Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
schreiben heute Englisch«, erwiderte das zierliche Mädchen, dessen Augen so groß und dunkel waren, wie die ihrer Mutter. Axel und Kathrin hatten die hellen Augen ihres Vaters, obwohl sie der Mutter sonst ähnlicher waren als Martina.
»Du bekommst doch eh eine Eins im Zeugnis«, meinte Axel. »Ich tät’ gern zu Hause bleiben.«
»Faulpelz«, sagte Sabine neckend.
»Frau Becher ist so langweilig«, murrte Axel. »Ich bin froh, wenn Frau Kreibel wieder da ist.«
»Ich würde schon sehr gern in die Schule gehen«, erklärte Kathrin.
»Die paar Monate vergehen sehr schnell«, sagte Martina etwas nachdenklich.
»Aber erst kommen die Sommerferien«, freute sich Axel. »Wir müssen jetzt aber gehen, Tina. Du darfst nicht rennen.«
Er war besorgt um die große Schwester. Sie hatten den gleichen Weg. Die Volksschule lag gleich neben dem Gymnasium, aber der Weg dorthin war doch ziemlich weit.
»Ich fahre euch«, sagte Manfred. »Tina soll in Ruhe frühstücken.«
»Ich habe keinen Hunger«, erwiderte das Mädchen.
»Bist eh so ein Krisperl«, meinte Axel. »Ich bin fast so groß wie du.«
»Bist ja auch ein Junge«, sagte Martina. Figürlich wirkte sie auch nicht älter als acht Jahre, aber sie hatte eben im Kopf, was ihr an Länge fehlte.
Sie klagte nie und fragte auch nicht mehr, warum ausgerechnet sie ein anderes Herz hatte. Sie hatte sich damit abgefunden, als es ihr erklärt wurde.
»Ich möchte auch mitfahren, Papi«, bat Kathrin, als der Aufbruch nahte.
»Dann könnt ihr gleich noch ein paar Besorgungen machen«, warf Sabine ein. »Ich habe alles schon aufgeschrieben. Ich kann dann dein Manu-skript abschreiben, Manni.«
»Es pressiert nicht, Liebes.« Er legte rasch den Arm um sie und küßte sie auf die Stirn. Er überragte sie um Haupteslänge. Sein dichtes dunkles Haar war an den Schläfen schon ergraut, in sein schmales, vergeistigtes Gesicht hatte sich manche Sorgenfalte eingegraben, aber es drückte Güte und Ausgeglichenheit aus.
Manfred Mainhard hatte kein leichtes Leben gehabt, und er hatte es sich auch nie leichtgemacht.
Sein Vater war früh gestorben, die Mutter war viele Jahre krank gewesen, und sie hatte kein Verständnis dafür gehabt, daß er sich einen Beruf erwählte, der ihrer Meinung nach nichts einbrachte. Ja, wenn er als Redakteur zu einer Zeitung gegangen wäre, hätte sie es verstanden, aber so bezeichnete sie ihn als einen Phantasten.
Es war ja nun wirklich nicht so, daß sie von der Hand in den Mund leben mußten. So schlecht verdiente Manfred nicht. Es mußte nur besser eingeteilt werden, als wenn man jeden Monat mit einem bestimmten Gehalt rechnen konnte. Und Sabine konnte einteilen.
Sie hatte nie daran gedacht, welch sorgloses Leben sie an der Seite Victor Wagners erwartet hätte, sie hatte dann überhaupt jeden Gedanken an ihn ausgeschaltet, nachdem sie von ihm so beleidigt worden war. Alles, was sie ersehnt hatte, fand sie bei Manfred. Verständnis, Wärme und Menschlichkeit. Das war viel mehr wert als finanzielle Sicherheit.
Sie setzte sich nun an die Schreibmaschine, aber sie tippte nicht sein Manuskript ab, sondern das, was sie in wenigen stillen Stunden selbst geschrieben hatte. Einmal, ganz plötzlich, hatte sie der Wunsch beseelt, selbst niederzuschreiben, in Worte zu fassen, was sie empfand, was sie mit den Augen einer glücklichen Frau sah.
Manfred hatte indessen Martina und Axel zur Schule gebracht. »Ich hole dich auch wieder ab, Tina«, sagte er liebevoll.
»Ich gehe gern, Papi«, erwiderte sie. »Es ist doch so schönes Wetter.«
Aber die Föhnwolken jagten unter dem blauen Himmel hinweg. Manfred sah es besorgt. Er wußte, daß es Martina an solchen Tagen gar nicht gut ging.
»Ich möchte, daß unsere Tina richtig gesund wird«, sagte die kleine Kathrin.
