Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
herbei. »Wollen Sie mitfahren, Frau Alberti?« fragte er.
Sie nickte und wischte schnell die Tränen fort, die über ihre Wangen rollten.
»Ich fahre voraus. Flori wird in die Behnisch-Klinik gebracht und dort auch operiert. Sie dürfen sich jetzt nicht so aufregen.«
»Sie wissen ja nicht, wie es bei uns zugeht«, murmelte sie tonlos. Aber da kam schon der Krankenwagen. Florian wurde auf die Trage gebettet. Daniela bot ein Bild, das den Arzt erschütterte. »Wenn ich Sie nicht hätte«, flüsterte sie, dann stieg sie in den Krankenwagen.
Er fuhr voraus. Die Klinik war durch Sprechfunk verständigt worden. Dr. Dieter Behnisch und seine Frau Jenny waren zur Stelle. Ein Notruf ihres Freundes Daniel machte sie hellwach. Und es ging um das Leben eines Kindes, das an einem hauchdünnen Faden hing.
Florian Alberti war ein zartes Kind, das Dr. Norden schon manche Sorgen bereitet hatte. Aber glücklicherweise konnte er über die Blutgruppe genaue Angaben machen, über die Unverträglichkeit mancher Medikamente, und er übernahm auch die Anästhesie, damit Dieter und Jenny Behnisch zu dieser nächtlichen Stunde sofort mit der Operation beginnen konnten, denn trotz des Fiebers mußten sie das Risiko eingehen. Nur allein diese Schnelligkeit konnte Florians Leben retten, denn der Blinddarm war kurz vor dem Durchbruch.
Mit der gerade noch geglückten Operation war jedoch die Gefahr für das Kind noch nicht gebannt. Jetzt kam es darauf an, wie der Kreislauf die Belastung bewältigte.
Daniela Alberti lehnte an der kalten Wand, aber sie spürte die Kälte nicht mehr. Das Blut hämmerte in ihren Schläfen. Mein Kind muß leben, dachte sie nur unentwegt, und kein anderer Gedanke hatte Platz in ihrem schmerzenden Kopf.
Dann trat Dr. Norden aus der Tür, auf die sie ihren Blick gerichtet hatte. Bleich und abgespannt sah er aus. Daniela taumelte auf ihn zu.
»Sie dürfen hoffen, Frau Alberti«, sagte er leise. »Die Operation ist geglückt. Warum haben Sie mich diesmal nicht früher gerufen?«
»Florian hat doch nichts gesagt«, schluchzte sie auf. »Morgen wollten wir zu meiner Mutter fahren, darauf hat er sich so gefreut. Er wollte wohl nicht, daß etwas dazwischenkommt. Und außerdem ist er sehr früh in sein Zimmer gegangen, weil mein Mann ihn mal wieder angefaucht und eine Memme gescholten hat. Ich wollte mit dem Jungen gehen, für immer, Herr Doktor. Es ist wohl nicht die Zeit, das zu sagen, aber ich halte dieses Leben nicht mehr aus, und Flori sollte doch wenigstens eine kummerfreie Schulzeit haben. Er ist nun mal ein Spätentwickler, aber mein Mann… Ach, was soll es. Ich will nur, daß er gesund wird.«
»Ich bringe Sie jetzt heim, Frau Alberti. Sie können sich ja kaum noch auf den Füßen halten. Ich gebe Ihnen ein Beruhigungsmittel, und wenn Sie sich ausgeschlafen haben, sprechen wir mal über Ihre Sorgen.«
»Ich kann doch nicht schlafen. Ich möchte bei Flori bleiben«, flüsterte sie.
»Er wird jetzt schlafen, und Sie können ihm nicht helfen. Das besorgen sehr gute Ärzte. Diese Gewißheit kann ich Ihnen geben.«
Danielas Gedanken irrten ab. Sie dachte an die Koffer, die bereits gepackt waren, die Rolf sehen würde, wenn er heimkam. Sie hatte den Trennungsstrich ziehen wollen, aber nicht so. Jetzt mußte sie bleiben, um des Kindes willen. Sie mußte bleiben, bis Florian wieder gesund war.
Dr. Norden brachte sie nach Hause. Still und dunkel lag das kleine Einfamilienhaus in dem großen Garten. Daniela sah, daß die Garage noch leer war. Sie atmete insgeheim auf.
Dr. Norden begleitete sie zum Haus. »Ich danke Ihnen«, sagte sie leise. »Ich brauche kein Beruhigungsmittel, Herr Doktor. Ich werde mich zusammenreißen.«
Tabletten hätte er ihr auch nicht gegeben. Ihre Worte »ich wollte mit dem Jungen gehen, für immer«, klangen noch in seinen Ohren, aber sie schienen doch nicht die schreckliche Bedeutung gehabt zu haben, die er vermutete.
