Dr. Norden Bestseller Paket 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Sie das bitte«, sagte Claudia zaghaft, »aber mein Mann hat wirklich schlechte Erfahrungen gemacht. Vielleicht darf er Sie mal aufsuchen?«
»Ich habe meine Praxis aber am anderen Ende der Stadt«, sagte Dr. Norden mit einem flüchtigen Lächeln.
Martin Fiebig sah ihn mit einem seltsamen Ausdruck an. »Da soll mir kein Weg zu weit sein«, sagte er leise. »Sie haben auch keine Mühe gescheut, Herr Doktor.«
»Es war keine Mühe. Es war selbstverständlich. Ich bin selbst Vater, und außerdem war ich auf dem Weg zur Klinik. Es ist alles in Ordnung, Herr Fiebig. Sie brauchen sich nicht zu sorgen. Es war nur eine Vorsichtsmaßnahme. Es kann allerdings sein, daß der kleine Daniel noch davon träumt.«
»Ich vielleicht auch«, sagte Claudia scheu. »Aber Sie haben mir sehr geholfen.«
»Ich werde es nicht vergessen«, sagte Martin Fiebig leise.
»Nun erholen Sie sich von dem Schrecken, und für den Wagen muß die Versicherung des Schuldigen zahlen.«
»Der Wagen ist nicht wichtig«, sagte Martin Fiebig.
»Papa schümpft gar nicht«, staunte der kleine Daniel.
»Schimpft, heißt es, Danny«, wurde er von seinem Vater berichtigt. »Ich bin halt ein Choleriker, tut mir leid.«
»Nein, ein Choleriker sind Sie nicht«, sagte Dr. Norden.
»Was dann?«
»So schnell kann ich eine Diagnose nicht stellen. Wenn Sie den Weg nicht scheuen, können wir uns ja mal unterhalten.«
Er fing einen bittenden Blick von Claudia auf. »Sofern Sie Vertrauen zu mir haben«, fügte er schnell hinzu, ahnungsvoll, daß auch dieser Mann Hilfe benötigte, denn seine Vermutung, daß es sich um einen despotischen Ehemann handeln könne, fand er widerlegt. Martin Fiebig war ein nervöser, ängstlicher und eifersüchtiger Mann, ein Mann, der mit seinen Problemen nicht fertig wurde.
»Kann ich gleich morgen kommen, nachmittags vielleicht?« fragte Martin Fiebig.
»Gern, sagen wir gegen halb sechs Uhr?«
»Danke, Herr Doktor, vielen Dank für alles.«
Und Claudia wiederholte es. »Schönen Dank«, sagte auch der kleine Daniel.
*
Es war acht Uhr geworden, bis Daniel Norden heimkam, und die Kinder waren schon im Bett. Von Fee wurde er mit einem zärtlichen Kuß empfangen, und Lenni rief aus der Küche: »Endlich, Gott sei Dank.«
Sie machte sich auch schnell Sorgen und hatte es nun eilig, das Essen auf den Tisch zu bringen.
Daniel wusch sich die Hände und hielt seinen Kopf unter das kalte Wasser. Dann fühlte er sich etwas wohler und ging hinauf zu den Kindern, die auf den Gutenachtkuß warteten, obgleich sie schon im Einschlafen begriffen waren.
»Kommst du mal wieder früher, Papilein?« fragte die kleine Anneka schmeichelnd.
»Es wird schon mal wieder werden, mein Schätzchen«, erwiderte er. »Nun schlaf schön.«
»Du darfst aber nie krank werden«, murmelte die Kleine.
Und nun mußte er wieder an Victor denken. Aber erst, nachdem er seinen Hunger gestillt hatte, erzählte er Fee von dem Studienfreund. Sie zog fröstelnd die Schultern zusammen, obgleich es an diesem Abend fast drückend schwül war.
»Schrecklich«, sagte sie leise. »Und was wollte er von dir?«
Auch das erfuhr sie. Lange herrschte dann Schweigen zwischen ihnen.
»Und wenn er sich täuscht und es ist doch nicht sein Kind?« fragte Fee sinnend in dieses Schweigen hinein.
»Ich werde Sabine aufsuchen und mit ihr sprechen.«
»Kanntest du sie persönlich?« fragte Fee.
