Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
mit verklärtem Blick ansah.
»Sagtest du damals nicht, du könntest nicht kochen?« fragte Jürgen neckend.
»Man lernt viel in zwanzig Jahren«, erwiderte Georgia leise.
»Wie recht du hast«, sagte er.
Und er, was hat er gelernt? fragte sich Georgia. Sie blickte unwillkürlich auf seine Hände, die verrieten, daß sie hart zupacken konnten, aber sehr gepflegt waren. Und auch sonst machte er durchaus nicht den Eindruck eines Gestrandeten, der schnell die Gelegenheit nützen wollte, bei den Verwandten Unterschlupf zu finden. Selbst die sportliche Kleidung verriet erste und teuerste Qualität.
Nadine himmelte ihn buchstäblich an, und schon fürchtete Georgia, daß ihre erwachende Zuneigung für Jonas durch eine weit tiefere abgelöst werden könnte, aber dann tröstete sie sich mit dem Gedanken, daß Jürgen ja tatsächlich ihr Vater sein könnte und daß Nadine sich ihren Vater wohl so gewünscht hätte.
Noch wurde Holger mit keinem Wort erwähnt. Noch wagte Georgia nicht die Frage, was Jürgen während der vergangenen Jahre getan hatte.
»Wie lange kannst du bleiben, Jürgen?« fragte Nadine.
»Solange ihr mich ertragen könnt«, erwiderte er. »Ich muß mir nur eine nette Bleibe suchen.«
»Du wohnst doch natürlich bei uns«, sagte Nadine.
Er sah Georgia an. »Das ist doch selbstverständlich, Jürgen«, sagte sie rasch. »Wir haben genug Platz. Wenn du sonst keine Verpflichtungen hast?«
»Die können jetzt warten«, sagte er. »Wann kann ich Holger besuchen?«
»Ich muß heute nachmittag sowieso in die Klinik«, sagte Georgia.
»Ich bin bei Frau Vestris eingeladen. Jonas wollte mich abholen«, sagte Nadine.
Georgia hatte den Eindruck, als zucke Jürgen leicht zusammen. »Ich könnte ja mitkommen«, sagte Jessica. »Markus ist nach Heidelberg gefahren. Aber eigentlich müßte ich den Aufsatz schreiben.«
»Sie sind beide schon vergeben?« fragte Jürgen nachdenklich.
»Nadine ist zwanzig und Jessica achtzehn«, erwiderte Georgia.
»Wo sind die Jahre nur geblieben«, seufzte er. »Nun, ich glaube, die Jugend wird es verstehen, daß wir uns manches zu sagen haben, Georgia.«
»Ja, sicher, wir verstehen das«, sagte Nadine, und wieder traf Jürgen ein schwärmerischer Blick.
Sie sind sich tatsächlich ähnlich, ging es Georgia durch den Sinn, schon rein äußerlich.
»Wir müßten dann bald fahren, Jürgen«, sagte sie rasch. »Zwischen drei und vier Uhr hat Holger meist eine gute Zeit.«
»Soweit man das gut nennen kann«, warf Nadine ein. »Er hadert mit Gott und der Welt.«
»Mit Gott war er doch nie einig«, sagte Jürgen. »Erst die Materie, dann der Mensch. Nun, das ist wohl so bei Wissenschaftlern, die sich nur mit der Materie befassen, mit ihr leben.«
»Und mit ihr sterben«, sagte Georgia tonlos.
Sehr ernst war Jürgens Gesicht geworden. »Ja, dann fahren wir gleich«, sagte er. »Hoffentlich werde ich nicht wieder so naß. Ich muß mir erst noch einige Klamotten besorgen. Ich reise immer mit leichtem Gepäck, und diesmal war ich auf Florida eingestellt. Wenn es nicht so schnell gegangen wäre, hatte ich mich noch in den Staaten für Europa eingekleidet. Aber ich kann ja hier mit meinen hübschen Nichten mal einen ausgiebigen Einkaufsbummel machen.«
»München ist sehr teuer, Jürgen«, sagte Georgia mit einem warnenden Unterton.
Einen Augenblick schien er verblüfft, dann lächelte er. »Man wird es sehen und sich daran gewöhnen.«
»Ich ziehe mich schnell um«, sagte Georgia.
