Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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      »Dafür gibt es verschiedene Gründe. Wir werden noch darüber sprechen. Jetzt erzähle mir erst, seit wann Holger krank ist.«

      Sie zuckte die Schultern und erzählte ihm, was sie von den Ärzten erfahren hatte.

      »Er hat nie über irgendwelche Beschwerden geklagt«, sagte sie. »Er hat mehr denn je gearbeitet. Diese Krankheit kann schleichend verlaufen, je älter der Patient ist. Und was seine Wesensveränderung betrifft, schwierig war er immer.«

      »Du sagst es. Für meinen großen Bruder war ich immer der kleine Depp. So sagt man doch in Bayern. Meistens spielt ja das jüngste Kind innerhalb der Familie die Hauptrolle, aber bei uns war es anders. Holger war der Star in der Schule und auch zu Hause. Ich sage es ohne Bitterkeit, Georgia. Ich habe ihn auch bewundert, aber ich wollte nie so werden wie er. Also konnte ich ziemlich unbeachtet und unbeschwert heranwachsen. Als die Eltern dann nicht mehr da waren, begann mein Zigeunerleben. Ich hatte ja niemanden, an den ich mich halten konnte. Ich hatte immer nur den einen Wunsch, es Holger zu zeigen, daß auch der kleine Depp es zu etwas bringen könnte, und das ist mir schließlich nach harten Jahren auch gelungen.«

      Er sprach nicht über all das, was er erreicht hatte. Er sagte nur mit einem flüchtigen Lächeln, daß er ein gutes Auskommen hätte.

      Georgia blickte auf ihre ineinander verschlungenen Hände. »Was hat Holger mit dir gesprochen? Wie war er?« fragte sie.

      »Wie immer. Aber ich habe ihm den Wind aus den Segeln genommen. Jetzt kann er nicht mehr so mit mir umspringen wie früher. Selbst dem Kranken gestatte ich das nicht«, sagte er ruhig. »Er hat jetzt noch Zeit, über sich nachzudenken, und auch über sein Leben mit euch. Er hat ein Leben lang nur an sich gedacht.«

      »Er ist krank, Jürgen. Er wird sterben.«

      »Aber ihr werdet leben«, sagte er ruhig, »das allein zählt für mich. Er hat gemeint, über Leben und Tod bestimmen zu können. Ich meine, er soll sich bewußt werden, was es bedeutet, mit Stoffen zu arbeiten, die Leben vernichten, und mit fantastischer Besessenheit einen genialen Geist dafür einzusetzen, die furchtbaren Waffen zu produzieren, die jedwedes Leben in dieser Welt vernichten können. Allein die Angst davor bringt doch schon viele Menschen um, und diese Angst erzeugt Aggressionen, die auch Gefahr für den Frieden bedeuten.«

      »Du bist ja fast ein Philosoph«, sagte Georgia sinnend.

      »Hast du denn noch nie darüber nachgedacht?« fragte er.

      »Ich habe ja nie erfahren, woran er arbeitet. Nachgedacht habe ich schon und gefragt habe ich ihn auch. Aber er hat immer gesagt, daß ich davon nichts verstehe. Das Denken müsse man Klügeren überlassen. Du hast doch erlebt, wie er mich behandelte.«

      »Und du hast dich nie gewehrt?«

      »Wohin hätte das geführt?«

      »In die Freiheit. Vielleicht zu mir, Georgia«, sagte er.

      »Zu dir?«

      »Du hättest mich zum glücklichsten Mann gemacht«, sagte er weich.

      Sie schloß die Augen. »Daran habe ich nie gedacht, Jürgen.«

      »Könntest du dich langsam daran gewöhnen, jetzt daran zu denken? Ich liebe dich.«

      Seine gebräunte Hand legte sich auf ihre und sie entzog sie ihm nicht. Ein betäubendes Glücksgefühl erfüllte sie plötzlich. Längst verdrängte Gefühle erwachten in ihr.

      »Ich meine es ernst, Georgia, sehr ernst. Ich bin kein Hasardeur. Und rede jetzt bitte nicht von anderen Frauen. Für mich gab es immer nur dich, und ich dachte, du hättest es begriffen damals, als die beiden kleinen weißen Wolken sich berührten, als ich dich einmal küssen durfte.«

      Sie sagte nichts mehr. Sie war ganz in sich versunken, als sie gingen und er seinen Arm um sie legte, lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter. Seine Lippen streiften ihre Stirn.

      »Wenn ich mit Menschen und mit Engelzungen reden würde und hätte der Liebe nicht, so wäre ich tönend Erz oder eine klingende Schelle«, sagte Jürgen leise.

