Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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eintrafen, wollte sich Stella Ronneberg zurückziehen, doch der Kommissar forderte sie recht energisch auf, der Unterredung beizuwohnen und auch die Tochter Marina herbeizuholen.

      »Marina ist nicht anwesend«, sagte Friedrich Ronneberg.

      »Und der Herr Doktor auch nicht?« fragte der Kommissar. »Er ist nicht im Krankenhaus erschienen.«

      »Das ist uns unerklärlich«, sagte Friedrich Ronneberg. »Man bekommt es mit der Angst, daß hier ein Verrückter sein Unwesen treibt.«

      »Martl ist auch seit gestern verschwunden«, warf Stella ein.

      »Er befindet sich in polizeilichem Gewahrsam«, erklärte Kommissar Harbig.

      »Hat er Tönnies getötet?« fragte Friedrich Ronneberg hastig, und es klang fast erleichtert.

      »Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen«, erwiderte der Kommissar. »Es gilt jetzt noch einiges zu klären, was Ihre Vergangenheit betrifft, Herr Ronneberg. Wir haben da einiges erfahren, was Ihren Darstellungen widerspricht.«

      Ronnebergs sonst noch recht frisches Gesicht nahm eine grünliche Färbung an, und Stella zitterte wie Espenlaub.

      »Es handelt sich um amtliche Ermittlungen. Es dürfte Ihnen schwerfallen, diese zu widerlegen«, sagte Kommissar Harbig ruhig.

      »Worum geht es?« fragte Ronneberg mühsam.

      »Ich werde vorlesen«, sagte Harbig. »Sie gaben an, große Güter in Pommern besessen zu haben. Aus den amtlichen Unterlagen geht hervor, daß Sie Gutsverwalter bei dem Grafen Bornstein waren, der wiederum mit Arved von Stiebenau befreundet war. Dieser wiederum wurde vor seinem Front-einsatz mit der Schwester des Grafen Bornstein kriegsgetraut. Dorothee von Stiebenau, geborene Gräfin Bornstein, brachte in den Tagen, als der große Treck begann, einen Sohn zur Welt. Es war eine schwere Geburt. Niemand glaubte an ihr Überleben. Graf Bornstein geriet in Kriegsgefangenschaft. Arved von Stiebenau fiel an der Ostfront. Sie machten sich mit Ihrer Familie auf den Weg nach Westen und nisteten sich hier ein. Sie erzählten dem Baron von Stiebenau schöne Märchen von einer engen Freundschaft, von ihren verlorenen Besitzungen, und dieser leidgeprüfte Mann half Ihnen.«

      »Woher wollen Sie das wissen?« fragte Ronneberg mühsam.

      Harbig faßte ihn scharf ins Auge. »Gottes Mühlen mahlen langsam, manchmal Jahrzehnte«, sagte er kühl. »Der Graf Bornstein hatte einen treuen Burschen, der in russische Kriegsgefangenschalt geriet, aber überlebte. Und getreu seines Schwures, dem er den Grafen gegeben hatte, suchte er nach dessen Schwester. Er fand sie unter armseligen Verhältnissen und schwerkrank mit ihrem achtjährigen Sohn in der alten Heimat. Er hatte den Mut gehabt, sich dorthin durchzuschlagen. Bis dahin waren Dorothee von Stiebenaus Versuche fehlgeschlagen, etwas über das Schicksal ihres Mannes und ihres Bruders zu erfahren, vergeblich gewesen. Sie lebte unter dem Namen Steben mit ihrem Sohn Arved-Dietrich und hatte sich als Köchin auf dem ehemals elterlichen Gut verdingt. Die, die geblieben waren, hielten zu ihr. Sie kannten den Burschen des Grafen Bornstein, Herr Ronneberg.«

      »Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie reden, wer diese Geschichte erfunden hat«, stieß er mühsam hervor.

      »Der Bursche hieß Karsten Badenski und war der Bruder von Stella und Miriam Badenski. Das heißt, Miriam hieß damals ja noch Marianne.«

      »Sie wissen alles«, schrie Stella auf, »sie wissen es, Karsten lebt.«

      »Ja, er lebt, Frau Ronneberg. Er kam als Rentner vor einigen Monaten nach Westdeutschland und begann Nachforschungen nach dem Verbleib seiner Angehörigen anzustellen, und dieser Umstand half uns so rasch, den Tatsachen auf den Grund zu kommen. Karsten Badenski adoptierte den Sohn von Dorothee und Arved von Stiebenau, um ihm eine Ausbildung zu ermöglichen. Er fand eine Stellung im anderen Teil Deutschlands, heiratete eine tüchtige Frau und war Arved ein ebenso guter Vater wie seinen zwei weiteren Kindern, aus der so spät geschlossenen Ehe. Ein ehrbarer Mann, der Ihnen ein Beispiel sein sollte. Sie können jetzt alles abstreiten, aber es wird zu einer Gegenüberstellung kommen. Arved von Stiebenau, der noch keine Ahnung von seiner Herkunft hat, lebt unter dem Namen Badenski schon einige Jahre in Österreich. Leider hat Baron Dietrich von Stiebenau versäumt, Ihre Angaben zu überprüfen und hat sich damit zufriedengegeben, daß sein Bruder den Heldentod gestorben ist, wie man es nannte. Und die Nachricht über Arveds Eheschließung hat ihn nie erreicht.«

