Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
sie es nicht begreifen, daß ihre Tochter, Nichte und Enkelin nun plötzlich eine Baronin wurde, aber Nicola war gewiß, daß sie eine würdige Stiebenau sein würde. Und auch Karsten Badenskis Kerstin und Torsten konnten mit ihnen feiern. Wer wollte ihnen verdenken, daß sie sich wie in einem Märchen fühlten. Und es spann sich schon wieder eines an, als Klaus Portner die reizende Kerstin kennenlernte.
Auch der Kommissar Harbig war mit seiner Familie gekommen, um einmal eine richtige Hochzeit auf dem Lande zu erleben und nach recht traurigen Erlebnissen hier an so viel Freude teilnehmen zu können, und Maxi Strasser ließ Harbigs hübsche Nichte Uschi nicht von seiner Seite.
Es lag Jahre zurück, daß die Akte Ronneberg geschlossen worden war. Die letzten Steinchen hatte Kommissar Harbig allerdings mit seiner Kombinationsgabe hinzufügen müssen. Bevor Friedhelm Ronneberg das Leben des alten Tonnies auslöschte, war er zum Jagdhaus gelaufen, hatte dort das Durcheinander geschaffen, und dann die Lederjacke von Marius angezogen, um den Verdacht auf ihn abzuwälzen.
Ja, nur so konnte es gewesen sein, denn Nicola hatte gesagt, daß er die Jacke noch nicht trug, als sie ihn traf. Die Gerechtigkeit hatte gesiegt und die Liebe. Man brauchte sie nur anzusehen, all die glücklichen Menschen und allen voran Markus und Nicola mit ihrem kleinen Nico, der nicht von der Hand seines Vaters wich. Er hielt ihn allerdings auch so fest, als könnte man ihm das Kind wieder nehmen.
»Vielleicht werde ich jetzt doch lieber Landwirt«, sagte der Peppi Brandner zu seinem großen Bruder. »Spaß wurde es mir schon machen beim Arved. Der ist pfundig.«
»Folge deinem Herzen, Peppi«, sagte Jakob. »Jetzt herrscht hier wieder ein anderes Leben.«
»Und es ist halt unsere Heimat«, sagte Peppi. »Deshalb wollten wir doch auch nichts aufgeben. Aber Arved läßt auch unser Haus instandsetzen, hat er mir versprochen, und brauchen kann er ja auch jeden, um alles wieder richtig in Schwung zu bringen.«
»Vielleicht sattle ich jetzt auch noch um«, sagte Jakob. »Was meinst du, Tresi?«
»Gar keine so schlechte Idee. Und unser Papa ist ja mit Arved und Vater Badenski auch schon auf du und du. Und schau mal die Schwester Mathilde an, wie sie mit dem Dr. Großkopf tanzt. Die verbringen nun vielleicht sogar ihren Lebensabend miteinander.«
»Aber ein guter Arzt muß her«, meinte Jakob. »Jetzt, wo ich in den Gemeinderat gewählt bin, werde ich schon dafür sorgen.«
Alle waren zufrieden, auch die beiden Vierbeiner Waßtl und Bastian, die übermütig auf der Wiese herumtollten. Sie genossen ein glückliches Hundeleben.
»Zufrieden, Fee?« fragte Daniel Norden, als sie die Heimfahrt antraten.
»Mehr als das«, erwiderte sie.
Dr. Daniel Norden hielt den Telefonhörer fest an sein Ohr gepreßt, weil er die leise Stimme am anderen Ende des Drahtes kaum vernehmen konnte. Sein Gesicht hatte einen wirklich ernsten, sehr nachdenklichen Ausdruck.
»Selbstverständlich komme ich, Victor«, sagte er. »Bitte, resigniere nicht!« Dann lauschte er wieder, und ein Zucken lief über sein gebräuntes Gesicht. »Ja, ich komme noch heute, es ist versprochen.«
Dann saß er minutenlang, in sich versunken, am Schreibtisch, bevor er seine Frau anrief. Fee meldete sich sofort. Sie hatte schon auf ihren Mann gewartet.
»Feelein, ich muß zur Riebeck-Klinik fahren. Es wird wohl ziemlich spät werden«, sagte er.
»Was ist los, Daniel?« fragte Fee bestürzt.
»Ich erzähle es dir später. Es ist nichts fürs Telefon«, erwiderte er.
Also wieder mal eine ganz ernste Geschichte, dachte Fee.
»Kommt Papi immer noch nicht?« fragte Danny, ihr Ältester.
»Er muß noch etwas erledigen. Wir essen jetzt, sonst wird es für euch zu spät«, sagte sie gedankenverloren.
»Will aber Papi Bussi geben«, meldete sich die kleine Anneka jetzt zu Wort.