»Das möchte ich auch, mein Herzchen«, erwiderte Manfred leise. Und er überlegte wieder einmal, wie er das Geld aufbringen könne, um sie zu dem Spezialisten nach Kanada zu bringen.
»Jetzt guckst du wieder so traurig, Papi«, sagte Kathrin, »warum sind andere Leute reich?«
»Dafür sind wir glücklich, Kathrinchen«, sagte er weich.
»Aber nicht, wenn es Tina nicht gut geht«, meinte die Kleine ernsthaft. »Wir haben sie doch so lieb, und es wäre so schön, wenn sie mit uns herumspringen könnte.«
Ich muß es schaffen, dachte Manfred. Ob ich es nicht doch mal mit dem Roman versuchen soll, der schon so lange in der Schublade schmort?
»Wir müssen noch einkaufen, Papi«, erinnerte ihn Kathrin, als er schon in Richtung heimwärts fuhr.
»Hätte ich doch tatsächlich vergessen«, brummte er.
»Bist schon manchmal ein zerstreuter Professor«, lachte die Kleine schelmisch.
Aber beim Einkaufen war er das nicht. Da verglich er sorgfältig die Preise, und als er die Rechnung bezahlte, fragte er sich, wie Sabine es in den noch schwereren Zeiten nur fertig brachte, daß immer genügend zu essen im Hause war. Wenn er doch auch sie ein bißchen mehr verwöhnen könnte! Doch gleich dachte er wieder an Martina. Sie ging vor. Ihr mußte endlich geholfen werden.
*
Fee Norden hatte inzwischen schon in Erfahrung gebracht, wohin die Mainhards verzogen waren. Sorgfältig hatte sie sich alles notiert. Und da sie nun mal in der Stadt war, hatte sie auch gleich einige Einkäufe getätigt. Die Kinder wuchsen so schnell.
Sie hatte zwar nie so zu rechnen brauchen wie die ihr noch unbekannte Sabine Mainhard, aber auch sie stöhnte manchmal über die Preise.
Wieder in ihrem Vorort angekommen, suchte sie die Buchhandlung auf, die ihr wohlbekannt war und die in einem anderen Schicksal, das den Nordens auch sehr am Herzen gelegen war, vor gar nicht allzulanger Zeit eine beträchtliche Rolle gespielt hatte.
Sie war dort wohlbekannt und wurde höflich und freudig zugleich empfangen. Aber als sie nach Manfred Mainhard fragte, schüttelte der Besitzer den Kopf.
»Vielleicht schreibt er unter einem Pseudonym«, meinte Fee. »Haben Sie nicht so ein Verzeichnis? Es würde mich sehr interessieren.«
In einem dicken Wälzer fanden sie dann den Namen Mainhard. »Ach, der Fred Mainrad ist das«, sagte der Buchhändler. »Schreibt Sachbücher. Wird leider wenig Reklame gemacht.«
»Haben Sie welche da?« fragte Fee. Er hatte drei verschiedene, und sie kaufte alle drei. Sie fragte sich, was dieser Mann wohl sagen würde, wenn seine Frau das Erbe eines reichen Mannes antreten sollte.
Sie wußte nicht, wieviel Geld hinter Victor Wagner stand, aber eine Million war es sicherlich, wie Daniel meinte. Doch Fee wußte auch, daß ein unerwartetes Erbe so manche Konflikte nach sich ziehen konnte, und besonders wohl in einem solchen Fall.
Sie war zu Hause, die Kinder kamen auf sie zugestürzt, sie war abgelenkt. Lenni stand am Herd, und Fee hatte gerade noch Zeit, sich die Hände zu waschen, als auch Daniel schon kam, diesmal recht pünktlich, was die Kinder mit Jubel begrüßten. Doch Fee sah es seiner Miene an, daß er eine traurige Nachricht bekommen hatte.
»Victor?« fragte sie leise.
Er nickte. In Gegenwart der Kinder wurde darüber nicht gesprochen. Daniel konnte sich sogar zu einigen Späßen zwingen, und da seine drei Trabanten wie Kletten an ihm hingen, hatte er nur ein paar Minuten Gelegenheit, mit Fee zu sprechen.
»Er ist gegen sechs Uhr morgens gestorben«, raunte er ihr zu, und sie sagte ihm, was sie erreicht hatte.
»Ich werde mich mit Dr. Brandt in Verbindung setzen müssen«, sagte er, »aber Sabine soll erst nach der Beerdigung benachrichtigt werden.«
»Hoffentlich gibt es dann keine Probleme in der Ehe«, meinte Fee.
»Geld