Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
wußte ja, wie man mit raffinierten Frauen umgehen mußte, und er ließ sich durch betörende Blicke und ein verführerisches Lächeln nicht bestechen.
»Es handelt sich um einen Unfall, der von einem silbergrauen Wagen verursacht wurde. Der Mann beging Fahrerflucht. Es handelt sich um einen gewissen Rolf Alberti.«
»Das ist kaum möglich«, sagte Marisa. Sie zündete sich eine Zigarette an. »Rauchen Sie?« fragte sie.
»Nein, danke.«
»Was kann ich Ihnen anbieten?«
»Eine Tasse Kaffee«, erwiderte er mit einem Blick auf die Kaffeekanne. »Wieso ist das nicht möglich?« fragte er dann.
»Es gibt dafür eine einfache Erklärung. Mein Mann und Rolf Alberti haben die gleichen Wagen. Und… Aber ich muß wohl vorausschicken, daß wir gestern abend eine Party gaben, die sich bis in die Morgenstunde hinzog.«
Jetzt kommt sie schon ins Schwimmen, dachte der Kommissar, aber er hatte sich geirrt.
»Rolf Alberti ist ein enger Freund meines Mannes«, fuhr sie fort. »Leider trinkt er manchmal ein bißchen viel über den Durst. Wir hätten ihn selbstverständlich nicht mehr ans Steuer gelassen, aber als wir auf den Parkplatz kamen, stellten wir fest, daß Rolfs Wagen verschwunden war. Wir bestellten ein Taxi für ihn. Wenn also mit Rolfs Wagen ein Unfall verursacht wurde, so saß er bestimmt nicht am Steuer.«
Eiskalt und skrupellos, so schätzte Kremer jetzt Marisa ein. Nerven wie Kälberstricke, sagte man auf gut Bayerisch.
»Warum haben Sie ihn denn nicht heimgefahren?« fragte er.
»Mein Mann war müde. Er war auch ein wenig gereizt, weil nicht alles so läuft, wie er es sich vorstellt. Er war auch verärgert, weil Rolf wieder getrunken hatte.«
»Sie hatten also Streit, und deswegen ist er heute weggefahren«, klopfte der Kommissar auf den Busch.
»Wir hatten keinen Streit«, widersprach Marisa gereizt. »Wie kommen Sie darauf?«
»Nun, dann will ich Ihnen einmal den Unfallvorgang schildern, wie Zeugen ihn beobachtet haben. In dem Wagen, der den Unfall verursachte, befanden sich ein Mann und eine blonde Frau. Im anderen Wagen war der Rechtsanwalt Dr. Thomsen mit seiner Tochter auf dem Weg in den Urlaub. Dr. Thomsen erlitt beträchtliche Verletzungen, das Kind blieb unverletzt, und es hörte, wie die Frau zu dem Fahrer des Wagens sagte: ›Hau ab, es sind keine Zeugen da‹.«
Marisas Augen wurden schmal, aber ihr Gesicht zeigte keine Regung. »Und was habe ich damit zu tun?« fragte sie. »Nur, weil ich blond bin? Ich habe Ihnen gesagt, daß Herr Alberti mit dem Taxi heimfuhr. Er wird es Ihnen bestätigen.«
»Das kann er augenblicklich nicht«, sagte Kommissar Kremer kühl. »Er liegt in der Behnisch-Klinik und schwebt in Lebensgefahr. Er hat bei dem von ihm verursachten Unfall schwere innere Verletzungen erlitten. Es wäre gut, wenn Sie bei der Wahrheit bleiben würden, Frau Erben. Ihr Mann wird auch befragt werden, wie es sich wirklich verhielt. Es kann Sie teuer zu stehen kommen, wenn Sie eine strafbare Handlung vertuschen wollen.«
Marisas Augen funkelten böse. »Ich habe damit nichts zu tun!« stieß sie hervor. »Ich habe Ihnen gesagt, was ich weiß. Wo sich mein Mann allerdings befindet, weiß ich nicht. Ich kann auch nicht glauben, daß Rolf irgendwie verletzt ist. Sie wollen mich hinters Licht führen!«
»Sie können sich in der Behnisch-Klinik erkundigen.«
»In der Behnisch-Klinik? Dort ist Florian operiert worden«, sagte sie.
»Woher wissen Sie das?«
»Von Rolf natürlich. Wir haben telefoniert.«
»Wann?«
»Gegen Mittag.«
»Das kann kaum stimmen, da war er bereits in der Klinik und lag auf dem Operationstisch.«
Ihr Blick wurde starr. Nun schien sie doch zu begreifen, wieviel auch für sie auf dem Spiel stand.