»Das vergißt er bestimmt nicht, auch wenn ihr schon schlaft«, erwiderte Fee.
»Schlafe aber nicht, wenn Papi nicht da ist«, sagte Anneka weinerlich. Sie hatte wieder einmal eine ganz besonders anhängliche Phase, wie immer, wenn in der Praxis sehr viel zu tun war und ihr heißgeliebter Papi nie pünktlich zu Tisch erschien.
Dr. Norden war bereits auf dem Weg zur Riebeck-Klinik.
Durch die ganze Stadt mußte er, und da herrschte jetzt viel Verkehr. Doch der Anruf von Victor Wagner war so dringlich gewesen, daß er noch einen weiteren Weg auf sich genommen hätte.
Vic! Ein Dutzend Jahre mußte es her sein, daß sie sich nicht gesehen hatten. Im Hörsaal hatten sie meistens nebeneinander gesessen. Daniel Norden, der genau wußte, was er wollte, und Victor Wagner, der sich bis zuletzt nicht entscheiden konnte, welches Spezialgebiet er wählen sollte.
Daniel sah ihn vor sich. Mittelgroß, sehr schlank, sehr jungenhaft aussehend war Vic gewesen und eigentlich immer gut aufgelegt, manchmal sogar ein bißchen leichtsinnig. Und Geld hatte er gehabt, Geld wie Heu, wie seine Kommilitonen sagten. Und dieser Vic sollte todkrank sein?
Daniels Augenbrauen schoben sich zusammen. Er mußte sich auf den Verkehr konzentrieren, und da krachte es auch schon vor ihm. Er konnte noch rechtzeitig bremsen und war schnell aus dem Wagen. Jetzt dachte er nicht mehr an Vic, jetzt wollte er zur Stelle sein, wenn ärztliche Hilfe gebraucht wurde. Und die wurde gebraucht. Es gab zwar keine Schwerverletzten, aber in dem Wagen, auf den ein junger Bursche aufgefahren war, saß ein kleines Kind auf dem Rücksitz, das durch den Aufprall das Bewußtsein verloren hatte. Die junge Mutter stand auch unter einem Schock.
Schon war auch die Funkstreife zur Stelle. Dr. Norden wies sich aus. »Ich bin auf dem Weg zur Riebeck-Klinik«, sagte er. »Ich kann Mutter und Kind gleich zu einer Untersuchung mitnehmen.«
»Sind Sie einverstanden?« wurde die junge Frau gefragt.
Sie nickte verstört und weinte leise, als sie das Kind in die Arme nahm.
»Ganz ruhig«, sagte Dr. Norden tröstend. »Es ist bestimmt nicht schlimm. Es ist nur eine Vorsichtsmaßnahme, wenn ich auf einer Untersuchung bestehe. Auch ein Schock kann Nachwirkungen haben.«
Zur Riebeck-Klinik war es jetzt nicht mehr weit. Der Kleine kam zu sich und begann fürchterlich zu schreien, aber als seine Mutter beruhigend auf ihn einredete, beruhigte er sich und schluchzte nur noch leise vor sich hin.
»Wie heißen Sie?« fragte Daniel.
»Claudia Fiebig«, erwiderte die junge Frau leise, »und das ist mein Sohn Daniel.«
»Wie nett, ich heiße auch Daniel«, sagte Dr. Norden aufmunternd und nannte dann auch seinen Nachnamen.
»Mein Mann wird sich schrecklich aufregen«, flüsterte Claudia. »Er denkt bestimmt, daß ich schuld war.«
»Ich kann bezeugen, daß Sie es nicht waren«, erwiderte Daniel ruhig.
»Martin wollte nie, daß ich fahre«, murmelte sie, »aber ich schaffe es sonst doch gar nicht. Ich bin berufstätig, muß den Kleinen in den Kindergarten bringen und abholen, und dann auch noch einkaufen. Es ist nicht so einfach.«
»Das weiß ich, ich kenne solche Fälle zur Genüge«, sagte Dr. Norden. »Und so ist es nur gut, wenn Ihnen bescheinigt wird, daß Sie einige Tage zu Hause bleiben müssen, um diesen Schock zu überwinden.«
»Damit wird wieder mein Chef nicht einverstanden sein«, sagte Claudia leise.
Und nun waren sie schon bei der Riebeck-Klinik angekommen.
»Wir unterhalten uns nachher noch«, sagte Dr. Norden. »Sie werden untersucht, und ich bringe Sie dann nach Hause. Recht so?«
»Sie sind sehr nett.Würden Sie bitte meinen Mann anrufen?« bat sie schüchtern. »Ich traue mich nicht. Daß das Auto kaputt ist, wird ihn wütend machen.«