Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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eilte schon den Hang hinunter, als sie noch vor sich hin murmelte, daß die Welt und die Menschen sich verändert hätten, und in was für eine Zeit die Kinder jetzt hineingeboren würden!

      *

      Marian verlor kein Wort darüber, daß es so lange gedauert hatte, obgleich er voller Unruhe gewartet hatte.

      Katja wäre ihm fast in die Arme gefallen, so schnell war sie dann zum Schluß gelaufen.

      »Es gibt viel zu erzählen«, sagte sie außer Atem.

      »Wir müssen jetzt noch zum Altersheim, das ist auch ein ganzes Stück. Sonst müssen wir womöglich noch hier übernachten«, sagte Ma­rian.

      »Es ist erst halb fünf«, sagte Katja. »Jedenfalls sind wir schon ein großes Stück weiter. Ulli ist am dritten Februar geboren, und er hat die Namen Ralf Frank Marian bekommen.«

      »Das ist stark«, stieß Marian hervor. »Da bleibt mir die Spucke weg. Was hat sich Anita dabei gedacht?«

      »Das werden wir wohl nie erfahren. Sie lebt nicht mehr.«

      Gut, daß sie sich bereits auf ebener Straße befanden, und kein Wagen ihnen folgte, so abrupt trat er auf die Bremse.

      »Ich wollte es Ihnen ja wohldosiert beibringen«, sagte Katja kleinlaut. »Aber das war das Wichtigste, was ich erfahren habe.« Dann sagte sie ihm noch, daß Anita mit dem Auto verunglückt sei. »Und wir wollen doch gern am Leben bleiben«, fügte sie mahnend hinzu.

      Eine Weile herrschte nun wieder Schweigen. Dann mußte er anhalten, um sich nach dem Weg zum Altersheim zu erkundigen. Es lag glücklicherweise an der Straße, die nach München führte, ein alter grauer Bau.

      »So möchte ich nicht mein Leben beschließen«, sagte Marian.

      »Sie brauchen es ja nicht, aber manche wären froh, wenigstens so einen Platz zu bekommen.«

      »Ich bekomme eine Lektion nach der anderen«, sagte er. »Ich weiß schon, daß ich viel zuwenig über Werden und Vergehen nachgedacht habe.«

      »Jetzt haben Sie wieder Zeit zum Nachdenken«, meinte Katja. »Diesmal werden Sie aber nicht so lange zu warten brauchen.«

      Rasch ging es aber auch nicht, bis sie das Vertrauen der alten schwerhörigen Kreszenz errungen hatte. Erst als Katja ihr eindringlich sagte, daß sie Maria eine gute Stellung verschaffen könne, wurde Kreszenz mitteilsamer.

      »Grad gestern habe ich einen Brief von ihr bekommen«, sagte sie. »Schreibt nicht viel, das Dirndl. Da, auf dem Vertiko liegt er. Weiß ja nicht, was sie in der Großstadt will, aber es wird wohl wegen dem Kind sein.«

      Katja las den Brief, der in Druckbuchstaben geschrieben war, wohl damit Kreszenz ihn lesen konnte.

      Das Butzerl habe ich vorerst in ein Heim gegeben, hatte sie geschrieben. Es geht ihm gut. Und ich habe jetzt auch ein Unterkommen. Brauchst mir nicht schreiben, ich besuche Dich mal, Zenzi. Laß es Dir gutgehen.

      Schnell schrieb sich Katja die Adresse auf, die auf der Rückseite des Kuverts stand.

      »Schreiben konnte ich noch nie gut«, murmelte Kreszenz, »und jetzt wollen die Hände gar nimmer. Aber wenn Sie die Maria finden, dann sagen Sie ihr bitt schön, daß sich die Kreszenz über einen Besuch freuen tät.«

      »Das werde ich gern ausrichten. Vielen Dank«, erwiderte Katja.

      *

      Diesmal kam Marian ihr rasch entgegen. »Ich habe die Adresse«, freute sich Katja.

      »Und nun?« Seine Miene war eher düster zu nennen.

      »Ich bin gar nicht mehr gespannt. Ich glaube auch nicht, daß Anita ihr die Wahrheit gesagt hat. Jedenfalls wird der Junge weder Ralf, Frank oder Marian heißen. Er heißt Ulli und dabei bleibt es.«

      Das beschäftigte ihn also. »Das wird sich schon machen lassen«, meinte Katja.

