Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
sagte er tonlos. »Ich lasse mich scheiden, so schnell wie möglich.«
»Ich habe mich immer gefragt, warum du ausgerechnet sie geheiratet hast. Du hattest doch Auswahl.«
»Unter der gleichen Kategorie Frauen«, sagte er ironisch. »Schöne Hüllen ohne Inhalt, geschaffen für törichte Männer, die Liebe nicht kennenlernen.«
»Wahre Liebe ist auch selten genug«, sagte Donna, »aber man braucht sich nicht unbedingt von einer Schlange verführen zu lassen. Nun hast du dein Fett weg und kannst in dich gehen.«
»Ich habe jede Selbstachtung verloren, Donna.«
»Dann wirst du sie wiederfinden. Ich hoffe, daß Thomsen einigermaßen davongekommen ist. Der war auch mit so einem treulosen Weib verheiratet. Selbst ein Anwalt kann reinfallen. Aber er hat eine reizende kleine Tochter, die ihren Vater braucht.«
»Ich habe mir auch mal Kinder gewünscht«, sagte Tonio gedankenverloren, »jetzt bin ich froh, daß ich keine habe.«
»Na, immerhin bist du erst sechsunddreißig und kannst noch mal starten«, sagte Donna. »Laß den Kopf nicht hängen, das paßt nicht zu dir, und Marisa ist es nicht wert, daß du ihretwegen resignierst.«
»Mir tut Daniela leid. Sie hat es wahrhaftig nicht verdient, so hintergangen zu werden.«
»Mich hat so ein Kerl auch mal fast geschafft«, sagte Donna sarkastisch. »Damals dachte ich, die Welt geht unter. Aber dann ist man mit einem Schlage klüger geworden, und die Erde dreht sich immer noch. Und die Zeit heilt viele Wunden, auch tiefe.«
»Du bist sehr weise geworden, Donna.«
»Immerhin bin ich jetzt auch schon sechzig und sehe alles aus der Distanz, ein wenig spöttisch, ein wenig fatalistisch.« Sie lächelte. »Du wirst auch noch dahinterkommen, Tonio. Aber jetzt geh hinauf, sonst hat sich Franzi umsonst abgerackert.« Und in ihren Augen war ein unergründliches Lächeln, als er die Treppe zu Franzis Reich emporstieg.
Mustergültig war die Ordnung nicht zu nennen, die in ihrem Zimmer herrschte, aber das hätte ihn auch eher befremdet. Er sah auch nur die beiden Bilder, die an der Wand hingen, die mit Eichenholz verschalt war. Eins stellte eine Frau dar, das andere ein Kind.
»Meine Mutter und ich«, sagte Franzi leise. »Vater hat auch nur dann Menschen gemalt, wenn er sie begriff.«
Tonio war so tief beeindruckt, daß er keine Worte fand. Keines wäre ihm gut genug gewesen, seine Gefühle auszudrücken.
»Die anderen Bilder habe ich ins Atelier gestellt«, sagte Franzi stockend.
Tonio konnte feststellen, daß ein genialer Maler einmal wieder verkannt worden war.
»Schade«, sagte er leise.
»Sie finden die Bilder nicht gut?«
»Zu gut, um sie in der Versenkung verschwinden zu lassen, Franzi. Man kann Kunst natürlich aus verschiedenen Gesichtspunkten betrachten, aber es ist bedauerlich, daß manchmal allein ein Name den Wert ausmacht. Donna hätte bestimmt einige gekauft.«
Franzi errötete. »Ich dachte, sie würde es nur tun, um mir weiterzuhelfen. Mein Vater hatte doch keinen Namen, so wenig wie ich.«
»Er wird bestimmt einmal einen sehr guten Klang haben«, sagte Tonio. »Lassen Sie mir ein paar Wochen Zeit. Ich muß jetzt meine privaten Verhältnisse klären. Morgen fahre ich mit Donna nach München. Aber ich komme bald wieder. Ich war schon drauf und dran, meine Galerie aufzugeben, aber nun weiß ich, daß es sich lohnen wird, auf anderen Wegen weiterzumachen.«
»Ich möchte nicht, daß Sie meinetwegen ein Fiasko erleben«, sagte Franzi leise.
»Alle Bescheidenheit sollte ihre Grenze haben«, sagte er.
*
Dr. Norden war nach der Sprechstunde in die Klinik gefahren. Florian blickte schon etwas munterer.