      Georgia blickte zu ihm auf. »Du bist ja sogar bibelfest«, sagte sie staunend.

      »Ich war sehr einsam, Georgia. Ich mußte meinen Weg suchen und es war ein steiniger Weg. Da findet man auch zu Gott, wenn er in Augenblicken der Verzweiflung Hilfe schickt. Und ich war verzweifelt, wenn ich daran dachte, welches Leben du mit einem Mann führst, der der Liebe nicht fähig ist, der nur nach Macht und Anerkennung strebt.«

      »Jetzt ist er hilflos«, sagte sie leise.

      »Zum Schluß sagte er etwas Gutes, Georgia. Er fragte mich, ob ich dich nie im Stich lassen würde. Und als ich ihm sagte, daß dies nie geschieht, hörte ich von ihm die Worte: Das ist gut. Ich danke dir. Zum ersten Mal sagte mein Bruder: Ich danke dir. Und ich meine, daß er doch zu der Erkenntnis gekommen ist, wieviel er dir schuldig blieb.«

      *

      Nadine hatte Jonas von Jürgen vorgeschwärmt und ein bißchen hatte es sie gekränkt, daß er dafür nur ein Lächeln hatte. Manchmal schien er ihr wie eine uneinnehmbare Festung. Daß Charlotte Vestris ihrem Sohn manchmal einen mahnenden Blick zuwarf, entging ihr. Sie hatte eine tiefe Zuneigung zu dieser gütigen, abgeklärten Frau gefaßt, und wenn Nadine das Bildnis von Biggi betrachtete, wurde ihr bewußt, wovor Jonas sie bewahrt hatte.

      Wäre sie nicht vielleicht auch an der Scham zerbrochen, so hintergangen worden zu sein?

      Als Jonas sie heimbrachte, sprach sie diese Gedanken aus.

      »Sprich nicht mehr davon, Nadine«, sagte er rauh. »Denk nicht mehr daran. Dieses Kapitel ist beendet.«

      Große Tränen rollten plötzlich über ihre Wangen. »Aber du vergißt es nicht«, flüsterte sie. »Für dich bin ich das törichte Mädchen, das Francesco auf den Leim gekrochen ist.«

      Er lachte leise. »Du bist nicht kleben geblieben, das ist wichtig.«

      »Warum sagst du nicht mal, daß ich eine blöde Gans bin. Du bist so nachsichtig. Der große Freund paßt auf, daß das dumme Mädchen nicht noch mehr Dummheiten macht.«

      »Genauso ist es. Aber wie kann ich das Mädchen, das ich gerne heiraten möchte, eine blöde Gans schelten?«

      So ganz nebenbei sagte er es. Aber nun weinte sie erst recht. Jonas hielt an. Es war zum Glück schon eine stille Straße.

      Behutsam nahm er sie in die Arme. »Tränen spülen viel weg, Nadine. Weine dich aus. Vielleicht wirst du noch oft weinen, denn leicht wirst du es nicht mit mir haben. Ich habe nämlich ganz bestimmte Vorstellungen von einer Ehe. Ganz andere, als dein Vater hatte. Ich möchte einen Partner haben, kein Hausmütterchen, das nur mal für die Kinder da ist und das Essen immer prompt auf den Tisch stellt, wenn der Ehemann auch übelgelaunt nach Hause kommt.«

      »Du bist nie schlecht gelaunt«, sagte sie.

      »Hast du eine Ahnung! Aber ich lasse dir Zeit, das zu erfahren. Ich hoffe, daß ein Jahr reicht.«

      »Wenn Jessica vorher heiratet, werde ich eine alte Jungfer«, sagte sie.

      »Wie kommst du denn darauf?« fragte er.

      »Weil das so ist. Wenn die jüngere Schwester vorher heiratet, bleibt die ältere sitzen. Das ist eine alte Weisheit.«

      »Du bist manchmal wirklich ein Dummchen«, sagte er. »lch schwöre dir, daß du keine alte Jungfer bleibst.« Und dann küßte er sie stürmisch.

      Eine weitere Überraschung erlebte Nadine, als sie heimkam. Aber auch Markus und Jessica konnten diese mit ihr teilen. Markus war schon aus Heidelberg zurück. Wenig später kamen Jürgen und Georgia.

      Zuerst reichte Jürgen Markus die Hand, was Nadine einen Stich versetzte. Aber dann klopfte er Jonas auf die Schulter. »Wir haben uns schon kennengelernt, Jonas. Ich muß sagen, daß du gute Arbeit geleistet hast.«

      Sprachloses Staunen herrschte sekundenlang. »Aus diesen beiden Männern sollte man klug werden«,


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