»Ja, wenn auch nur flüchtig, aber sie war ein sehr nettes, solides Mädchen, sehr tüchtig. Sie leitete ein Schreibbüro. Vic lernte sie dadurch kennen. Sie tippte seine Examensarbeiten.«
Fee dachte wieder ein paar Sekunden nach. »Und ihr Mann ist Schriftsteller«, sagte sie sinnend. »Vielleicht lernte sie ihn dadurch kennen, daß sie für ihn tippte.«
»Der Gedanke ist mir noch nicht gekommen«, meinte Daniel.
»Typisch Mann, und wie oft kommt es durch ungerechte Eifersucht zu schweren Konflikten. Ich verstehe nicht, daß erwachsene Menschen nicht vernünftig miteinander reden können, wenn es gilt, Zweifel auszuräumen. Nun, es mag sein, daß diese Sabine zu der Erkenntnis kam, daß Victor doch nicht der richtige Partner für sie sei. Ich werde mich morgen mal erkundigen, ob Manfred Mainhard unter einem Pseudonym schreibt und was er schreibt. Hat Victor dir auch die Adresse gegeben?«
»Nur die vorige. Sie sind inzwischen umgezogen.«
»Aber in München?«
»Das muß ich herausfinden.«
»Das kannst du mir überlassen, Schatz«, sagte Fee hilfsbereit. »Du hast genug zu tun.«
Daniel konnte sich auf seine Frau verlassen. Sie half ihm stets, wo und wann immer sie das konnte. Und nun erzählte er ihr auch von dem Zwischenfall mit Claudia Fiebig und ihrem Söhnchen.
»Daniel ist ein beliebter Name geworden«, sagte sie lächelnd.
»Gefällt er dir nicht mehr?« fragte er neckend.
Sie schenkte ihm ein zauberhaftes Lächeln. »Ich konnte ihn ja nicht patentieren lassen, mein Schatz. Aber ich würde dich auch lieben, wenn du Nepomuk heißen würdest.«
»Wieso ausgerechnet Nepomuk?« staunte er.
»Manche Eltern kommen auf die verrücktesten Ideen. Immerhin könnte ich dich dann Muckerl nennen.«
Sie verstand es, ihn aufzuheitern, sie hatte ihm schon oft die Sorgen vertrieben, aber in der Nacht träumte er dann doch von Victor und Sabine. Seltsam, wie deutlich ihm dieses sanfte Mädchen mit den großen nachtdunklen Augen im Traum erschien, obgleich so viele Jahre vergangen waren, seit er Sabine kennengelernt hatte.
*
Sabine Mainhard hätte eine vollkommen glückliche Frau sein können. Obgleich es keine himmelstürmende Liebe gewesen war, die sie und Manfred zusammengeführt hatte, war es in den Jahren der Ehe doch eine tiefe, innige Liebe geworden, die auch durch harte Bewährungsproben nicht mehr zu erschüttern war.
Die einzige große Sorge in ihrem recht bescheidenen Leben bereitete ihnen nur die jetzt fast zwölfjährige Martina, die immer ein sehr zartes Kind gewesen war. Martina war mit einem Herzschaden zur Welt gekommen und hatte immer besonderer Fürsorge bedurft.
Sie wurde von den jüngeren Geschwistern ebenso geliebt wie von den Eltern. Ja, Manfred Mainhard hatte einen ganz besonders innigen Kontakt zu dem Mädchen, das ihrem Alter geistig weit voraus war. Sport hatte Martina nie treiben dürfen, körperliche Belastungen durfte sie überhaupt nicht ausgesetzt werden. So hatte sie sich schon von früher Kindheit an überwiegend mit Büchern beschäftigt, wenn die anderen Kinder draußen herumtobten.
Für die kostspielige Operation, die bisher nur in Kanada ausgeführt werden konnte, fehlte den Mainhards allerdings das Geld. Sie waren schon glücklich gewesen, als Manfred von einem Onkel das Bauernhaus geerbt hatte und sie der lauten, stickigen Stadt entfliehen konnten.
Sie hatten es hübsch hergerichtet. Reichtümer hatte Manfred mit seinen Sachbüchern und Zeitungsartikeln nicht sammeln können, aber Not hatten sie nie leiden müssen. Sie waren zufrieden, und führten ein harmonisches Leben. Der achtjährige Axel und die sechsjährige Kathrin waren kerngesund.
Nichtahnend, welche Probleme auf sie zukommen würden, saßen sie an diesem Morgen, wie jeden Tag, vereint am Frühstückstisch. Sabine fiel es auf, daß Martina noch blasser war als sonst.
»Fühlst du dich nicht wohl, Tina?« fragte sie besorgt.
»Es