»Ich habe nichts zu sagen. Ich habe mit dem Unfall nichts zu tun. Ich werde meinen Anwalt fragen, was ich gegen solche Behauptungen unternehmen kann.«
»Ich würde Ihnen abraten, gegebenenfalls einen Meineid zu leisten«, sagte er ruhig, »wir werden auch Ihren Mann befragen.« Dann ging er, und Marisa schenkte sich erst mal einen Whisky ein.
*
Tonio Erben hatte währenddessen mit Donna über diese Angelegenheit gesprochen.
»Zuzutrauen ist es Alberti«, hatte sie gemeint und auch gesagt, daß Marisa lügen würde, um ihre Haut zu retten.
»Ruf doch mal bei Alberti an«, forderte sie ihn auf, was er auch tat, aber es meldete sich niemand.
»Mir würde Daniela noch mehr leid tun«, sagte er bedauernd. »Ich habe mich in dieser Sache ganz falsch verhalten.«
»Das hast du. Es ist aber nicht mehr zu ändem«, meinte Donna. »Jetzt werde ich dich mal mit Franzi Ostmann bekannt machen, damit du auf andere Gedanken kommst. Ich sehe sie gerade kommen.«
Ganz jung mochte Franzi nicht mehr sein, aber sie wirkte so frisch und natürlich, so unverdorben und voller Lebensfreude, daß Tonio sie staunend betrachtete.
»Stell dir vor, Donna, ich habe das Bild verkauft!« rief Franzi voller Freude aus, noch bevor sie Tonio wahrnahm. Doch gleich wurde sie verlegen, als dann ihr Blick auf ihn fiel. »Wir sprechen dann später darüber«, sagte sie entschuldigend.
»Nun renn nicht gleich davon, Franzi«, sagte Donna. »Das ist Tonio Erben. Ein guter Freund von mir. Er bleibt ein paar Tage bei uns.«
»Ich will nicht stören«, sagte Franzi zurückhaltend.
»Du störst nicht. Wir essen, wie immer, gemeinsam«, erklärte Donna energisch.
»Ich könnte Donnas Gastfreundschaft nicht annehmen, wenn durch mich Unruhe ins Haus käme«, warf Tonio ein.
»So war es nicht gemeint«, sagte Franzi schüchtern.
»Jetzt sag mal, wieviel du für das Bild bekommen hast«, sagte Donna neugierig.
»Dreihundert Mark, ist das nicht wunderbar?«
»Zu billig«, sagte Donna. »Tonio versteht was von Bildern. Er kann dir sagen, was man wirklich dafür bekommen kann.«
»Mich kennt doch niemand«, erklärte Franzi bescheiden.
»Das ist der Jammer, aber man wird dich bald kennenlernen.«
Donna zwinkerte Tonio zu. »Während ich das Essen zubereite, kann Franzi dir mal ihre Bilder zeigen.«
Ihre Stimme duldete keinen Widerspruch. Franzi errötete.
»Wenn es Donna sagt, muß ich folgen. Bitte, nach oben.«
Tonio folgte ihr. Der Dirndlrock schwang um ihre schlanken gebräunten Beine. Unwillkürlich kam es ihm in den Sinn, wie herausfordernd sich Marisa bewegte, wie geziert andere weibliche Wesen aus seinem Bekanntenkreis. Und es wurde ihm bewußt, in welch einer verlogenen Welt er sich selbst gefangen hatte. Groß und hell war das Atelier, aber Tonios Blick fiel gleich auf ein Bild, das Donna darstellte, und lebendiger konnte man dieses Gesicht wohl nicht wiedergeben.
»Phantastisch«, sagte er leise.
»Ich male sonst keine Porträts«, erklärte Franzi. »Donna hat mich dazu verführt, weil ich dafür hier umsonst arbeiten kann. Konnte, muß ich sagen, denn jetzt werde ich wohl doch Geld verdienen. Der Mann, der das Bild gekauft hat, will noch mehr haben.«
»Was ist das für ein Mann?« fragte Tonio.
»Ein Ausländer. Er macht hier Urlaub. Ich durfte das Bild bei Xaver ausstellen.«
»Und wer ist Xaver?«
»Er hat ein Geschäft. Schnitzereien und Andenken, auch Bilder, aber keine Originale.«
Tonios Augen wanderten umher.