      »Es waren doch so schreckliche Zeiten«, weinte Stella auf. »Wir hatten ein kleines Kind. Und hier war nichts zerstört. Er saß allein auf dem großen Gut, und wir haben doch für ihn gearbeitet.«

      »Halt den Mund, Stella!« schrie Friedrich Ronneberg seine Frau mit sich überschlagender Stimme an, und dann warf der plötzlich die Arme empor und sackte zusammen.

      »Und jetzt haben Sie ihn auch noch umgebracht«, stieß Stella hervor.

      Markus Wangen hatte bisher kein Wort gesagt. Jetzt war er schneller als Harbig. »Er lebt«, sagte er. »Schnell ins Krankenhaus.«

      Und so geschah es, daß Friedrich Ronneberg in das Krankenhaus kam, in dem sein Sohn Chefarzt werden wollte. Und alles, was noch zu sagen gewesen wäre, blieb vorerst ungesagt.

      *

      »Auch das noch«, war Dr. Großkopfs Kommentar, als Friedrich Ronneberg eingeliefert wurde. Er schien nochmals um Jahre gealtert.

      »Hat sich der Sohn noch nicht gemeldet?« fragte Harbig heiser.

      »Nein, aber die Assistenzärzte tun ihre Arbeit sehr gut«, kam die bissige Antwort.

      Und dann war zumindest Friedrich Ronneberg vorerst aller Sorgen ledig.

      Markus Wangen und Kommissar Harbig gingen in den Dorfkrug.

      »Eine abscheuliche Geschichte«, sagte Markus tonlos.

      »Ich möchte nicht so lange mit einem schlechten Gewissen leben«, sagte der Kommissar. »Aber zumindest scheint seiner Frau das Gewissen erst jetzt zu schlagen. Und dreißig Jahre mußten vergehen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Woran krankt unsere Gesellschaft eigentlich, Herr Wangen? Wissen Sie darauf eine Antwort?«

      »Ich bin erst lange nach dem Krieg geboren, und wie auch immer die Einstellung meines Vaters zum Leben gewesen sein mag, er sagte immer, daß ich hoffentlich solches nie erleben möge. Ich habe öfter gelesen, unter welchen dramatischen Umständen manche, die sich lange vergeblich gesucht hatten, dann zusammengeführt wurden. Männer hatten inzwischen andere Frauen, Frauen andere Männer, und sie wurden plötzlich hart mit der Vergangenheit konfrontiert und mußten dann Entscheidungen treffen, die schmerzhaft waren. Daß Nicola jetzt auch davon betroffen ist, erschüttert mich schwer. Es gibt also wieder einen Arved von Stiebenau.«

      »Aber es ist noch lange nicht gesagt, daß er versessen auf sein Erbe ist«, sagte Kommissar Harbig. »Mir tut dieser brave Karsten Badenski leid, für den die ganze Wahrheit schrecklich sein muß. Ich werde mich selbst um den Mann kümmern.«

      »Sie können das mir überlassen, Herr Harbig. Mich hat mein ererbtes Geld bisher nicht glücklich gemacht, aber es kann so manche Wunde schließen. Ich meine, daß dieser Mann zumindest dafür reich entschädigt werden muß, was er für Dietrich von Stiebenaus Neffen getan hat.«

      »Und Friedrich Ronneberg hat der Gedanke, wieder vor dem Nichts zu stehen, umgeworfen.«

      »Kann man dafür einen Mord begehen?« fragte Markus.

      Kommissar Harbig starrte in sein Bierglas. »Was könnte Tönnies gewußt haben?« fragte er.

      Markus sah ihn mit weiten Augen an. »Vielleicht erkannte er nur die Lederjacke, die mir gehörte, und die ein anderer trug. Und damit hatte dieser andere nicht gerechnet.«

      »Ja, so könnte es gewesen sein. Und wir beide denken, daß dieser andere Friedhelm Ronneberg war.«

      »Es müßte zu beweisen sein«, sagte Markus. »Nicola hat in ihrem Brief geschrieben, daß sie sich mit ihm treffen wolle, um acht Uhr am Samstagmorgen beim Stellplatz unterhalb des Jagdhauses. Warum sie diesen Platz gewählt hat, weiß ich nicht, noch nicht. Vielleicht hat er ihn vorgeschlagen,


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