      »Sie müssen eine tolle Meinung von meinen Freunden und mir haben«, sagte er tonlos.

      »Nun, ich denke, daß Anita die Abwechslung liebte«, sagte Katja ironisch.

      »Aber sie ist kein Einzelfall. Es gibt eine ganze Menge Frauen, die sich die gleichen Freiheiten nehmen wie die Männer. Die Heimchen am Herde sind selten geworden.«

      »Und die Karrierefrauen sind im Kommen. Eines Tages werden sie die Männer überrollt haben.«

      »Solche Gedanken gefallen Ihnen wohl gar nicht«, meinte Katja neckend.

      »Es tut der Weiblichkeit doch ziemlichen Abbruch. Das brauchen Sie aber nicht auf sich zu beziehen, Katja. Augenblicklich stehe ich mit aller Weiblichkeit auf Kriegsfuß. Und von Freunden will ich auch nichts wissen.«

      »Also ein moralischer Kater«, lä­chelte Katja.

      »Sie machen sich wohl über mich lustig.«

      »Aber nein. Mir kommt da so eine Weisheit in den Sinn. Ich glaube, sie stammt von Grillparzer. Moral ist der Maulkorb für den Willen, die Logik der Steigbügel für den Geist. Denken wir einmal logisch. Vielleicht hat Anita ihnen allen einen Streich spielen wollen. Oder sie hatte auch mit jemanden gewettet, daß sie einem von Ihnen das Kind anhängen wollte. Vielleicht sogar mit dem richtigen Vater des Kindes.«

      »Sie schließen also nicht aus, daß ein anderer als ich der Vater bin.«

      »Nein, das schließe ich nicht aus.«

      »Mir hatten sie Whisky in den Wein geschüttet, vielleicht, um mit den beiden Mädchen den Abend allein zu verbringen.«

      »Durchaus möglich«, erklärte Katja gelassen. »Aber was wäre geschehen, wenn Ihre Mutter ganz anders reagiert hätte? Ich kann mir sehr gut vorstellen, daß es nicht viele Frauen von ihrer Toleranz gibt.«

      »Wie tolerant sind Sie?« fragte er.

      »Ich habe keinen erwachsenen Sohn«, konterte sie. »Ich kann da gar nicht mitreden.«

      »Nehmen wir doch mal an, Sie würden sich in einen Mann von meiner Machart verlieben, oder Sie wären es, und dem würde ein Kind präsentiert.«

      »Es wäre wohl ein Schock«, gab sie zu.

      »Und Sie würden dem Mann den Laufpaß geben?«

      »Das ist schwer zu sagen.«

      »Nehmen wir mal weiter an, ich würde Sie fragen, ob Sie meine Frau werden wollen, würden Sie dann wegen des Kindes nein sagen? Oder wegen meines bisherigen Lebenswandels?«

      »Darüber zerbreche ich mir nicht den Kopf. Sie werden diese Frage nicht stellen, und ich brauche keine Antwort zu geben.«

      »Sind Sie da ganz sicher, Katja?« fragte er.

      Ein Unterton schwang da mit, der sie irritierte. Aber sie wollte sich keine Gedanken darüber machen.

      »Machen Sie Ihren Läuterungsprozeß durch«, sagte sie gleichmütig. »Ich habe mich dafür entschieden, überhaupt nicht zu heiraten, sonst hätte ich ja nicht diesen Beruf ergreifen brauchen. Ich liebe nämlich meinen Beruf.«

      »Und da kann kommen wer will, Sie würden immer nein sagen?«

      »Da kann kommen wer will.«

      »Haben Sie schon oft nein gesagt?«

      »Sie sind aber gründlich!«

      »Zum ersten Male. Ich habe bisher nie tiefsinnige Gespräche mit Frauen geführt. Wäre auch nutzlos gewesen, weil ihnen das Hirn fehlte. Sie können mir alles vorwerfen, aber nicht, daß ich nicht ehrlich wäre.«

      »Ihre Ehrlichkeit hat mich verblüfft, das gebe ich zu, und deshalb glaube ich auch, daß wir gute Freunde werden können, Marian«, erwiderte Katja leise.

      »Darf ich Ihnen wenigstens sagen, daß Sie neben Mama die zweite Frau sind, die ich bewundere?«

      »Wofür? Es war ein interessanter Tag. Ich habe neue Erkenntnisse gewonnen, Sie haben das


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