Er blickte ihr nach. Dann wandte er sich den Mädchen zu und lachte leise. »Wir machen mal einen richtigen Bummel«, sagte er. »Einverstanden? Ihr habt ja noch nie etwas von mir bekommen.«
»Das braucht’s auch nicht«, sagte Jessica.
»Wir freuen uns, daß du da bist«, sagte Nadine. »Da weht gleich eine andere Luft in diesen traurigen Hallen.«
»Na, so traurig schaut es hier aber nicht aus«, meinte er.
»Vielleicht lernt Mami jetzt das Lachen wieder«, sagte Jessica leise.
»Das will ich sehr hoffen, wenn es augenblicklich auch nicht so schnell gehen wird«, meinte Jürgen. »Und eure Freunde werde ich genau unter die Lupe nehmen, damit ihr gleich Bescheid wißt. Solche Schmuckstücke darf man nicht aus den Augen lassen. Ein hinreißender Gedanke, eingeräumt durch Münchens Straßen bummeln zu können von so viel strahlender Jugend und Schönheit.«
Er lächelte, doch das Lächeln erreichte seine Augen nicht, und eine kleine Flamme glomm erst in ihnen wieder auf, als Georgia in einem schlichten und doch schicken Lederkostüm erschien.
Er verschwand auch schnell noch mal und kam mit einer Lederjacke zurück.
»Es regnet nicht mehr«, sagte Jessica mit nachdenklichem Ausdruck. »Die Wolken verziehen sich.«
Diese Worte riefen eine Erinnerung in Georgia wach, die ihr fast den Atem raubte. »Ich hole den Wagen aus der Garage«, sagte sie rasch. »Willst du fahren, Jürgen?«
»Wer weiß, wo wir dann landen würden«, meinte der doppelsinnig. »Ich vertraue mich dir ganz an.«
Er setzte sich neben sie. »Anschnallen«, sagte sie kurz.
»Du bist aber streng!«
»Ich bin verantwortlich und muß für meine Töchter sorgen«, erwiderte sie.
»Das werden dir wohl bald ein paar junge Männer abnehmen, die hoffentlich sehr anständig sein werden, Georgia. Und wer sorgt dann für dich?«
»Das kann ich selbst. Ich bin nicht das Dummchen, zu dem ich gestempelt wurde.«
»Das klingt bitter.«
»Soll ich dir etwas vormachen? Du kannst ja hören, wie Holger mit mir und über mich redet. Ich will dich nur vorbereiten. Hausfrau und Mutter oder umgekehrt, mehr war ich nicht wert.«
»Ich kann es mir schlecht vorstellen. Du hast ja auch nie darüber geschrieben. Vorhin sprach Jessica davon, daß die Wolken sich verzogen haben, Georgia.«
»Und jetzt kommt sogar die Sonne«, sagte sie. »Die Luft ist rein, und es ist kein Föhn. Das ist gut für die Patienten.«
»Und du hältst durch bis zum bitteren Ende«, sagte er leise.
»Nach diesen endlos langen Jahren nur noch eine kurze Zeit«, sagte sie tonlos. »Sprechen wir jetzt nicht davon.«
»Verzeih, aber ich mache mir Vorwürfe.«
»Warum?«
»Weil ich nie da war.«
»Was hätte es genützt? Ihr seid so verschieden.«
»Nadine ist mir ähnlich«, sagte er.
»Sie hat mir auch genügend Sorgen bereitet.«
»Ich wäre glücklich, wenn sie meine Tochter wäre.«
»Holger war stets erzürnt, weil sie mehr deine leichte Art hat. Aber jetzt hat sie einen gewaltigen Ducker bekommen. Davon reden wir ein andermal.«
Sie waren bei der Klinik angelangt, und wieder lief ihnen Dr. Hartung in den Weg, als hätte er nur auf Georgia gewartet. Das entsprach sogar der Wahrheit.
Aber vor Jürgen schien er zu erschrecken.
»Mein Schwager«, stellte Georgia vor.
Dr. Hartungs Gesicht entspannte sich. »Ich würde gern mit Ihnen sprechen, gnädige Frau«, sagte er. »Über das EEG, das wir heute gemacht haben.«
Was