt wurde, hatten sie es Daniela überlassen.
Warum dulde ich ihn eigentlich noch hier, fragte sie sich jetzt, als sie ausstieg.
Die Garagentür war noch immer verschlossen, aber sie atmete zu früh auf.
Rolf stand in der Wohnzimmertür, als sie eintrat. Er sah schrecklich aus, kreidebleich mit tief umschatteten Augen, das Gesicht merkwürdig verzerrt.
»Hast du meinen Wagen genommen?« fragte er.
»Deinen Wagen? Wie komme ich dazu? Ich habe meinen eigenen.«
»Dann ist er gestohlen worden.«
Sie starrte ihn fassungslos an. »Die Garage ist doch verschlossen!« stieß sie hervor, und sie fragte sich, was er sich jetzt wohl ausgedacht hätte, denn nun war sie felsenfest überzeugt, daß er den Unfall verursacht hatte.
»Ich habe gestern abend zugemacht, als ich wegfuhr, weil verschiedentlich Werkzeug gestohlen wurde«,
»Aber sie war offen, als ich aus der Klinik kam, und heute morgen war sie zu«, sagte Daniela.
»Aber der Wagen ist weg.«
Ihre Augen verengten sich. »Hast du die Polizei angerufen?« fragte sie.
»Wieso denn? Ich dachte doch, daß du ihn genommen hättest.«
»Du weißt genau, daß ich das nicht tue«, erklärte sie.
»Wer weiß, was du mir für einen Streich spielen wolltest, in deiner maßlosen Eifersucht«, zischte er.
Er will es mir anhängen, ging es ihr durch den Sinn. Er hat sich das ausgedacht.
»Wenn du die Polizei nicht anrufst, tue ich es«, sagte sie mit erzwungener Ruhe. »Ich habe deinen Wagen nicht genommen.«
Sie merkte, wie unsicher er war. Überhaupt war er sehr verändert, nicht nur nervös und übernächtigt. Er sah aus wie ein schwerkranker Mann, und er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Sie sah auch, wie er sich krümmte.
Nicht die leiseste Regung von Mitgefühl war in ihr. Sie griff zum Telefon.
»Laß das jetzt. Warum bist du eigentlich nicht bei Florian?« fragte er stotternd.
»Ich wollte einige Sachen für ihn holen«, redete sie sich heraus. »Ich fahre gleich wieder in die Klinik.«
»Tu das. Ich rufe die Polizei dann selber an.«
»Ich kann mir schlecht vorstellen, daß jemand innerhalb dieser kurzen Zeit den Wagen gestohlen haben soll. Es war doch schon hell, als ich wegfuhr, und du hast geschlafen.«
»Na ja, wenn man erst um fünf Uhr heimkommt«, sagte er.
»Es war sechs Uhr«, sagte Daniela.
»Du irrst dich, es war fünf Uhr«, behauptete er.
Eine innere Stimme warnte sie, zu sagen, was sie über den Unfall wußte. Und obgleich sie so voller Zorn und Verachtung war, schwieg sie.
Sie drehte sich um und ging in Florians Zimmer. »Mach mir wenigstens einen Tee«, sagte er.
»Mach ihn dir selbst«, erwiderte sie.
»Mein Gott, laß uns doch mal miteinander reden, Daniela. So kann es doch nicht weitergehen.«
»Nein, so wird es nicht weitergehen. Ich werde die Scheidung einreichen«, sagte sie.
»Deine hirnverbrannte Eifersucht«, sagte er wütend.
»Ich bin überhaupt nicht eifersüchtig. Mir ist es völlig gleichgültig, was du tust, mit wem du die Nächte verbringst. Ich habe dieses Leben satt. Und ich darf dich daran erinnern, daß das Haus mir gehört. Ich bin nicht gewillt, es weiterhin zu dulden, daß du hier nur deinen Rausch ausschläfst.«
Es sah aus, als wolle er sich auf sie stürzen, aber er schwankte und stolperte und brach stöhnend zusammen.
Sie kümmerte sich nicht darum, sondern packte Sachen für Florian zusammen.
»So hilf mir doch«, stöhnte er, »es geht mir schlecht.«
»Ruf doch Marisa an, daß sie sich um dich kümmert. Ich muß mich um Florian kümmern«, erwiderte Daniela.
Er versuchte sich aufzurichten, aber er brach wieder zusammen, und diesmal stand blutiger Schaum vor seinem Mund. Zu ihrem Ekel vor ihm mischte sich jetzt Entsetzen.
»Hilfe«, röchelte er, »einen Arzt!«
Daniela griff wieder zum Telefon und wählte Dr. Nordens Nummer.
Loni meldete sich. Daniela sagte ihren Namen. »Diesmal ist es mein Mann«, murmelte sie tonlos. »Es ist wohl ein Notfall.«
Dr. Norden war schnell da, und wieder mußte er den Sanitätswagen bestellen.
»Bitte, nicht auch in die Behnisch-Klinik«, flüsterte Daniela.
»Es besteht höchste Lebensgefahr, Frau Alberti. Es ist die nahegelegendste Klinik.«
»Wieso Lebensgefahr? Er war maßlos betrunken«, sagte sie.
»Er hat innere Verletzungen«, sagte Dr. Norden ruhig.
»Der