Als ahne sie seine Gedanken, sagte sie: »Ich muß morgen früh meine Mutter anrufen, daß wir nicht kommen können. Aber wenn Flori gesund ist, gehen wir. Meine Ehe ist kaputt, restlos.«
»Darüber können wir auch sprechen, wenn Sie wollen, Frau Alberti.«
»Alberti«, wiederholte sie bitter. »Ich hasse diesen Namen!«
*
Fee Norden saß im Wohnzimmer, als ihr Mann heimkam. Ein Glas Milch stand auf dem Tisch.
»Das ist bereits das zweite«, sagte sie. »Du warst lange weg, Daniel. Was war los?«
Er erzählte es ihr. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Sie hatten ja auch drei Kinder, und Fee wußte, wie einer Mutter in solchen Situationen zumute war.
»Wird er durchkommen?« fragte sie bebend.
»Ich kann es nicht sagen, Fee. Trink deine Milch und geh zu Bett.«
»Und sie liegt allein da, während sich der Ehemann amüsiert«, sagte Fee bitter.
»Woher weißt du, daß er sich amüsiert?« fragte Daniel erstaunt.
»Es steht in der Zeitung, mein Schatz. Rolf Alberti wird als der beste Gesellschaftsfotograf geehrt. Der Galerist Tonio Erben und seine Frau Marisa geben für ihn eine Party. Morgen werden wir darüber mehr in den Boulevardzeitungen lesen können.«
»Kauf sie alle«, sagte Daniel.
»Dafür soll ich Geld ausgeben?« staunte Fee.
»Ich möchte wissen, was man über Alberti schreibt.«
»Ob man alles glauben kann, ist eine andere Frage«, sagte Fee wegwerfend.
»Sie ist verzweifelt. Ihre Ehe ist kaputt.«
»Ob sie nicht nur eifersüchtig ist und jetzt durch die Erkrankung des Jungen überreizt?« fragte Fee vernünftig.
»Nein, das sitzt tiefer. Sie ist auch keine hysterische Frau.«
»Nein, das ist sie gewiß nicht, eher eine unterjochte«, sagte Fee. »Gehen wir schlafen. Du mußt wieder früh in der Praxis sein. Ich hoffe nur, daß der Junge am Leben bleibt.«
In dieser Nacht sah es noch nicht so aus, obgleich Florian kurz zu Bewußtsein kam. »Will zu Omi«, flüsterte er, »will nicht krank werden.« Aber man konnte es kaum verstehen, doch Jenny Behnisch, die an seinem Bett saß, fühlte, was dieses Kind bewegte.
*
Rolf Alberti amüsierte sich, wie es Fee Norden gesagt hatte. Er dachte nicht an seinen Sohn, schon gar nicht an seine Frau. Er tanzte mit einer aufregenden Blondine. Es war Marisa Erben, die Frau seines Mäzens und Freundes.
»Gut, daß du Daniela nicht mitgebracht hast«, sagte sie. »Sie hätte uns die Stimmung verdorben mit ihrer Trauermiene. War sie eigentlich schon immer so?«
»Sie war einmal sehr hübsch und charmant, sonst hätte ich sie ja nicht geheiratet, aber du weißt genau, daß es für mich jetzt nur eine Frau gibt, und das bist du.«
Sie lachte leise auf. »Aber das sollte unser lieber, trotteliger Tonio nicht merken, sonst entzieht er dir sein Wohlwollen, und mich wirft er hinaus. Er hat nämlich sehr moralische Ansichten.«
»Er schaut nicht mal zu uns herüber«, sagte Rolf dicht an ihrem wohlgeformten Ohr. Alles an ihr war wohlgeformt und mit den Aufnahmen von ihr hatte er auch die größten Erfolge erzielt.
Nein, Tonio Erben schaute nicht zur Tanzfläche. Er unterhielt sich mit einer sehr gewichtigen Dame, die dennoch außerordentlich imponierend wirkte, denn sie hatte trotz fortgeschrittener Jahre noch ein bildhübsches, glattes Gesicht. Allerdings hatte sie auch eine spitze Zunge, diese Donna Regulin. Sie war eine gefürchtete Klatschkolumnistin. Für jene aber, die sie länger besser kannten, konnte sie auch eine sehr gute Freundin sein, und zu den wenigen gehörte Tonio Erben.
»Ich sage es dir noch einmal, Tonio, daß du eine Schlange an deinem Busen nährst und den Partner dazu«, sagte Donna. »Komm mir nur nicht mal daher und jammere, daß es doch besser gewesen wäre, auf mich zu hören.«