»Ich finde es richtig schön hier«, sagte er. »Omi ist da, und Rickys Opa ist so lustig. Eigentlich ist es viel schöner als zu Hause.«
Solche Worte hatte Dr. Norden von einem Kind noch nie vernommen. Aber sie drückten aus, was der Junge in sich verschlossen hatte, welche Ängste ihn gequält hatten, durch das Unvermögen seines Vaters, ein harmonisches Familienleben zu gestalten.
»Rickys Opa hat gesagt, daß wir uns alle bei ihm erholen können«, fuhr Florian fort. »Am Comer See. Da muß es schön sein.«
»Ja, da ist es sehr schön«, sagte Dr. Norden.
»Jetzt ist Ricky ganz richtig meine Freundin. Wir brauchen uns nicht mehr bloß in der Musikschule zu sehen. Ist das nicht toll?«
»Wozu doch so ein Blinddarm alles gut sein kann«, sagte Dr. Norden lächelnd. »Aber jetzt darfst du nicht übermütig werden, Flori. Es wird schon noch einige Tage dauern, bis alles wieder in Ordnung ist.«
»Hat Dr. Behnisch auch schon gesagt. Ich halte mich dran«, versicherte der Junge. »Langweilig wird es mir schon nicht werden. Ich kriege ja viel Besuch.«
Und da kam Daniela schon zurück. »Sie müssen Mami sagen, daß sie zu Hause schlafen soll, wenn der Papa nicht da ist«, sagte Florian leise. »Omi hat gesagt, daß er weggefahren ist.«
Die Wahrheit hatte er noch nicht erfahren. Er hätte es wohl auch nicht verstehen können.
»Ich werde mal mit deiner Mami reden«, sagte Dr. Norden zu dem Jungen. »Dir fallen die Äuglein ja schon wieder zu.«
»Ich soll ja auch viel schlafen«, sagte Florian.
Dr. Norden schob Daniela sanft auf den Gang zurück.
»Es war ein bißchen viel auf einmal«, sagte er.
»Mir geht es schon wieder recht gut«, erwiderte sie. »Ich sehe alles viel klarer.«
Er war überrascht, daß sie jetzt keinerlei Erregung mehr zeigte.
»Mein Kind lebt«, sagte sie, »dies allein zählt, wie auch, daß Dr. Thomsen nichts Schlimmeres widerfahren ist. Was Rolf Alberti betrifft, es war schon vorher zu Ende. Man kann von mir nicht erwarten, daß ich Mitgefühl mit ihm habe.«
Und doch hatte man wohl einmal von Liebe gesprochen, ging es Dr. Norden durch den Sinn, aber er wußte ja, was Daniela in dieser Ehe dann hatte durchmachen müssen.
Ein Stockwerk höher lag Rolf Alberti, und sein Zustand hatte sich nicht gebessert, obgleich auch bei ihm nichts versäumt wurde.
Als Dr. Norden mit Dr. Behnisch über ihn sprach, zuckte der nur die Schultern. »Die Laborwerte sind katastrophal, Daniel. Ein langes Leben hätte er ohnehin nicht zu erwarten gehabt. Nur ein Wunder könnte ihn retten, aber gerade in diesem Fall braucht man darum nicht zu beten.«
*
Daniela blieb bis zehn Uhr in der Klinik. Otto Thomsen war inzwischen schon bei Hannelore. Sie hatte Henrike zu Bett gebracht, und das Kind war schnell eingeschlafen.
Hannelore war doch ein wenig befangen, als Otto Thomsen das Haus betrat.
»Ich hoffe, es berührt Sie nicht peinlich, daß der Mann, der Ihren Sohn verletzt hat, hier lebt«, sagte sie stockend.
»Es wird mehr als ausgeglichen durch zwei liebenswerte Frauen«, erwiderte er. »Ich bin dankbar, daß Sie mich eingeladen haben, daß Sie sich so lieb um Ricky kümmern. Und ich bin froh, daß ich nicht allein herumhocken muß.«
»Es gibt allerdings nur kalte Küche«, sagte Hannelore.
»Macht doch nichts. Wenn es ruhiger geworden ist, führe ich Sie mal zum Essen aus.«
»Sie bleiben hier?« fragte Hannelore.
»Das ist doch selbstverständlich. Ich habe mich auf den Urlaub mit Henrik und der Kleinen gefreut, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, und es würde mich sehr freuen, wenn Sie und Ihre Tochter dann meine Einladung annehmen würden. Tapetenwechsel wird Daniela auch guttun, und wie würde sich Ricky